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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von Malmnocco.
Adolf Stern. Novelle von

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^II der Hütte des Mareantonio -- dem kleinsten von fünf oder
sechs Fischerhüusern, die hart um Ostrande des Lido lagen -- stand
bellte noch lange nach Mitternacht der hölzerne Laden weit ge¬
öffnet, welcher in andern Nächten die Höhlung schloß, die statt
des Fensters diente. Die Nachtluft und der Meereshanch konnten
frei in das größere Gemach der Hütte einströmen, ohne daß es darum in der¬
selben viel kühler ward. Ein heißer, schwüler Sommer lag seit Wochen über
dein Lande, dörrte das Schilfdach auf der Hütte noch brauner, als es zuvor
gewesen, und durchglühte die Mauern. Auch die mondhellen Nachte blieben
warm und selbst die große Meerflut hauchte uur soviel Frische aus, daß sich
hier, hart am Strande, besser atmen ließ als drüben über der Lagune und in
der Stadt mit ihren Steinmassen. Vom Nachthimmel leuchtete der Vollmond
und blitzte" die Sterne so klar, als ob nirgend eine Wolke über Land und
Wasser ziehe, und wer noch vom heißen Abend her wachte, konnte einem ebenso
heißen neuen Tage entgegensehen.

Das Gemach in der Fischerhütte, vor dem uur ein kleiner Vorplatz mit
einem Herd aus rohgeschichteten Steinen lag, barg wenig Gerät. Ein Tisch
und ein paar hölzerne Bänke und Sitze um denselben her und im Hintergründe
ein großes, breites Bett vou dem gleichen schweren, dunkeln Holze wie Tisch
und Bank, kunstlos gefügt wie diese! Doch über das hochgeschichtete trockne
Seegras hingen schimmernd weiße Linnentücher herab und ein paar bunte ge¬
wirkte Decken mit breiten Purpursnumeu umhüllten die Gestalt eines jungen
Mannes, der im festen Schlummer lag, und dessen ruhige, tiefe Atemzüge von
der jugendlichen Frau belauscht wurden, die sich von dem gemeinsamen Lager
erhoben hatte. Sie unterschied im Mondlicht, das breit und hell ius Zimmer
fiel, die Züge des bräunlichen Gesichts und die schwarzen Locken, die sich ein
wenig wirr um die Stirn des Schläfers schmiegten. Sie nahm wahr, daß er




Die Fischerin von Malmnocco.
Adolf Stern. Novelle von

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^II der Hütte des Mareantonio — dem kleinsten von fünf oder
sechs Fischerhüusern, die hart um Ostrande des Lido lagen — stand
bellte noch lange nach Mitternacht der hölzerne Laden weit ge¬
öffnet, welcher in andern Nächten die Höhlung schloß, die statt
des Fensters diente. Die Nachtluft und der Meereshanch konnten
frei in das größere Gemach der Hütte einströmen, ohne daß es darum in der¬
selben viel kühler ward. Ein heißer, schwüler Sommer lag seit Wochen über
dein Lande, dörrte das Schilfdach auf der Hütte noch brauner, als es zuvor
gewesen, und durchglühte die Mauern. Auch die mondhellen Nachte blieben
warm und selbst die große Meerflut hauchte uur soviel Frische aus, daß sich
hier, hart am Strande, besser atmen ließ als drüben über der Lagune und in
der Stadt mit ihren Steinmassen. Vom Nachthimmel leuchtete der Vollmond
und blitzte» die Sterne so klar, als ob nirgend eine Wolke über Land und
Wasser ziehe, und wer noch vom heißen Abend her wachte, konnte einem ebenso
heißen neuen Tage entgegensehen.

Das Gemach in der Fischerhütte, vor dem uur ein kleiner Vorplatz mit
einem Herd aus rohgeschichteten Steinen lag, barg wenig Gerät. Ein Tisch
und ein paar hölzerne Bänke und Sitze um denselben her und im Hintergründe
ein großes, breites Bett vou dem gleichen schweren, dunkeln Holze wie Tisch
und Bank, kunstlos gefügt wie diese! Doch über das hochgeschichtete trockne
Seegras hingen schimmernd weiße Linnentücher herab und ein paar bunte ge¬
wirkte Decken mit breiten Purpursnumeu umhüllten die Gestalt eines jungen
Mannes, der im festen Schlummer lag, und dessen ruhige, tiefe Atemzüge von
der jugendlichen Frau belauscht wurden, die sich von dem gemeinsamen Lager
erhoben hatte. Sie unterschied im Mondlicht, das breit und hell ius Zimmer
fiel, die Züge des bräunlichen Gesichts und die schwarzen Locken, die sich ein
wenig wirr um die Stirn des Schläfers schmiegten. Sie nahm wahr, daß er


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[0460] [Abbildung] Die Fischerin von Malmnocco. Adolf Stern. Novelle von /» . »AM^^Ä^^x ^?^fße> ^II der Hütte des Mareantonio — dem kleinsten von fünf oder sechs Fischerhüusern, die hart um Ostrande des Lido lagen — stand bellte noch lange nach Mitternacht der hölzerne Laden weit ge¬ öffnet, welcher in andern Nächten die Höhlung schloß, die statt des Fensters diente. Die Nachtluft und der Meereshanch konnten frei in das größere Gemach der Hütte einströmen, ohne daß es darum in der¬ selben viel kühler ward. Ein heißer, schwüler Sommer lag seit Wochen über dein Lande, dörrte das Schilfdach auf der Hütte noch brauner, als es zuvor gewesen, und durchglühte die Mauern. Auch die mondhellen Nachte blieben warm und selbst die große Meerflut hauchte uur soviel Frische aus, daß sich hier, hart am Strande, besser atmen ließ als drüben über der Lagune und in der Stadt mit ihren Steinmassen. Vom Nachthimmel leuchtete der Vollmond und blitzte» die Sterne so klar, als ob nirgend eine Wolke über Land und Wasser ziehe, und wer noch vom heißen Abend her wachte, konnte einem ebenso heißen neuen Tage entgegensehen. Das Gemach in der Fischerhütte, vor dem uur ein kleiner Vorplatz mit einem Herd aus rohgeschichteten Steinen lag, barg wenig Gerät. Ein Tisch und ein paar hölzerne Bänke und Sitze um denselben her und im Hintergründe ein großes, breites Bett vou dem gleichen schweren, dunkeln Holze wie Tisch und Bank, kunstlos gefügt wie diese! Doch über das hochgeschichtete trockne Seegras hingen schimmernd weiße Linnentücher herab und ein paar bunte ge¬ wirkte Decken mit breiten Purpursnumeu umhüllten die Gestalt eines jungen Mannes, der im festen Schlummer lag, und dessen ruhige, tiefe Atemzüge von der jugendlichen Frau belauscht wurden, die sich von dem gemeinsamen Lager erhoben hatte. Sie unterschied im Mondlicht, das breit und hell ius Zimmer fiel, die Züge des bräunlichen Gesichts und die schwarzen Locken, die sich ein wenig wirr um die Stirn des Schläfers schmiegten. Sie nahm wahr, daß er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/460>, abgerufen am 29.06.2024.