Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.Die Fremdwörterseuche. steht Würdig den in Vitrinen elegant plaeirten Objekten (Unruh. Kunst und Im Arnimschen Prozesse wurde zuerst der Ausdruck glissircu gebraucht. Wer möchte alle die Ausgeburten solchen schwindelhafter Treibens aufzählen ! Es läßt sich vielleicht manches zur Entschuldigung der Zeitungsschreiber Auch einiges andre ließe sich noch sagen. Schon Leibnitz meinte, daß Die Fremdwörterseuche. steht Würdig den in Vitrinen elegant plaeirten Objekten (Unruh. Kunst und Im Arnimschen Prozesse wurde zuerst der Ausdruck glissircu gebraucht. Wer möchte alle die Ausgeburten solchen schwindelhafter Treibens aufzählen ! Es läßt sich vielleicht manches zur Entschuldigung der Zeitungsschreiber Auch einiges andre ließe sich noch sagen. Schon Leibnitz meinte, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194430"/> <fw type="header" place="top"> Die Fremdwörterseuche.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1669" prev="#ID_1668"> steht Würdig den in Vitrinen elegant plaeirten Objekten (Unruh. Kunst und<lb/> Gewerbe) zur Seite. Eine intime Entente wird in Pvurparlers, Cvmmuniquvs<lb/> und Eutrefilets breit getreten und dementirt. Eben jetzt sind die Ungeheuer<lb/> Funktionarismus und legiferiren, Dramvlet und Pvrteinenu aufgebracht worden:<lb/> in sechs oder acht Monaten wird keine anständige Zeitung sie entbehren können,<lb/> in zwölf Monaten wird als ungebildet verlästert werden, wer sie nicht kennt, und<lb/> in zwei Jahren plappern sie die höhern Töchtern uach. Das ist Bereicherung<lb/> der deutschen Sprache!</p><lb/> <p xml:id="ID_1670"> Im Arnimschen Prozesse wurde zuerst der Ausdruck glissircu gebraucht.<lb/> Heute glissirts in allen großen und kleinen Blättern. Ungefähr ebenso alt<lb/> mögen die Kunstwörter Premiöre und Reprise für die erste Aufführung und<lb/> Wiederholung eines Schauspiels sein. Als Ableger hat sich jüngsthin auch der<lb/> Premier oder Premier-Artikel für Leitartikel gebildet. Nicht selten liest man<lb/> sogar 1<;aä6r für Leiter. Gesnmtgastspiel gilt den Zeitungen für zu gewöhnlich<lb/> — ordinär sagen sie selbst —, man schreibt Eusemblegastspiel. In Berlin haben<lb/> sie sogar ein Celltral-Anuvneeubureau eingerichtet — etablirt. Freilich die Ver¬<lb/> fasser dieser Zeitungen nennen sich selbst ja Journalisten, Redakteure, Chef-<lb/> redaktenre, Repvrter und dergleichen mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1671"> Wer möchte alle die Ausgeburten solchen schwindelhafter Treibens aufzählen !<lb/> Ich unterlasse es, mich auf einzelne Zeitungen und eiuzelue Fülle besonders<lb/> hinzuweisen, da fast jedes beliebige Zeitungsblatt deu Beweis für die Ver¬<lb/> wilderung der deutscheu Sprache liefern kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1672"> Es läßt sich vielleicht manches zur Entschuldigung der Zeitungsschreiber<lb/> anführen. Die Hast des Schreibens für ein Blatt, das jeden Tag, ja täglich<lb/> zwei- oder dreimal erscheint, gestattet oft keine Überlegung; es wird darauf los<lb/> geschrieben, wie die Tinte aus der Feder fließt. Und leichter magh ja sein,<lb/> ohne viel Nachdenken zu sprechen und zu schreiben, was über die Zunge und<lb/> in die Feder läuft, als auf seine Sprache anständig und schicklich zu halten.<lb/> Dies setzt Erziehung, Bildung und Willen voraus, während jenes auch bei<lb/> ungezogenen Sichgehenlassen möglich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1673" next="#ID_1674"> Auch einiges andre ließe sich noch sagen. Schon Leibnitz meinte, daß<lb/> manche Personen „offtmahls in solcher Eil schreiben, wegen überhänffter Ge¬<lb/> schäfte, daß sie kaum eiumcchl wiederlesen können, was sie geschrieben, und froh<lb/> sind, wenn sie ihre häufig andringende und sonst verschwindende Gedanken<lb/> in aller Eil dem Papier zu verwahren geben; daß nun solche es bei dein übel-<lb/> eingerissenen Gebrauch lassen, und die ihnen zuerst vorkommenden Worts er-<lb/> greifseu, darumb sind sie nicht zu verdenken; denn ja osftmahls die frembde<lb/> uns geläufftig, und die teutsche frembd worden." Solche Entschuldigung wird<lb/> gewiß jeder billigerweise gelten lassen, wenn die Dinge sich wirklich so ver¬<lb/> halten. Auch bei Kant sähen wir eine ganze Reihe fremder und zum Teil<lb/> gewiß recht unglücklicher Ausdrücke lieber uicht, aber gerne wird mau sich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0452]
Die Fremdwörterseuche.
steht Würdig den in Vitrinen elegant plaeirten Objekten (Unruh. Kunst und
Gewerbe) zur Seite. Eine intime Entente wird in Pvurparlers, Cvmmuniquvs
und Eutrefilets breit getreten und dementirt. Eben jetzt sind die Ungeheuer
Funktionarismus und legiferiren, Dramvlet und Pvrteinenu aufgebracht worden:
in sechs oder acht Monaten wird keine anständige Zeitung sie entbehren können,
in zwölf Monaten wird als ungebildet verlästert werden, wer sie nicht kennt, und
in zwei Jahren plappern sie die höhern Töchtern uach. Das ist Bereicherung
der deutschen Sprache!
Im Arnimschen Prozesse wurde zuerst der Ausdruck glissircu gebraucht.
Heute glissirts in allen großen und kleinen Blättern. Ungefähr ebenso alt
mögen die Kunstwörter Premiöre und Reprise für die erste Aufführung und
Wiederholung eines Schauspiels sein. Als Ableger hat sich jüngsthin auch der
Premier oder Premier-Artikel für Leitartikel gebildet. Nicht selten liest man
sogar 1<;aä6r für Leiter. Gesnmtgastspiel gilt den Zeitungen für zu gewöhnlich
— ordinär sagen sie selbst —, man schreibt Eusemblegastspiel. In Berlin haben
sie sogar ein Celltral-Anuvneeubureau eingerichtet — etablirt. Freilich die Ver¬
fasser dieser Zeitungen nennen sich selbst ja Journalisten, Redakteure, Chef-
redaktenre, Repvrter und dergleichen mehr.
Wer möchte alle die Ausgeburten solchen schwindelhafter Treibens aufzählen !
Ich unterlasse es, mich auf einzelne Zeitungen und eiuzelue Fülle besonders
hinzuweisen, da fast jedes beliebige Zeitungsblatt deu Beweis für die Ver¬
wilderung der deutscheu Sprache liefern kann.
Es läßt sich vielleicht manches zur Entschuldigung der Zeitungsschreiber
anführen. Die Hast des Schreibens für ein Blatt, das jeden Tag, ja täglich
zwei- oder dreimal erscheint, gestattet oft keine Überlegung; es wird darauf los
geschrieben, wie die Tinte aus der Feder fließt. Und leichter magh ja sein,
ohne viel Nachdenken zu sprechen und zu schreiben, was über die Zunge und
in die Feder läuft, als auf seine Sprache anständig und schicklich zu halten.
Dies setzt Erziehung, Bildung und Willen voraus, während jenes auch bei
ungezogenen Sichgehenlassen möglich ist.
Auch einiges andre ließe sich noch sagen. Schon Leibnitz meinte, daß
manche Personen „offtmahls in solcher Eil schreiben, wegen überhänffter Ge¬
schäfte, daß sie kaum eiumcchl wiederlesen können, was sie geschrieben, und froh
sind, wenn sie ihre häufig andringende und sonst verschwindende Gedanken
in aller Eil dem Papier zu verwahren geben; daß nun solche es bei dein übel-
eingerissenen Gebrauch lassen, und die ihnen zuerst vorkommenden Worts er-
greifseu, darumb sind sie nicht zu verdenken; denn ja osftmahls die frembde
uns geläufftig, und die teutsche frembd worden." Solche Entschuldigung wird
gewiß jeder billigerweise gelten lassen, wenn die Dinge sich wirklich so ver¬
halten. Auch bei Kant sähen wir eine ganze Reihe fremder und zum Teil
gewiß recht unglücklicher Ausdrücke lieber uicht, aber gerne wird mau sich
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