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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fremdmörterseuchc.

wegnng, in welche nlle Elemente des sozialen Zusammenhanges geraten sind.
Es ist aber keineswegs nötig, daß die Bewegung im Nihilismus ausgehe. Aber
wenn gesagt wird, uur im moralischen Sinne solle die "Selbsthilfe" gebraucht
werden, so giebt man schon den Manchestristen zu viel nach. "Selbsthilfe" ist
ein Nonsens, gleichviel ob man von ihr spricht im ökonomischen oder moralischen
Sinne. Belone der Pater die Einkehr des einzelnen in sich selbst, die Rückkehr
zu den sittlichen Grundsätzen der Alten, so ist dies wiederum eine Ausgabe
der Erziehung, über die sich wohl kaum viele katholische Erzieher klar sind. Wird
hier die Frauenfrage schärfer betont und würden deu Frauen die Anschauungen
der Alten über ihr Leben und ihre Aufgaben in ebenso gewinnender als ein¬
dringlicher Weise vorgeführt, so ist der herzliche Beifall von allen Seiten sicher.
Denn in der That, "Hausfrauen, nicht Ausfrnnen sind es, die das Hans denen."
Wenn ferner die Alten verlangten, daß "ein Mädchen um eine Feder über drei
Zäune springe, weil viele Federn ein Bett geben," und der zeitgenössische
Sozialpolitiker dies das "beste Müdchentnrnen" nennt, so liegt darin unendlich
viel Wahrheit. Allein immer und immer wieder bleibt alledem gegenüber zu
betonen: Das sind lange Wege. Der Zeitenlanf aber ist rasch und stürmend.

(Schluß folgt.)




Die Fremdrvörterseuche.
von Herman Riegel.

is ich den Entschluß faßte, öffentlich aufzutreten gegen den Unfug,
der in der deutschen Sprache heutzutage mehr denn je mit den
Fremdwörtern getrieben wird, war ich mir der Unannehmlich¬
keiten, die damit verbunden sein würden, vollständig bewußt, aber
dieselben konnten mich nicht verhindern, dein guten und edeln
Zwecke zu dienen. Die Erfnhruug hat gelehrt, daß alle, welche bisher diesem
Unfug zu steuern versucht haben, sich gefallen lassen mußten, lächerlich gemacht
zu werdeu. Der Grund liegt darin, daß die nicht ganz seltne Tugend der Träg¬
heit dem Angriffe anf eine bequeme Gewohnheit nntnrgemäß entgegenzuwirken
sucht und, da nun hier aus Anlaß naheliegender Übertreibungen, sich ohne be¬
sondre Anstrengung leicht Witze macheu lassen, so bedient sie sich dieses Mittels,
um den Angreifer dem allgemeinen Spotte preiszugeben. Nichts ist billiger als
dies. Aber ich kann diesen Spott nicht ernstlich nehmen und seine Bedeutung
nicht achten. Er hat keine Widerstandskraft und muß vor dem Ernst der Sache
doch verstummen, wenn er auch anfaugs noch so sehr gelästert hat. "Krieg


Die Fremdmörterseuchc.

wegnng, in welche nlle Elemente des sozialen Zusammenhanges geraten sind.
Es ist aber keineswegs nötig, daß die Bewegung im Nihilismus ausgehe. Aber
wenn gesagt wird, uur im moralischen Sinne solle die „Selbsthilfe" gebraucht
werden, so giebt man schon den Manchestristen zu viel nach. „Selbsthilfe" ist
ein Nonsens, gleichviel ob man von ihr spricht im ökonomischen oder moralischen
Sinne. Belone der Pater die Einkehr des einzelnen in sich selbst, die Rückkehr
zu den sittlichen Grundsätzen der Alten, so ist dies wiederum eine Ausgabe
der Erziehung, über die sich wohl kaum viele katholische Erzieher klar sind. Wird
hier die Frauenfrage schärfer betont und würden deu Frauen die Anschauungen
der Alten über ihr Leben und ihre Aufgaben in ebenso gewinnender als ein¬
dringlicher Weise vorgeführt, so ist der herzliche Beifall von allen Seiten sicher.
Denn in der That, „Hausfrauen, nicht Ausfrnnen sind es, die das Hans denen."
Wenn ferner die Alten verlangten, daß „ein Mädchen um eine Feder über drei
Zäune springe, weil viele Federn ein Bett geben," und der zeitgenössische
Sozialpolitiker dies das „beste Müdchentnrnen" nennt, so liegt darin unendlich
viel Wahrheit. Allein immer und immer wieder bleibt alledem gegenüber zu
betonen: Das sind lange Wege. Der Zeitenlanf aber ist rasch und stürmend.

(Schluß folgt.)




Die Fremdrvörterseuche.
von Herman Riegel.

is ich den Entschluß faßte, öffentlich aufzutreten gegen den Unfug,
der in der deutschen Sprache heutzutage mehr denn je mit den
Fremdwörtern getrieben wird, war ich mir der Unannehmlich¬
keiten, die damit verbunden sein würden, vollständig bewußt, aber
dieselben konnten mich nicht verhindern, dein guten und edeln
Zwecke zu dienen. Die Erfnhruug hat gelehrt, daß alle, welche bisher diesem
Unfug zu steuern versucht haben, sich gefallen lassen mußten, lächerlich gemacht
zu werdeu. Der Grund liegt darin, daß die nicht ganz seltne Tugend der Träg¬
heit dem Angriffe anf eine bequeme Gewohnheit nntnrgemäß entgegenzuwirken
sucht und, da nun hier aus Anlaß naheliegender Übertreibungen, sich ohne be¬
sondre Anstrengung leicht Witze macheu lassen, so bedient sie sich dieses Mittels,
um den Angreifer dem allgemeinen Spotte preiszugeben. Nichts ist billiger als
dies. Aber ich kann diesen Spott nicht ernstlich nehmen und seine Bedeutung
nicht achten. Er hat keine Widerstandskraft und muß vor dem Ernst der Sache
doch verstummen, wenn er auch anfaugs noch so sehr gelästert hat. „Krieg


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[0441] Die Fremdmörterseuchc. wegnng, in welche nlle Elemente des sozialen Zusammenhanges geraten sind. Es ist aber keineswegs nötig, daß die Bewegung im Nihilismus ausgehe. Aber wenn gesagt wird, uur im moralischen Sinne solle die „Selbsthilfe" gebraucht werden, so giebt man schon den Manchestristen zu viel nach. „Selbsthilfe" ist ein Nonsens, gleichviel ob man von ihr spricht im ökonomischen oder moralischen Sinne. Belone der Pater die Einkehr des einzelnen in sich selbst, die Rückkehr zu den sittlichen Grundsätzen der Alten, so ist dies wiederum eine Ausgabe der Erziehung, über die sich wohl kaum viele katholische Erzieher klar sind. Wird hier die Frauenfrage schärfer betont und würden deu Frauen die Anschauungen der Alten über ihr Leben und ihre Aufgaben in ebenso gewinnender als ein¬ dringlicher Weise vorgeführt, so ist der herzliche Beifall von allen Seiten sicher. Denn in der That, „Hausfrauen, nicht Ausfrnnen sind es, die das Hans denen." Wenn ferner die Alten verlangten, daß „ein Mädchen um eine Feder über drei Zäune springe, weil viele Federn ein Bett geben," und der zeitgenössische Sozialpolitiker dies das „beste Müdchentnrnen" nennt, so liegt darin unendlich viel Wahrheit. Allein immer und immer wieder bleibt alledem gegenüber zu betonen: Das sind lange Wege. Der Zeitenlanf aber ist rasch und stürmend. (Schluß folgt.) Die Fremdrvörterseuche. von Herman Riegel. is ich den Entschluß faßte, öffentlich aufzutreten gegen den Unfug, der in der deutschen Sprache heutzutage mehr denn je mit den Fremdwörtern getrieben wird, war ich mir der Unannehmlich¬ keiten, die damit verbunden sein würden, vollständig bewußt, aber dieselben konnten mich nicht verhindern, dein guten und edeln Zwecke zu dienen. Die Erfnhruug hat gelehrt, daß alle, welche bisher diesem Unfug zu steuern versucht haben, sich gefallen lassen mußten, lächerlich gemacht zu werdeu. Der Grund liegt darin, daß die nicht ganz seltne Tugend der Träg¬ heit dem Angriffe anf eine bequeme Gewohnheit nntnrgemäß entgegenzuwirken sucht und, da nun hier aus Anlaß naheliegender Übertreibungen, sich ohne be¬ sondre Anstrengung leicht Witze macheu lassen, so bedient sie sich dieses Mittels, um den Angreifer dem allgemeinen Spotte preiszugeben. Nichts ist billiger als dies. Aber ich kann diesen Spott nicht ernstlich nehmen und seine Bedeutung nicht achten. Er hat keine Widerstandskraft und muß vor dem Ernst der Sache doch verstummen, wenn er auch anfaugs noch so sehr gelästert hat. „Krieg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/441>, abgerufen am 29.06.2024.