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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Debatten über die soziale Frage.

Widerspruch zeigte sich besonders auffallend bei Erörterung der Verhältnisse der
Presse. Unleugbar ist, wie die Presse wesentlich ein Kampfmittel ist, bei ihr
auch die Geldfrage die oberste. Aber es ist doch charakteristisch für eine Partei,
wenn sie in Beziehung auf eines ihrer organischen Hilfsmittel auch das Geld¬
erwerben in erste Linie stellt. Und dies geschah thatsächlich dadurch, daß den
Katholiken ans Herz gelegt wurde, wenn nicht ausschließlich, doch in erster Linie
bei deu Geschäftsleute,:, welche in katholischen Blättern inserireu, zu kaufen!
Wer aber sind diese?

Überhaupt scheint man sich jcnerseits garnicht über die Tragweite solcher
Anregungen und über den Widerspruch, in den man sich damit zu den sozialen
Bestrebungen der eignen Sozialpolitiker setzt, klar zu sein. Das Inseriren, ins¬
besondre das häufige Inseriren, kostet Geld, das ja auch dadurch deu Zeitungen
zufließen soll. Für die kleineren Zeitungen inbesondre sind aber die Haupt-
inserenten die jüdischen Zwischenhandels-, Konfektionsgeschäfte ?e. Diese aber
bringen die Jnsertionsgebühren wesentlich auf durch das Herabdrücken der Arbeits¬
löhne einerseits, andrerseits durch uupreiswürdige Lieferung an das Publikum,
ganz genau so wie auch die Pilleufabrikauteu ?e., die ja auch zu deu besten
Kunden des Anzeigeteiles der Zeitungen gehören. Nun wollen die katholischen
Sozialpolitiker die Löhne verbessern, wollen das Kleinhandwerk (das sicher nur
ausnahmsweise einmal die Kosten für eine Anzeige aufbringen kann) heben, und
empfehlen in einem Atem ihren Leuten, daß sie deren ärgste Feinde und Aus¬
beuter unterstützen sollen, lediglich weil diese einen Tribut von ihrem Gewinn
an die katholische Presse, die wesentlich als politisches Machtmittel erscheint,
abgeben!

Gewiß könnte die innere Unklarheit, die den sozialpolitischen Bestrebungen
allenthalben und selbst innerhalb eines sonst so praktischen Kreises wie hier
innewohnen, uicht drastischer vor Augen geführt werden, als es an der Zu-
sammenwürfelnng dieser unversöhnlichen Gegensätze geschieht. Unmöglich befindet
man sich auf der Höhe der sozialpolitischen Aufgaben und Pflichten, wenn man,
wäre es auch uur für einen einzelnen und besondern Zweck, "Geld um jeden
Preis" zur Lösung macht! Wem es ernst ist mit einer sozialen Reform, wer
mit einiger Aussicht auf Erfolg arbeiten will, die soziale Vcwcguug einzudämmen
und sie nach und nach in ein ruhiges Bett zu leiten, der muß sich auch dazu
erheben können, Geld, das sich ihm ans gewissen Quellen antrügt, abzulehnen!
Und insbesondre muß er die wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhange zu
begreifen verstehen. Wo aber im großen und ganzen dies Verständnis fehlt
und vielleicht nie gewonnen werden kann, da wird auch die sozialpolitische Arbeit
Stückwerk und in Hinsicht auf ein großes Ziel ohne Ergebnis bleiben.

Selbst eine überraschend tiefe Einsicht in manche Verhältnisse des sozialen
Lebens, wie sie der Generalsekretär des "Arbciterwohl," Caplan Hitze, und wie
sie der Pater Weiß aus Grciz nach andrer Seite hin bekundete, und eine auf


Debatten über die soziale Frage.

Widerspruch zeigte sich besonders auffallend bei Erörterung der Verhältnisse der
Presse. Unleugbar ist, wie die Presse wesentlich ein Kampfmittel ist, bei ihr
auch die Geldfrage die oberste. Aber es ist doch charakteristisch für eine Partei,
wenn sie in Beziehung auf eines ihrer organischen Hilfsmittel auch das Geld¬
erwerben in erste Linie stellt. Und dies geschah thatsächlich dadurch, daß den
Katholiken ans Herz gelegt wurde, wenn nicht ausschließlich, doch in erster Linie
bei deu Geschäftsleute,:, welche in katholischen Blättern inserireu, zu kaufen!
Wer aber sind diese?

Überhaupt scheint man sich jcnerseits garnicht über die Tragweite solcher
Anregungen und über den Widerspruch, in den man sich damit zu den sozialen
Bestrebungen der eignen Sozialpolitiker setzt, klar zu sein. Das Inseriren, ins¬
besondre das häufige Inseriren, kostet Geld, das ja auch dadurch deu Zeitungen
zufließen soll. Für die kleineren Zeitungen inbesondre sind aber die Haupt-
inserenten die jüdischen Zwischenhandels-, Konfektionsgeschäfte ?e. Diese aber
bringen die Jnsertionsgebühren wesentlich auf durch das Herabdrücken der Arbeits¬
löhne einerseits, andrerseits durch uupreiswürdige Lieferung an das Publikum,
ganz genau so wie auch die Pilleufabrikauteu ?e., die ja auch zu deu besten
Kunden des Anzeigeteiles der Zeitungen gehören. Nun wollen die katholischen
Sozialpolitiker die Löhne verbessern, wollen das Kleinhandwerk (das sicher nur
ausnahmsweise einmal die Kosten für eine Anzeige aufbringen kann) heben, und
empfehlen in einem Atem ihren Leuten, daß sie deren ärgste Feinde und Aus¬
beuter unterstützen sollen, lediglich weil diese einen Tribut von ihrem Gewinn
an die katholische Presse, die wesentlich als politisches Machtmittel erscheint,
abgeben!

Gewiß könnte die innere Unklarheit, die den sozialpolitischen Bestrebungen
allenthalben und selbst innerhalb eines sonst so praktischen Kreises wie hier
innewohnen, uicht drastischer vor Augen geführt werden, als es an der Zu-
sammenwürfelnng dieser unversöhnlichen Gegensätze geschieht. Unmöglich befindet
man sich auf der Höhe der sozialpolitischen Aufgaben und Pflichten, wenn man,
wäre es auch uur für einen einzelnen und besondern Zweck, „Geld um jeden
Preis" zur Lösung macht! Wem es ernst ist mit einer sozialen Reform, wer
mit einiger Aussicht auf Erfolg arbeiten will, die soziale Vcwcguug einzudämmen
und sie nach und nach in ein ruhiges Bett zu leiten, der muß sich auch dazu
erheben können, Geld, das sich ihm ans gewissen Quellen antrügt, abzulehnen!
Und insbesondre muß er die wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhange zu
begreifen verstehen. Wo aber im großen und ganzen dies Verständnis fehlt
und vielleicht nie gewonnen werden kann, da wird auch die sozialpolitische Arbeit
Stückwerk und in Hinsicht auf ein großes Ziel ohne Ergebnis bleiben.

Selbst eine überraschend tiefe Einsicht in manche Verhältnisse des sozialen
Lebens, wie sie der Generalsekretär des „Arbciterwohl," Caplan Hitze, und wie
sie der Pater Weiß aus Grciz nach andrer Seite hin bekundete, und eine auf


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[0438] Debatten über die soziale Frage. Widerspruch zeigte sich besonders auffallend bei Erörterung der Verhältnisse der Presse. Unleugbar ist, wie die Presse wesentlich ein Kampfmittel ist, bei ihr auch die Geldfrage die oberste. Aber es ist doch charakteristisch für eine Partei, wenn sie in Beziehung auf eines ihrer organischen Hilfsmittel auch das Geld¬ erwerben in erste Linie stellt. Und dies geschah thatsächlich dadurch, daß den Katholiken ans Herz gelegt wurde, wenn nicht ausschließlich, doch in erster Linie bei deu Geschäftsleute,:, welche in katholischen Blättern inserireu, zu kaufen! Wer aber sind diese? Überhaupt scheint man sich jcnerseits garnicht über die Tragweite solcher Anregungen und über den Widerspruch, in den man sich damit zu den sozialen Bestrebungen der eignen Sozialpolitiker setzt, klar zu sein. Das Inseriren, ins¬ besondre das häufige Inseriren, kostet Geld, das ja auch dadurch deu Zeitungen zufließen soll. Für die kleineren Zeitungen inbesondre sind aber die Haupt- inserenten die jüdischen Zwischenhandels-, Konfektionsgeschäfte ?e. Diese aber bringen die Jnsertionsgebühren wesentlich auf durch das Herabdrücken der Arbeits¬ löhne einerseits, andrerseits durch uupreiswürdige Lieferung an das Publikum, ganz genau so wie auch die Pilleufabrikauteu ?e., die ja auch zu deu besten Kunden des Anzeigeteiles der Zeitungen gehören. Nun wollen die katholischen Sozialpolitiker die Löhne verbessern, wollen das Kleinhandwerk (das sicher nur ausnahmsweise einmal die Kosten für eine Anzeige aufbringen kann) heben, und empfehlen in einem Atem ihren Leuten, daß sie deren ärgste Feinde und Aus¬ beuter unterstützen sollen, lediglich weil diese einen Tribut von ihrem Gewinn an die katholische Presse, die wesentlich als politisches Machtmittel erscheint, abgeben! Gewiß könnte die innere Unklarheit, die den sozialpolitischen Bestrebungen allenthalben und selbst innerhalb eines sonst so praktischen Kreises wie hier innewohnen, uicht drastischer vor Augen geführt werden, als es an der Zu- sammenwürfelnng dieser unversöhnlichen Gegensätze geschieht. Unmöglich befindet man sich auf der Höhe der sozialpolitischen Aufgaben und Pflichten, wenn man, wäre es auch uur für einen einzelnen und besondern Zweck, „Geld um jeden Preis" zur Lösung macht! Wem es ernst ist mit einer sozialen Reform, wer mit einiger Aussicht auf Erfolg arbeiten will, die soziale Vcwcguug einzudämmen und sie nach und nach in ein ruhiges Bett zu leiten, der muß sich auch dazu erheben können, Geld, das sich ihm ans gewissen Quellen antrügt, abzulehnen! Und insbesondre muß er die wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhange zu begreifen verstehen. Wo aber im großen und ganzen dies Verständnis fehlt und vielleicht nie gewonnen werden kann, da wird auch die sozialpolitische Arbeit Stückwerk und in Hinsicht auf ein großes Ziel ohne Ergebnis bleiben. Selbst eine überraschend tiefe Einsicht in manche Verhältnisse des sozialen Lebens, wie sie der Generalsekretär des „Arbciterwohl," Caplan Hitze, und wie sie der Pater Weiß aus Grciz nach andrer Seite hin bekundete, und eine auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/438>, abgerufen am 29.06.2024.