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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Debatte" über die soziale Frage.

der "kleinen Exzellenz" fügte sich die Versammlung trotz entgegengesetzter Stim¬
mung ohne Widerspruch.

Auch dem lokalen Arrangement fehlte, obgleich Frankfurt an sich uicht eine
Spur katholischen Charakters trägt, der Zug des Großartigen nicht. Der Saal¬
bau, allerdings ein Gebäude, das sich für derartige Veranstaltungen vorzüglich
eignet, war vollständig in Beschlag genommen, und der große Hauptsaal, der
mit Logen und Galerien mehr als 2000 Meuscheu faßt, war in deu päpstlichen
Farben reich dekorirt. Eine große päpstliche Fahne hing inmitten des Saales
von der Decke herab, und so war der innerliche Grundzug der Versammlung
auch äußerlich charakterisiert. An verschiednen Festlichkeiten, die Fremden zu
ehren und ihnen Abwechslung zu bereiten, mangelte es anch nicht. Die katho¬
lischen Vereine der Stadt, die sämmtlich unter mehr oder minder direktem Ein¬
fluß des Klerus stehen, strengten sich nach Möglichkeit an; sie hatten sämmtlich
ihre Lokale den Teilnehmern geöffnet, vom Kasino "Union" und dem "katho¬
lischen kaufmännischen Verein" an herab bis zum katholischen Gesellenverein.
Der katholische kaufmännische Verein und der "Männerverein" veranstalteten
Festlichkeiten im Börsenrestanrationssaal. Der Glanzpunkt der Festlichkeiten war
aber der "Kommers der katholischen Studentenverbindungen" im großen Saal
des Saalbnnes selbst, zu dem die meisten katholischen unter dem Einfluß des
Klerus und des Zentrums stehenden Studentenverbindungen auch von fernher
Vertreter gesandt hatten. Mußte doch in einer der öffentlichen, auch dem grö¬
ßern Publikum zugänglichen Sitzungen ein Student einen Vortrag halten über
die ethische Aufgabe der katholischen farbentragenden Studentenverbindungen und
so konstatiren, daß es den: Zentrum an jugendlichem, kräftigem und dieustbereitem
Nachwuchs auch später auf dein geistigen Kampfplatze nicht fehlen werde. Ge¬
legentlich dieses Kommersch verfehlte Herr Windthorst nicht, seine gewiß beher¬
zigten Winke den jungen Leuten mit ans den Weg zu geben, und diese Winke
gipfelten darin, dem Staat nach Möglichkeit wenigstens die direkte Dienstleistung
solange zu versagen, bis er der Kirche wieder "gerecht" geworden sei.

Die "Kirche" und der Papst war, wie sie das Zentrum der klerikalen
Praxis ist, auch der Angelpunkt dieser Verscnnmlnng; und auf dem Grunde
-- verdeckt zwar, aber oft grell genug durchscheinend -- mußte man die schwere
Feindschaft gegen den deutschen Stnatsgednnken, ja gegen den deutschen Volks-
geist selbst erkennen. Alles, was universell erschien in der Unterwerfung nnter
die päpstliche Autorität, fand, wo es auch herkam, Anklang und Widerhall;
aber das Deutsche, wo es vereinzelt Ausdruck suchte, begegnete sast kalter Ab¬
lehnung. Allerdings waren die Führer vorsichtig; von ihnen erlaubte sich nur
die "kleine Excellenz" hie und da die wahre Gesinnung zu zeigen; die all, rni-
norurn Miuiui", von denen das "goldne Mainz" eine ganze Anzahl gesandt
hatte, verhielten sich weniger diplomatisch. Auch die Rechtfertigung des öster¬
reichischen Klerus in seinem Verhalten der deutschen Sprache gegenüber, die


Debatte» über die soziale Frage.

der „kleinen Exzellenz" fügte sich die Versammlung trotz entgegengesetzter Stim¬
mung ohne Widerspruch.

Auch dem lokalen Arrangement fehlte, obgleich Frankfurt an sich uicht eine
Spur katholischen Charakters trägt, der Zug des Großartigen nicht. Der Saal¬
bau, allerdings ein Gebäude, das sich für derartige Veranstaltungen vorzüglich
eignet, war vollständig in Beschlag genommen, und der große Hauptsaal, der
mit Logen und Galerien mehr als 2000 Meuscheu faßt, war in deu päpstlichen
Farben reich dekorirt. Eine große päpstliche Fahne hing inmitten des Saales
von der Decke herab, und so war der innerliche Grundzug der Versammlung
auch äußerlich charakterisiert. An verschiednen Festlichkeiten, die Fremden zu
ehren und ihnen Abwechslung zu bereiten, mangelte es anch nicht. Die katho¬
lischen Vereine der Stadt, die sämmtlich unter mehr oder minder direktem Ein¬
fluß des Klerus stehen, strengten sich nach Möglichkeit an; sie hatten sämmtlich
ihre Lokale den Teilnehmern geöffnet, vom Kasino „Union" und dem „katho¬
lischen kaufmännischen Verein" an herab bis zum katholischen Gesellenverein.
Der katholische kaufmännische Verein und der „Männerverein" veranstalteten
Festlichkeiten im Börsenrestanrationssaal. Der Glanzpunkt der Festlichkeiten war
aber der „Kommers der katholischen Studentenverbindungen" im großen Saal
des Saalbnnes selbst, zu dem die meisten katholischen unter dem Einfluß des
Klerus und des Zentrums stehenden Studentenverbindungen auch von fernher
Vertreter gesandt hatten. Mußte doch in einer der öffentlichen, auch dem grö¬
ßern Publikum zugänglichen Sitzungen ein Student einen Vortrag halten über
die ethische Aufgabe der katholischen farbentragenden Studentenverbindungen und
so konstatiren, daß es den: Zentrum an jugendlichem, kräftigem und dieustbereitem
Nachwuchs auch später auf dein geistigen Kampfplatze nicht fehlen werde. Ge¬
legentlich dieses Kommersch verfehlte Herr Windthorst nicht, seine gewiß beher¬
zigten Winke den jungen Leuten mit ans den Weg zu geben, und diese Winke
gipfelten darin, dem Staat nach Möglichkeit wenigstens die direkte Dienstleistung
solange zu versagen, bis er der Kirche wieder „gerecht" geworden sei.

Die „Kirche" und der Papst war, wie sie das Zentrum der klerikalen
Praxis ist, auch der Angelpunkt dieser Verscnnmlnng; und auf dem Grunde
— verdeckt zwar, aber oft grell genug durchscheinend — mußte man die schwere
Feindschaft gegen den deutschen Stnatsgednnken, ja gegen den deutschen Volks-
geist selbst erkennen. Alles, was universell erschien in der Unterwerfung nnter
die päpstliche Autorität, fand, wo es auch herkam, Anklang und Widerhall;
aber das Deutsche, wo es vereinzelt Ausdruck suchte, begegnete sast kalter Ab¬
lehnung. Allerdings waren die Führer vorsichtig; von ihnen erlaubte sich nur
die „kleine Excellenz" hie und da die wahre Gesinnung zu zeigen; die all, rni-
norurn Miuiui», von denen das „goldne Mainz" eine ganze Anzahl gesandt
hatte, verhielten sich weniger diplomatisch. Auch die Rechtfertigung des öster¬
reichischen Klerus in seinem Verhalten der deutschen Sprache gegenüber, die


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[0431] Debatte» über die soziale Frage. der „kleinen Exzellenz" fügte sich die Versammlung trotz entgegengesetzter Stim¬ mung ohne Widerspruch. Auch dem lokalen Arrangement fehlte, obgleich Frankfurt an sich uicht eine Spur katholischen Charakters trägt, der Zug des Großartigen nicht. Der Saal¬ bau, allerdings ein Gebäude, das sich für derartige Veranstaltungen vorzüglich eignet, war vollständig in Beschlag genommen, und der große Hauptsaal, der mit Logen und Galerien mehr als 2000 Meuscheu faßt, war in deu päpstlichen Farben reich dekorirt. Eine große päpstliche Fahne hing inmitten des Saales von der Decke herab, und so war der innerliche Grundzug der Versammlung auch äußerlich charakterisiert. An verschiednen Festlichkeiten, die Fremden zu ehren und ihnen Abwechslung zu bereiten, mangelte es anch nicht. Die katho¬ lischen Vereine der Stadt, die sämmtlich unter mehr oder minder direktem Ein¬ fluß des Klerus stehen, strengten sich nach Möglichkeit an; sie hatten sämmtlich ihre Lokale den Teilnehmern geöffnet, vom Kasino „Union" und dem „katho¬ lischen kaufmännischen Verein" an herab bis zum katholischen Gesellenverein. Der katholische kaufmännische Verein und der „Männerverein" veranstalteten Festlichkeiten im Börsenrestanrationssaal. Der Glanzpunkt der Festlichkeiten war aber der „Kommers der katholischen Studentenverbindungen" im großen Saal des Saalbnnes selbst, zu dem die meisten katholischen unter dem Einfluß des Klerus und des Zentrums stehenden Studentenverbindungen auch von fernher Vertreter gesandt hatten. Mußte doch in einer der öffentlichen, auch dem grö¬ ßern Publikum zugänglichen Sitzungen ein Student einen Vortrag halten über die ethische Aufgabe der katholischen farbentragenden Studentenverbindungen und so konstatiren, daß es den: Zentrum an jugendlichem, kräftigem und dieustbereitem Nachwuchs auch später auf dein geistigen Kampfplatze nicht fehlen werde. Ge¬ legentlich dieses Kommersch verfehlte Herr Windthorst nicht, seine gewiß beher¬ zigten Winke den jungen Leuten mit ans den Weg zu geben, und diese Winke gipfelten darin, dem Staat nach Möglichkeit wenigstens die direkte Dienstleistung solange zu versagen, bis er der Kirche wieder „gerecht" geworden sei. Die „Kirche" und der Papst war, wie sie das Zentrum der klerikalen Praxis ist, auch der Angelpunkt dieser Verscnnmlnng; und auf dem Grunde — verdeckt zwar, aber oft grell genug durchscheinend — mußte man die schwere Feindschaft gegen den deutschen Stnatsgednnken, ja gegen den deutschen Volks- geist selbst erkennen. Alles, was universell erschien in der Unterwerfung nnter die päpstliche Autorität, fand, wo es auch herkam, Anklang und Widerhall; aber das Deutsche, wo es vereinzelt Ausdruck suchte, begegnete sast kalter Ab¬ lehnung. Allerdings waren die Führer vorsichtig; von ihnen erlaubte sich nur die „kleine Excellenz" hie und da die wahre Gesinnung zu zeigen; die all, rni- norurn Miuiui», von denen das „goldne Mainz" eine ganze Anzahl gesandt hatte, verhielten sich weniger diplomatisch. Auch die Rechtfertigung des öster¬ reichischen Klerus in seinem Verhalten der deutschen Sprache gegenüber, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/431>, abgerufen am 29.06.2024.