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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Parlament und Politik in Frankreich.

bleiblichen Ergebnisses der Niederwerfung der ägyptischen Revolution durch die
Engländer thun? "Es ist, so sagt der Daily relvs'iÄpri, und wir geben ihm
im großen und ganzen Recht, es ist nicht geneigt, in Ägypten ein Heer zu
landen, um uus die Stellung, die wir dort einnehmen, streitig zu machen. Be¬
absichtigt es etwa, zu schmollen und sich eine Nation zur Feindin zu machen,
die ihm bisher eine wohlgesinnte Freundin war und das zu bleiben wünscht?
Kann es sich weigern, in das Konzert der europäischem Mächte einzustimmen,
und will es sich zu ohnmächtiger Vereinzelung verurteilen? Will es mit Feind¬
schaft die internationale Freundschaft vergelten, die ihm in Tunis freie Hand
ließ? Was kann es an Stelle jener Einheit der Oberaufsicht durch einen eng¬
lischen Agenten vorschlagen, die das erste und letzte Wort Lord Granvilles ist?
Es kann sich doch im Ernste uicht einbilden, daß Europa oder England in eine
Erneuerung jenes frühern Versuchs willigen wird, einen ägyptischem Esel von
zweien reiten zu lassen. Frankreich ist weder willens noch imstande, selbst als,
Vertreter aller Mächte allein die Aufsicht über die einheimischen Behörden
Ägyptens zu führen. Wir dagegen sind physisch und moralisch durchaus in der
Lage, dieses Amt zu übernehmen. Unsre Freihandelspolitik nötigt uns, allen
andern Nationen dieselben Vorteile zu gewähren, die wir selbst suchen. Frank¬
reichs Vorschläge in Bezug auf Tunis bekunden, daß es den entgegengesetzten
Grundsätzen huldigt. Die finanziellen Interessen Frankreichs werden, sowohl
was die Staatsschuld als was den Kanal angeht, unter einer bloß englischen
Kontrole so gut gewahrt sein als unter einer englisch-französischen. . . Fran¬
zösische Zeitungsschreiber weigern sich, unsre Einwilligung in das französische
Protektorat über Tunis als Äquivalent anzunehmen, indem sie sagen: wir haben
Tunis in unsrer Gewalt, und da hilft ein englischer Einspruch nichts. Wenn
das behauptet wird, so antworten wir: mit demselben Rechte haben wir Ägypten
in der Hand. Infolge welches andern Rechtes als dessen, das im Degen
General Brearts verkörpert war, ist Frankreich in den thatsächlichen Besitz von
Tunis gelangt? Der Bei von Tunis war vor wenigen Jahren noch staats¬
rechtlich so unabhängig als der Chedive in Kairo. Aber wir brauchen uus
nicht allein aus das Recht des Krieges zu stützen wie Frankreich. Wir sind
und bleiben in Ägypten als Vertreter alles dessen, was an der dvppelkopfigen
Kontrole gut war, und machen sie dnrch Vereinfachung wohlfeiler und prak¬
tischer. . , Täuschung von Schwachköpfen ist es, wenn man meint, die Ägypter
könnten sich selbst überlassen werden, Sie würden dann wieder unter einheimische
oder türkische Vögte geraten, die Plünderung und Peinigung des Volkes würde
von neuem beginnen, alles, was der Westen hier gethan hat, würde zu Grunde
gehen, alles, was der Osten Ungerechtes und Grausames thun kann, wieder
aufleben. Will Frankreich Einspruch thun, weil wir und wir allein hier am
Nil Menschlichkeit, Gesittung und Fortschritt vertreten?" Und selbstverständlich
auch das englische Interesse vertreten, fügen wir hinzu, ohne dessen volle Be-


Parlament und Politik in Frankreich.

bleiblichen Ergebnisses der Niederwerfung der ägyptischen Revolution durch die
Engländer thun? „Es ist, so sagt der Daily relvs'iÄpri, und wir geben ihm
im großen und ganzen Recht, es ist nicht geneigt, in Ägypten ein Heer zu
landen, um uus die Stellung, die wir dort einnehmen, streitig zu machen. Be¬
absichtigt es etwa, zu schmollen und sich eine Nation zur Feindin zu machen,
die ihm bisher eine wohlgesinnte Freundin war und das zu bleiben wünscht?
Kann es sich weigern, in das Konzert der europäischem Mächte einzustimmen,
und will es sich zu ohnmächtiger Vereinzelung verurteilen? Will es mit Feind¬
schaft die internationale Freundschaft vergelten, die ihm in Tunis freie Hand
ließ? Was kann es an Stelle jener Einheit der Oberaufsicht durch einen eng¬
lischen Agenten vorschlagen, die das erste und letzte Wort Lord Granvilles ist?
Es kann sich doch im Ernste uicht einbilden, daß Europa oder England in eine
Erneuerung jenes frühern Versuchs willigen wird, einen ägyptischem Esel von
zweien reiten zu lassen. Frankreich ist weder willens noch imstande, selbst als,
Vertreter aller Mächte allein die Aufsicht über die einheimischen Behörden
Ägyptens zu führen. Wir dagegen sind physisch und moralisch durchaus in der
Lage, dieses Amt zu übernehmen. Unsre Freihandelspolitik nötigt uns, allen
andern Nationen dieselben Vorteile zu gewähren, die wir selbst suchen. Frank¬
reichs Vorschläge in Bezug auf Tunis bekunden, daß es den entgegengesetzten
Grundsätzen huldigt. Die finanziellen Interessen Frankreichs werden, sowohl
was die Staatsschuld als was den Kanal angeht, unter einer bloß englischen
Kontrole so gut gewahrt sein als unter einer englisch-französischen. . . Fran¬
zösische Zeitungsschreiber weigern sich, unsre Einwilligung in das französische
Protektorat über Tunis als Äquivalent anzunehmen, indem sie sagen: wir haben
Tunis in unsrer Gewalt, und da hilft ein englischer Einspruch nichts. Wenn
das behauptet wird, so antworten wir: mit demselben Rechte haben wir Ägypten
in der Hand. Infolge welches andern Rechtes als dessen, das im Degen
General Brearts verkörpert war, ist Frankreich in den thatsächlichen Besitz von
Tunis gelangt? Der Bei von Tunis war vor wenigen Jahren noch staats¬
rechtlich so unabhängig als der Chedive in Kairo. Aber wir brauchen uus
nicht allein aus das Recht des Krieges zu stützen wie Frankreich. Wir sind
und bleiben in Ägypten als Vertreter alles dessen, was an der dvppelkopfigen
Kontrole gut war, und machen sie dnrch Vereinfachung wohlfeiler und prak¬
tischer. . , Täuschung von Schwachköpfen ist es, wenn man meint, die Ägypter
könnten sich selbst überlassen werden, Sie würden dann wieder unter einheimische
oder türkische Vögte geraten, die Plünderung und Peinigung des Volkes würde
von neuem beginnen, alles, was der Westen hier gethan hat, würde zu Grunde
gehen, alles, was der Osten Ungerechtes und Grausames thun kann, wieder
aufleben. Will Frankreich Einspruch thun, weil wir und wir allein hier am
Nil Menschlichkeit, Gesittung und Fortschritt vertreten?" Und selbstverständlich
auch das englische Interesse vertreten, fügen wir hinzu, ohne dessen volle Be-


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[0371] Parlament und Politik in Frankreich. bleiblichen Ergebnisses der Niederwerfung der ägyptischen Revolution durch die Engländer thun? „Es ist, so sagt der Daily relvs'iÄpri, und wir geben ihm im großen und ganzen Recht, es ist nicht geneigt, in Ägypten ein Heer zu landen, um uus die Stellung, die wir dort einnehmen, streitig zu machen. Be¬ absichtigt es etwa, zu schmollen und sich eine Nation zur Feindin zu machen, die ihm bisher eine wohlgesinnte Freundin war und das zu bleiben wünscht? Kann es sich weigern, in das Konzert der europäischem Mächte einzustimmen, und will es sich zu ohnmächtiger Vereinzelung verurteilen? Will es mit Feind¬ schaft die internationale Freundschaft vergelten, die ihm in Tunis freie Hand ließ? Was kann es an Stelle jener Einheit der Oberaufsicht durch einen eng¬ lischen Agenten vorschlagen, die das erste und letzte Wort Lord Granvilles ist? Es kann sich doch im Ernste uicht einbilden, daß Europa oder England in eine Erneuerung jenes frühern Versuchs willigen wird, einen ägyptischem Esel von zweien reiten zu lassen. Frankreich ist weder willens noch imstande, selbst als, Vertreter aller Mächte allein die Aufsicht über die einheimischen Behörden Ägyptens zu führen. Wir dagegen sind physisch und moralisch durchaus in der Lage, dieses Amt zu übernehmen. Unsre Freihandelspolitik nötigt uns, allen andern Nationen dieselben Vorteile zu gewähren, die wir selbst suchen. Frank¬ reichs Vorschläge in Bezug auf Tunis bekunden, daß es den entgegengesetzten Grundsätzen huldigt. Die finanziellen Interessen Frankreichs werden, sowohl was die Staatsschuld als was den Kanal angeht, unter einer bloß englischen Kontrole so gut gewahrt sein als unter einer englisch-französischen. . . Fran¬ zösische Zeitungsschreiber weigern sich, unsre Einwilligung in das französische Protektorat über Tunis als Äquivalent anzunehmen, indem sie sagen: wir haben Tunis in unsrer Gewalt, und da hilft ein englischer Einspruch nichts. Wenn das behauptet wird, so antworten wir: mit demselben Rechte haben wir Ägypten in der Hand. Infolge welches andern Rechtes als dessen, das im Degen General Brearts verkörpert war, ist Frankreich in den thatsächlichen Besitz von Tunis gelangt? Der Bei von Tunis war vor wenigen Jahren noch staats¬ rechtlich so unabhängig als der Chedive in Kairo. Aber wir brauchen uus nicht allein aus das Recht des Krieges zu stützen wie Frankreich. Wir sind und bleiben in Ägypten als Vertreter alles dessen, was an der dvppelkopfigen Kontrole gut war, und machen sie dnrch Vereinfachung wohlfeiler und prak¬ tischer. . , Täuschung von Schwachköpfen ist es, wenn man meint, die Ägypter könnten sich selbst überlassen werden, Sie würden dann wieder unter einheimische oder türkische Vögte geraten, die Plünderung und Peinigung des Volkes würde von neuem beginnen, alles, was der Westen hier gethan hat, würde zu Grunde gehen, alles, was der Osten Ungerechtes und Grausames thun kann, wieder aufleben. Will Frankreich Einspruch thun, weil wir und wir allein hier am Nil Menschlichkeit, Gesittung und Fortschritt vertreten?" Und selbstverständlich auch das englische Interesse vertreten, fügen wir hinzu, ohne dessen volle Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/371>, abgerufen am 26.06.2024.