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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Parlament und Politik in Frankreich.

zum Teil weil Lord Granville ihm gefällig die Hand bot. Freycinet suchte
mit Eifer die Pforte auszuschließen und hatte eine Zeit lang gleichfalls Erfolg
damit. Zugleich aber wurde im stillen mit der ägyptischen Nationalpartei gelieb¬
äugelt, mit Hallen Pascha intriguirt und Lesseps als Stein ius Damenbret gesetzt
und vorgeschoben. Vergebens, alle diese Manöver mißglückter. Sie mußten
mißlingen, als England sich schließlich für die Intervention erklärte und handelte,
ohne fremde Mitwirkung abzulehnen, und man frnnzösischerseits nicht anzuthun
wagte. Man hoffte jetzt in Paris, Arabi werde sich als harte Nuß für Wolseley
erweisen, er werde an Macht, an Schlauheit, um Befähigung, das ganze Land,
ja die muhamedanischen Nachbarn zum Aufstand und Beistand mobil zu macheu,
ein zweiter Abd-el-Kader sein. Wenn der britische Löwe dann ermattet auf dem
Wüstensande läge, wollte man sich einmischen und darauf deu Lohn einstreichen,
den die Unterschätzung des Gegners von seiten Englands dem Nebenbuhler des
letztern in die Hände gespielt. Die Franzosen rechneten und verrechneten sich
hier ungefähr wie vor dem preußisch-österreichischen Kriege von 1866. Derselbe
wurde von Napoleon III. gewünscht und befördert, indem der Kaiser deu ge¬
heimen Vertrag zwischen Preußen und Italien guthieß. Er glaubte, Osterreich
werde siegen oder wenigstens lange standhalten können, und so werde er zu
jeder Zeit mit seiner Macht einzugreifen, Halt zu gebieten, den Schiedsrichter
zu spielen und sich schließlich seine Gebühren am Rhein auszubitten imstnude
sein. Königgrütz strich diese schlaue Rechnung durch, und Schiedsrichtcrnmt
und Gebühren blieben fromme Wünsche. Ähnlich verhält sichs jetzt, wenn wir
ein kleines Treffen mit einer großen Feldschlacht vergleichen dürfen, was in
Betreff der Folgen erlaubt ist, mit Tel-el-Kebir. Die Franzosen hielten wieder
einmal phantastische Erwartungen für Wirklichkeit, sie machten nochmals die
Rechnung ohne den Wirt, sie hatten Schaden davon, und durften auch für Spott
nicht sorgen. Wenn Duclerc in seiner Rede der Deputirtenkammer zuruft, sie
möge sich patriotisch einigen, da hiervon der französische Einfluß in der Welt
abhänge, so mag das im allgemeinen ganz richtig sein, auf die ägyptische Frage
aber leidet es keine Anwendung; denn kein Patriotismus der Frauzosen wird
die Engländer friedlich von dort wegschaffen oder sie in ihrem Thun dort
wesentlich beschränken. Deutet aber Dnelere den Nachbarn überm Kanal freund¬
schaftlich an, falls sie den Wünschen Frankreichs dort nicht nachgäben, so würden
dieselben von andern Mächten unterstützt werden, so ist das nur eine auf die
Eitelkeit und Einbildung seiner Zuhörer berechnete Äußerung, die noch immer
dem Aberglauben huldigen, Europa müsse Frankreichs Interessen als die seinigen
ansehen und gegen jeden Front machen, gegen den dieses sich kehrt. Dnelere
wäre blind und taub, wenn er uicht wüßte, daß Deutschland, Österreich-Ungarn,
Rußland und Italien nichts thun werden.

Wenn sich das unwidersprechlich so verhält, was kaun da Frankreich allein,
isolirt, wie es in dieser Sache ist, zur Remedur, zur Abwendung des unaus-


Parlament und Politik in Frankreich.

zum Teil weil Lord Granville ihm gefällig die Hand bot. Freycinet suchte
mit Eifer die Pforte auszuschließen und hatte eine Zeit lang gleichfalls Erfolg
damit. Zugleich aber wurde im stillen mit der ägyptischen Nationalpartei gelieb¬
äugelt, mit Hallen Pascha intriguirt und Lesseps als Stein ius Damenbret gesetzt
und vorgeschoben. Vergebens, alle diese Manöver mißglückter. Sie mußten
mißlingen, als England sich schließlich für die Intervention erklärte und handelte,
ohne fremde Mitwirkung abzulehnen, und man frnnzösischerseits nicht anzuthun
wagte. Man hoffte jetzt in Paris, Arabi werde sich als harte Nuß für Wolseley
erweisen, er werde an Macht, an Schlauheit, um Befähigung, das ganze Land,
ja die muhamedanischen Nachbarn zum Aufstand und Beistand mobil zu macheu,
ein zweiter Abd-el-Kader sein. Wenn der britische Löwe dann ermattet auf dem
Wüstensande läge, wollte man sich einmischen und darauf deu Lohn einstreichen,
den die Unterschätzung des Gegners von seiten Englands dem Nebenbuhler des
letztern in die Hände gespielt. Die Franzosen rechneten und verrechneten sich
hier ungefähr wie vor dem preußisch-österreichischen Kriege von 1866. Derselbe
wurde von Napoleon III. gewünscht und befördert, indem der Kaiser deu ge¬
heimen Vertrag zwischen Preußen und Italien guthieß. Er glaubte, Osterreich
werde siegen oder wenigstens lange standhalten können, und so werde er zu
jeder Zeit mit seiner Macht einzugreifen, Halt zu gebieten, den Schiedsrichter
zu spielen und sich schließlich seine Gebühren am Rhein auszubitten imstnude
sein. Königgrütz strich diese schlaue Rechnung durch, und Schiedsrichtcrnmt
und Gebühren blieben fromme Wünsche. Ähnlich verhält sichs jetzt, wenn wir
ein kleines Treffen mit einer großen Feldschlacht vergleichen dürfen, was in
Betreff der Folgen erlaubt ist, mit Tel-el-Kebir. Die Franzosen hielten wieder
einmal phantastische Erwartungen für Wirklichkeit, sie machten nochmals die
Rechnung ohne den Wirt, sie hatten Schaden davon, und durften auch für Spott
nicht sorgen. Wenn Duclerc in seiner Rede der Deputirtenkammer zuruft, sie
möge sich patriotisch einigen, da hiervon der französische Einfluß in der Welt
abhänge, so mag das im allgemeinen ganz richtig sein, auf die ägyptische Frage
aber leidet es keine Anwendung; denn kein Patriotismus der Frauzosen wird
die Engländer friedlich von dort wegschaffen oder sie in ihrem Thun dort
wesentlich beschränken. Deutet aber Dnelere den Nachbarn überm Kanal freund¬
schaftlich an, falls sie den Wünschen Frankreichs dort nicht nachgäben, so würden
dieselben von andern Mächten unterstützt werden, so ist das nur eine auf die
Eitelkeit und Einbildung seiner Zuhörer berechnete Äußerung, die noch immer
dem Aberglauben huldigen, Europa müsse Frankreichs Interessen als die seinigen
ansehen und gegen jeden Front machen, gegen den dieses sich kehrt. Dnelere
wäre blind und taub, wenn er uicht wüßte, daß Deutschland, Österreich-Ungarn,
Rußland und Italien nichts thun werden.

Wenn sich das unwidersprechlich so verhält, was kaun da Frankreich allein,
isolirt, wie es in dieser Sache ist, zur Remedur, zur Abwendung des unaus-


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[0370] Parlament und Politik in Frankreich. zum Teil weil Lord Granville ihm gefällig die Hand bot. Freycinet suchte mit Eifer die Pforte auszuschließen und hatte eine Zeit lang gleichfalls Erfolg damit. Zugleich aber wurde im stillen mit der ägyptischen Nationalpartei gelieb¬ äugelt, mit Hallen Pascha intriguirt und Lesseps als Stein ius Damenbret gesetzt und vorgeschoben. Vergebens, alle diese Manöver mißglückter. Sie mußten mißlingen, als England sich schließlich für die Intervention erklärte und handelte, ohne fremde Mitwirkung abzulehnen, und man frnnzösischerseits nicht anzuthun wagte. Man hoffte jetzt in Paris, Arabi werde sich als harte Nuß für Wolseley erweisen, er werde an Macht, an Schlauheit, um Befähigung, das ganze Land, ja die muhamedanischen Nachbarn zum Aufstand und Beistand mobil zu macheu, ein zweiter Abd-el-Kader sein. Wenn der britische Löwe dann ermattet auf dem Wüstensande läge, wollte man sich einmischen und darauf deu Lohn einstreichen, den die Unterschätzung des Gegners von seiten Englands dem Nebenbuhler des letztern in die Hände gespielt. Die Franzosen rechneten und verrechneten sich hier ungefähr wie vor dem preußisch-österreichischen Kriege von 1866. Derselbe wurde von Napoleon III. gewünscht und befördert, indem der Kaiser deu ge¬ heimen Vertrag zwischen Preußen und Italien guthieß. Er glaubte, Osterreich werde siegen oder wenigstens lange standhalten können, und so werde er zu jeder Zeit mit seiner Macht einzugreifen, Halt zu gebieten, den Schiedsrichter zu spielen und sich schließlich seine Gebühren am Rhein auszubitten imstnude sein. Königgrütz strich diese schlaue Rechnung durch, und Schiedsrichtcrnmt und Gebühren blieben fromme Wünsche. Ähnlich verhält sichs jetzt, wenn wir ein kleines Treffen mit einer großen Feldschlacht vergleichen dürfen, was in Betreff der Folgen erlaubt ist, mit Tel-el-Kebir. Die Franzosen hielten wieder einmal phantastische Erwartungen für Wirklichkeit, sie machten nochmals die Rechnung ohne den Wirt, sie hatten Schaden davon, und durften auch für Spott nicht sorgen. Wenn Duclerc in seiner Rede der Deputirtenkammer zuruft, sie möge sich patriotisch einigen, da hiervon der französische Einfluß in der Welt abhänge, so mag das im allgemeinen ganz richtig sein, auf die ägyptische Frage aber leidet es keine Anwendung; denn kein Patriotismus der Frauzosen wird die Engländer friedlich von dort wegschaffen oder sie in ihrem Thun dort wesentlich beschränken. Deutet aber Dnelere den Nachbarn überm Kanal freund¬ schaftlich an, falls sie den Wünschen Frankreichs dort nicht nachgäben, so würden dieselben von andern Mächten unterstützt werden, so ist das nur eine auf die Eitelkeit und Einbildung seiner Zuhörer berechnete Äußerung, die noch immer dem Aberglauben huldigen, Europa müsse Frankreichs Interessen als die seinigen ansehen und gegen jeden Front machen, gegen den dieses sich kehrt. Dnelere wäre blind und taub, wenn er uicht wüßte, daß Deutschland, Österreich-Ungarn, Rußland und Italien nichts thun werden. Wenn sich das unwidersprechlich so verhält, was kaun da Frankreich allein, isolirt, wie es in dieser Sache ist, zur Remedur, zur Abwendung des unaus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/370>, abgerufen am 26.06.2024.