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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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aus seine auswärtige Politik geworfen und dieselbe als vom Gefühl für die
Würde des Landes und vom Gedanken der Versöhnung und Beschwichtigung
geleitet bezeichnet hatte, auf die anarchistischen Umtriebe zu sprechen und erklärte:
"Sie wollen so wenig wie wir, daß die Ordnung gestört werde. Sie werden
daher bloßstellende Bündnisse zurückweisen. Sie werden nicht gestatten, daß die
freisinnigen Gesetze zu Verbrechen mißbraucht werden." Der Schluß der Rede
lautete: "Wir sind überzeugt, daß es im Parlament eine Mehrheit giebt, die
entschlossen ist, der Republik eine Regierung zu schaffen, welche imstande ist,
im Auslande die bleibenden Interessen Frankreichs und im Innern die Ordnung
und Freiheit zu verteidigen und allen mit Nachdruck unbedingten Gehorsam
gegen die Gesetze einzuflößen. . . Unter dieser Bedingung sind die Männer, die
vor Ihnen stehen, bereit, ihres Amtes zu warten und, wenn sie Ihr Vertrauen
gewinnen, keine Mühe scheuen, um dasselbe zu rechtfertige,?."

Diese Schlußworte machten, wie berichtet wird, "ans das Haus keinen be-
ondern Eindruck." Wir vermuten, auf die Anhänger Gambettas und Cle-
meneeans ebensowenig als auf die monarchisch gesinnten Mitglieder der Kammer.
Clemeneean, der ehrgeizige Führer der ünßersteu Linken, hat in neuester Zeit
größern Einfluß gewonnen und hofft, mit der Zeit ans Ruder zu gelangen.
Gambetta aber wird das Ministerium Duclerc nur solange unterstützen, altz
es mehr oder minder seinen Willen thut, und er noch keine Aussicht hat, es
durch sich und seine Anhänger zu ersetzen. Dasselbe ist so schwach wie das ihm
voransgegangne, und es wird so schwach und unfruchtbar bleiben, weil die Linke
es nicht zu Kräften kommen und so Dauer gewinnen lassen wird, da deren
Führer selbst herrschen wollen. Hält es sich noch einige Monate, so wird ihm
die Furcht vieler Abgeordneten vor der Unduldsamkeit und deu Plänen Gam¬
bettas das Leben fristen. Man will hier im Innern kein Listenskrutinium, weil
dasselbe für diese Deputirten Verlust des Maubads zur Folge haben würde,
und im Äußern keine abenteuerliche Politik, wie man sie sich vom Vorgänger
Freyeinets zu versehen hat. Gelänge es den Bemühungen Gambettas, diese
Befürchtungen zu zerstreuen, so würde man sehr bald das alte Spiel sich wieder¬
holen und den Exdiktntvr von Tours seine Absichten erreichen sehen. Auch so
wird er, sobald Duelerc ihm unbequem wird oder sich irgend eine Blöße giebt,
thun, was er kann, ihn unmöglich und sich selbst möglicher zu machen. Ob
die Republik dabei schwach bleibt, kümmert ihn nicht. Er traut sich zu, sie
stark zu machen, wenn er nur erst wieder stark geworden ist. Ein Rückblick aus
die Reihe von Ränken, die er zu diesem Zwecke die Jahre daher gesponnen hat,
läßt von ihm nichts andres erwarten. Das Siechtum, nu welchem die fran¬
zösische Republik krankt, ist ein altes Leiden, es rührt von dem Tage her, wo
Gambetta Vorsitzender der Deputirtenkammer wurde und eine Art geheimer Re¬
gierung bildete, welche die eigentliche Regierung dnrch ihren Einfluß fortwäh¬
rend beherrschte und dirigirte, indem sie dieselbe in ihrem Bestände bedrohte.


aus seine auswärtige Politik geworfen und dieselbe als vom Gefühl für die
Würde des Landes und vom Gedanken der Versöhnung und Beschwichtigung
geleitet bezeichnet hatte, auf die anarchistischen Umtriebe zu sprechen und erklärte:
„Sie wollen so wenig wie wir, daß die Ordnung gestört werde. Sie werden
daher bloßstellende Bündnisse zurückweisen. Sie werden nicht gestatten, daß die
freisinnigen Gesetze zu Verbrechen mißbraucht werden." Der Schluß der Rede
lautete: „Wir sind überzeugt, daß es im Parlament eine Mehrheit giebt, die
entschlossen ist, der Republik eine Regierung zu schaffen, welche imstande ist,
im Auslande die bleibenden Interessen Frankreichs und im Innern die Ordnung
und Freiheit zu verteidigen und allen mit Nachdruck unbedingten Gehorsam
gegen die Gesetze einzuflößen. . . Unter dieser Bedingung sind die Männer, die
vor Ihnen stehen, bereit, ihres Amtes zu warten und, wenn sie Ihr Vertrauen
gewinnen, keine Mühe scheuen, um dasselbe zu rechtfertige,?."

Diese Schlußworte machten, wie berichtet wird, „ans das Haus keinen be-
ondern Eindruck." Wir vermuten, auf die Anhänger Gambettas und Cle-
meneeans ebensowenig als auf die monarchisch gesinnten Mitglieder der Kammer.
Clemeneean, der ehrgeizige Führer der ünßersteu Linken, hat in neuester Zeit
größern Einfluß gewonnen und hofft, mit der Zeit ans Ruder zu gelangen.
Gambetta aber wird das Ministerium Duclerc nur solange unterstützen, altz
es mehr oder minder seinen Willen thut, und er noch keine Aussicht hat, es
durch sich und seine Anhänger zu ersetzen. Dasselbe ist so schwach wie das ihm
voransgegangne, und es wird so schwach und unfruchtbar bleiben, weil die Linke
es nicht zu Kräften kommen und so Dauer gewinnen lassen wird, da deren
Führer selbst herrschen wollen. Hält es sich noch einige Monate, so wird ihm
die Furcht vieler Abgeordneten vor der Unduldsamkeit und deu Plänen Gam¬
bettas das Leben fristen. Man will hier im Innern kein Listenskrutinium, weil
dasselbe für diese Deputirten Verlust des Maubads zur Folge haben würde,
und im Äußern keine abenteuerliche Politik, wie man sie sich vom Vorgänger
Freyeinets zu versehen hat. Gelänge es den Bemühungen Gambettas, diese
Befürchtungen zu zerstreuen, so würde man sehr bald das alte Spiel sich wieder¬
holen und den Exdiktntvr von Tours seine Absichten erreichen sehen. Auch so
wird er, sobald Duelerc ihm unbequem wird oder sich irgend eine Blöße giebt,
thun, was er kann, ihn unmöglich und sich selbst möglicher zu machen. Ob
die Republik dabei schwach bleibt, kümmert ihn nicht. Er traut sich zu, sie
stark zu machen, wenn er nur erst wieder stark geworden ist. Ein Rückblick aus
die Reihe von Ränken, die er zu diesem Zwecke die Jahre daher gesponnen hat,
läßt von ihm nichts andres erwarten. Das Siechtum, nu welchem die fran¬
zösische Republik krankt, ist ein altes Leiden, es rührt von dem Tage her, wo
Gambetta Vorsitzender der Deputirtenkammer wurde und eine Art geheimer Re¬
gierung bildete, welche die eigentliche Regierung dnrch ihren Einfluß fortwäh¬
rend beherrschte und dirigirte, indem sie dieselbe in ihrem Bestände bedrohte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/366>, abgerufen am 26.06.2024.