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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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das Reich, aber nicht als ein Reich deutscher Ehren, sondern rönnscher Zweck¬
mäßigkeit. Es ist eine Täuschung, wenn man meint, das Zentrum werde auf¬
hören, in sich selbst zerfallen oder gegenstandslos sein, wenn die Maigesetze auf¬
gehoben würden; im Gegenteil, es würde nur umso mächtiger wieder dastehen
und seine Forderungen noch weiter spannen. Es ist auch uicht anzunehmen, daß
der Papst es auflöst, er würde ja seiner besten Werkzeuge sich berauben, ja der
Verfasser glaubt, menschlicher Voraussicht uach wird das Zentrum Bestand haben,
solange die konstitutionellen Staatseinrichtungen dauern.

So erscheint die Zukunft nicht in rosigem Lichte und unsre Broschüre giebt
auch keine Mittel und Wege an, um die immer tiefer klaffenden Gegensätze der
beiden Konfessionen in Deutschland zu überbrücken und auszugleichen, aber die
Protestanten, welche aus kirchlichen oder konservativen Interessen in der Heer¬
oder Bundesgenossenschnft des Zentrums stehen, mögen doch die Wcirnnngen
uicht in den Wind schlagen, welche lant genng zu ihnen dringen, daß der Kurie
und dem von ihm geleiteten Zentrum die Bekämpfung des Materialismus,
des Antichristentums weit weniger wichtig ist, als die des Protestantismus, daß.
jede Stärkung der katholischen Interessen eine Gefahr für die Protestanten in sich
schließt. In preußischen konservativen Kreisen ist die Liebe zum Herrscherhaus
und das staatliche Bewußtsein ein starkes Motiv; wir hoffen mit dem Verfasser,
daß dies die heilsame Klippe sein wird, an welcher jene innerlich unwahre und
unselige Verbindung scheitern wird.




Die Regierung und die Anarchisten in Frankreich.

äst schien es in den letzten Tagen, als ob die Tage der fran¬
zösischen Republik gezählt seien. Nachdem das Journal "Paris"
Enthüllungen über eine weitverzweigte aimrchistische Verschwörung
gebracht und eine energische Regierung verlangt hatte, schüttelten
viele, statt zu erschreckein den Kopf; denu das Blatt diente Gam-
bettas iutrigcmter Politik, es war unzuverlässig, man glaubte die Absicht zu
merken und war verstimmt. Tags nachher aber enthielt der glaubwürdigere
"Temps" ähnliche Nachrichten, und zuletzt erkannte auch die Regierung in einer
von der "Agenee Havas" veröffentlichten Notiz die Bedeutung der revolutionären
Bewegung in den Bergwerks- und Fabrikdistrikten Frankreichs an.

"neuerliche Ereignisse in Mouteeaules Mines und in Lyon haben, so hieß
es da, der öffentlichen Meinung Befürchtungen eingeflößt. Bis jetzt indeß ist


das Reich, aber nicht als ein Reich deutscher Ehren, sondern rönnscher Zweck¬
mäßigkeit. Es ist eine Täuschung, wenn man meint, das Zentrum werde auf¬
hören, in sich selbst zerfallen oder gegenstandslos sein, wenn die Maigesetze auf¬
gehoben würden; im Gegenteil, es würde nur umso mächtiger wieder dastehen
und seine Forderungen noch weiter spannen. Es ist auch uicht anzunehmen, daß
der Papst es auflöst, er würde ja seiner besten Werkzeuge sich berauben, ja der
Verfasser glaubt, menschlicher Voraussicht uach wird das Zentrum Bestand haben,
solange die konstitutionellen Staatseinrichtungen dauern.

So erscheint die Zukunft nicht in rosigem Lichte und unsre Broschüre giebt
auch keine Mittel und Wege an, um die immer tiefer klaffenden Gegensätze der
beiden Konfessionen in Deutschland zu überbrücken und auszugleichen, aber die
Protestanten, welche aus kirchlichen oder konservativen Interessen in der Heer¬
oder Bundesgenossenschnft des Zentrums stehen, mögen doch die Wcirnnngen
uicht in den Wind schlagen, welche lant genng zu ihnen dringen, daß der Kurie
und dem von ihm geleiteten Zentrum die Bekämpfung des Materialismus,
des Antichristentums weit weniger wichtig ist, als die des Protestantismus, daß.
jede Stärkung der katholischen Interessen eine Gefahr für die Protestanten in sich
schließt. In preußischen konservativen Kreisen ist die Liebe zum Herrscherhaus
und das staatliche Bewußtsein ein starkes Motiv; wir hoffen mit dem Verfasser,
daß dies die heilsame Klippe sein wird, an welcher jene innerlich unwahre und
unselige Verbindung scheitern wird.




Die Regierung und die Anarchisten in Frankreich.

äst schien es in den letzten Tagen, als ob die Tage der fran¬
zösischen Republik gezählt seien. Nachdem das Journal „Paris"
Enthüllungen über eine weitverzweigte aimrchistische Verschwörung
gebracht und eine energische Regierung verlangt hatte, schüttelten
viele, statt zu erschreckein den Kopf; denu das Blatt diente Gam-
bettas iutrigcmter Politik, es war unzuverlässig, man glaubte die Absicht zu
merken und war verstimmt. Tags nachher aber enthielt der glaubwürdigere
„Temps" ähnliche Nachrichten, und zuletzt erkannte auch die Regierung in einer
von der „Agenee Havas" veröffentlichten Notiz die Bedeutung der revolutionären
Bewegung in den Bergwerks- und Fabrikdistrikten Frankreichs an.

„neuerliche Ereignisse in Mouteeaules Mines und in Lyon haben, so hieß
es da, der öffentlichen Meinung Befürchtungen eingeflößt. Bis jetzt indeß ist


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[0350] das Reich, aber nicht als ein Reich deutscher Ehren, sondern rönnscher Zweck¬ mäßigkeit. Es ist eine Täuschung, wenn man meint, das Zentrum werde auf¬ hören, in sich selbst zerfallen oder gegenstandslos sein, wenn die Maigesetze auf¬ gehoben würden; im Gegenteil, es würde nur umso mächtiger wieder dastehen und seine Forderungen noch weiter spannen. Es ist auch uicht anzunehmen, daß der Papst es auflöst, er würde ja seiner besten Werkzeuge sich berauben, ja der Verfasser glaubt, menschlicher Voraussicht uach wird das Zentrum Bestand haben, solange die konstitutionellen Staatseinrichtungen dauern. So erscheint die Zukunft nicht in rosigem Lichte und unsre Broschüre giebt auch keine Mittel und Wege an, um die immer tiefer klaffenden Gegensätze der beiden Konfessionen in Deutschland zu überbrücken und auszugleichen, aber die Protestanten, welche aus kirchlichen oder konservativen Interessen in der Heer¬ oder Bundesgenossenschnft des Zentrums stehen, mögen doch die Wcirnnngen uicht in den Wind schlagen, welche lant genng zu ihnen dringen, daß der Kurie und dem von ihm geleiteten Zentrum die Bekämpfung des Materialismus, des Antichristentums weit weniger wichtig ist, als die des Protestantismus, daß. jede Stärkung der katholischen Interessen eine Gefahr für die Protestanten in sich schließt. In preußischen konservativen Kreisen ist die Liebe zum Herrscherhaus und das staatliche Bewußtsein ein starkes Motiv; wir hoffen mit dem Verfasser, daß dies die heilsame Klippe sein wird, an welcher jene innerlich unwahre und unselige Verbindung scheitern wird. Die Regierung und die Anarchisten in Frankreich. äst schien es in den letzten Tagen, als ob die Tage der fran¬ zösischen Republik gezählt seien. Nachdem das Journal „Paris" Enthüllungen über eine weitverzweigte aimrchistische Verschwörung gebracht und eine energische Regierung verlangt hatte, schüttelten viele, statt zu erschreckein den Kopf; denu das Blatt diente Gam- bettas iutrigcmter Politik, es war unzuverlässig, man glaubte die Absicht zu merken und war verstimmt. Tags nachher aber enthielt der glaubwürdigere „Temps" ähnliche Nachrichten, und zuletzt erkannte auch die Regierung in einer von der „Agenee Havas" veröffentlichten Notiz die Bedeutung der revolutionären Bewegung in den Bergwerks- und Fabrikdistrikten Frankreichs an. „neuerliche Ereignisse in Mouteeaules Mines und in Lyon haben, so hieß es da, der öffentlichen Meinung Befürchtungen eingeflößt. Bis jetzt indeß ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/350>, abgerufen am 26.06.2024.