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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Gustav Schwab als Prosaiker.

Das war das Streitobjekt gewesen: eine Pfla um endarre, die ans der
Grenze des alten und des neuen Gottesackers stand und die dein Kantor
zum Nießbrauch übergeben werden sollte. Aber das Streitobjekt existirte nicht mehr,
es war, wie aus deutlichen Resten zu ersehen war, von den Kühen völlig in Grund
und Boden getreten worden. Übrigens war die Hecke beselt, und die Kommune
war zu einer Reparatur uicht zu bewegen gewesen. Es war nicht herauszubringen,
wer der Übelthäter gewesen war, und der Kuhhirt, der dort auf der Wiese seine
dreibeinige Position eingenommen hatte, wußte auch vom hellen lichten Tage nichts.
Der Herr Laudrat nahm die Sache vou der humoristische,, Seite, und die Herren
Bauern sahen ein, daß sie sich für nichts ereifert hatten.

Aber nun ist doch die Geschichte aus? Immer noch nicht.

Jetzt verfügte die hohe Behörde, daß die Pflaumendarre vom Schulvorstaudc
c-x mopiii" wieder herzustellen sei. Der Schulvorstaud weigerte sich und machte
geltend, daß der Gebrauch der Darre als Gehaltsanteil des Lehrers noch gar nicht
existirt habe. Die Kommune, die Besitzer der Kühe, der Kuhhirt wurden regre߬
pflichtig gemacht. Als aber auch dies nichts half, wurde endgiltig verfügt:

Neuerdings angestellten Erwägungen folgend, wollen wir von der Wieder¬
herstellung der Darre Abstand nehmen, geben aber dein Pfarramt zu Niedcrzisch-
witz ans, daß nnter Zustimmung der zuständigen Vertretungen der Küsterei im Grund-
buche das Recht eingetragen werde, eventuell wieder eine Darre zu er¬
richten.

Jetzt war die Sache zu Ende.
'

Wers nicht glauben will, dem erzähle ich nächstens die schöne Geschichte von
den drei toten Schweinen im Mühlgraben..


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Gustav Schrvab als Prosaiker.

weiunddreißig Jahre mich dem frühen Tode des Dichters Gustav
Schwab, der bekanntlich auch als Redakteur, Kritiker, urteilender
Sammler und Herausgeber einen bedeutenden Einfluß auf die
ästhetische Bildung seiner deutschen, mindestens seiner süddeut¬
schen Zeitgenossen ausgeübt hat, tritt eine Sammlung "Gustav
Schwab, Kleine prosaische Schriften""') hervor, welche in unsrer rast-und ruhe¬
losen und zu gleicher Zeit so alexandrinischen Zeit, in der das Historische min¬
destens hundert Jahre alt sein muß, wenn es etwas bedeuten und gelten soll,
als eine seltne Erscheinung bezeichnet zu werden verdient. Die Pietät über¬
lebender Freunde, unter denen der Herausgeber, K. Klüpfel in Tübingen, im



Gustav Schwab, Kleine prosaische Schriften. Ausgewählt und herausge-
geben von K. Klüpfel. Tübingen, I. C. B. Mohr. 1882.
Gustav Schwab als Prosaiker.

Das war das Streitobjekt gewesen: eine Pfla um endarre, die ans der
Grenze des alten und des neuen Gottesackers stand und die dein Kantor
zum Nießbrauch übergeben werden sollte. Aber das Streitobjekt existirte nicht mehr,
es war, wie aus deutlichen Resten zu ersehen war, von den Kühen völlig in Grund
und Boden getreten worden. Übrigens war die Hecke beselt, und die Kommune
war zu einer Reparatur uicht zu bewegen gewesen. Es war nicht herauszubringen,
wer der Übelthäter gewesen war, und der Kuhhirt, der dort auf der Wiese seine
dreibeinige Position eingenommen hatte, wußte auch vom hellen lichten Tage nichts.
Der Herr Laudrat nahm die Sache vou der humoristische,, Seite, und die Herren
Bauern sahen ein, daß sie sich für nichts ereifert hatten.

Aber nun ist doch die Geschichte aus? Immer noch nicht.

Jetzt verfügte die hohe Behörde, daß die Pflaumendarre vom Schulvorstaudc
c-x mopiii» wieder herzustellen sei. Der Schulvorstaud weigerte sich und machte
geltend, daß der Gebrauch der Darre als Gehaltsanteil des Lehrers noch gar nicht
existirt habe. Die Kommune, die Besitzer der Kühe, der Kuhhirt wurden regre߬
pflichtig gemacht. Als aber auch dies nichts half, wurde endgiltig verfügt:

Neuerdings angestellten Erwägungen folgend, wollen wir von der Wieder¬
herstellung der Darre Abstand nehmen, geben aber dein Pfarramt zu Niedcrzisch-
witz ans, daß nnter Zustimmung der zuständigen Vertretungen der Küsterei im Grund-
buche das Recht eingetragen werde, eventuell wieder eine Darre zu er¬
richten.

Jetzt war die Sache zu Ende.
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Wers nicht glauben will, dem erzähle ich nächstens die schöne Geschichte von
den drei toten Schweinen im Mühlgraben..


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Gustav Schrvab als Prosaiker.

weiunddreißig Jahre mich dem frühen Tode des Dichters Gustav
Schwab, der bekanntlich auch als Redakteur, Kritiker, urteilender
Sammler und Herausgeber einen bedeutenden Einfluß auf die
ästhetische Bildung seiner deutschen, mindestens seiner süddeut¬
schen Zeitgenossen ausgeübt hat, tritt eine Sammlung „Gustav
Schwab, Kleine prosaische Schriften""') hervor, welche in unsrer rast-und ruhe¬
losen und zu gleicher Zeit so alexandrinischen Zeit, in der das Historische min¬
destens hundert Jahre alt sein muß, wenn es etwas bedeuten und gelten soll,
als eine seltne Erscheinung bezeichnet zu werden verdient. Die Pietät über¬
lebender Freunde, unter denen der Herausgeber, K. Klüpfel in Tübingen, im



Gustav Schwab, Kleine prosaische Schriften. Ausgewählt und herausge-
geben von K. Klüpfel. Tübingen, I. C. B. Mohr. 1882.
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[0345] Gustav Schwab als Prosaiker. Das war das Streitobjekt gewesen: eine Pfla um endarre, die ans der Grenze des alten und des neuen Gottesackers stand und die dein Kantor zum Nießbrauch übergeben werden sollte. Aber das Streitobjekt existirte nicht mehr, es war, wie aus deutlichen Resten zu ersehen war, von den Kühen völlig in Grund und Boden getreten worden. Übrigens war die Hecke beselt, und die Kommune war zu einer Reparatur uicht zu bewegen gewesen. Es war nicht herauszubringen, wer der Übelthäter gewesen war, und der Kuhhirt, der dort auf der Wiese seine dreibeinige Position eingenommen hatte, wußte auch vom hellen lichten Tage nichts. Der Herr Laudrat nahm die Sache vou der humoristische,, Seite, und die Herren Bauern sahen ein, daß sie sich für nichts ereifert hatten. Aber nun ist doch die Geschichte aus? Immer noch nicht. Jetzt verfügte die hohe Behörde, daß die Pflaumendarre vom Schulvorstaudc c-x mopiii» wieder herzustellen sei. Der Schulvorstaud weigerte sich und machte geltend, daß der Gebrauch der Darre als Gehaltsanteil des Lehrers noch gar nicht existirt habe. Die Kommune, die Besitzer der Kühe, der Kuhhirt wurden regre߬ pflichtig gemacht. Als aber auch dies nichts half, wurde endgiltig verfügt: Neuerdings angestellten Erwägungen folgend, wollen wir von der Wieder¬ herstellung der Darre Abstand nehmen, geben aber dein Pfarramt zu Niedcrzisch- witz ans, daß nnter Zustimmung der zuständigen Vertretungen der Küsterei im Grund- buche das Recht eingetragen werde, eventuell wieder eine Darre zu er¬ richten. Jetzt war die Sache zu Ende. ' Wers nicht glauben will, dem erzähle ich nächstens die schöne Geschichte von den drei toten Schweinen im Mühlgraben.. g,<1 «-re-ur-W <in1wvÄvi.t Gustav Schrvab als Prosaiker. weiunddreißig Jahre mich dem frühen Tode des Dichters Gustav Schwab, der bekanntlich auch als Redakteur, Kritiker, urteilender Sammler und Herausgeber einen bedeutenden Einfluß auf die ästhetische Bildung seiner deutschen, mindestens seiner süddeut¬ schen Zeitgenossen ausgeübt hat, tritt eine Sammlung „Gustav Schwab, Kleine prosaische Schriften""') hervor, welche in unsrer rast-und ruhe¬ losen und zu gleicher Zeit so alexandrinischen Zeit, in der das Historische min¬ destens hundert Jahre alt sein muß, wenn es etwas bedeuten und gelten soll, als eine seltne Erscheinung bezeichnet zu werden verdient. Die Pietät über¬ lebender Freunde, unter denen der Herausgeber, K. Klüpfel in Tübingen, im Gustav Schwab, Kleine prosaische Schriften. Ausgewählt und herausge- geben von K. Klüpfel. Tübingen, I. C. B. Mohr. 1882.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/345>, abgerufen am 26.06.2024.