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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.
von Fritz Anders.
5. Die Pslanmendarre.

le Stunde, in welcher der gelbgestreifte Krüger des Landbrief¬
trägers erscheint, ist in einem Pfarrhause ans dem Lande sehr wichtig.
Fast alles, was die Geister den Tag über bewegt, knüpft sich an
diesen bedeutenden Moment. Erscheint gar ein amtliches Schreiben
mit der gezackten bunten Pnpiervblate. so gewinnt der Moment einen
feierlichen Charakter. Der Herr Pastor stellt die Pfeife an die
Stuhllehne, und die Frau Pastorin macht mit stiller Sorge im Gesichte des lieben
Mannes Wetterbeobachtungen.

Einen solchen Moment bitte ich den Leser sich im Pfarrhause zu Klein-
Zischwitz vorzustellen. Der Herr Pastor hatte seinen Bogen entfaltet und las
seufzend:

Betreffend die Nutzung des Gottesackers können wir den Borschlag des Pastor
Müller für gesetzlich zulässig uicht erachte", und hat es lediglich bei unsrer Ver¬
fügung vom 18. Oktober sein Bewenden. Ew. . . . wollen, den genannten an¬
weisen, einen gütlichen Vergleich herbeizuführen, was bei einiger Weisheit unschwer
zu erreichen sein dürste. . . .

Das Königliche Konsistorium u. f. w.

Herrn Pastor Müller zur Kenntnisnahme, mit dem Auftrage, binnen vierzehn
Tagen über deu geschehenen Vergleich zu berichten.

Die Königliche Superintendentur.

Also abgewiesen, und uoch dazu mit dem versteckten Vorwürfe, es an der
nötigen Weisheit fehlen gelassen zu haben. Ein wohlgemeinter und reiflich durch¬
dachter Vorschlag wird als ungesetzlich bezeichnet, und das muß ihm, dein Pastor
Müller, begegnen, der von jeher seine Amtsehre darin gesucht hat, der Behörde
gegenüber die größte Gewissenhaftigkeit an den Tag zu legen! Die Frau Pastorin
teilte den Schmerz ihres lieben Mannes uach alleu Richtungen und wußte zum
Troste nur anzuführen, daß am Nachmittag Pastvralkräuzcheu in Hmnmerstadt sei.

Auf dem Kränzchen wurde denn auch der Fall ausführlich behandelt, das
Konsistorium unter eingehende Kritik genommen, und festgestellt, daß unbedingt ein
sechswöchentlicher juristischer Kursus nötig sei. um heutzutage. Pastor sein zu können.
Indessen blieb für jetzt nichts weiter übrig, als in deu sauern Apfel zu beißen und
Z. deu Gemeindekirchenrat zu berufen. 2. den Schulvorstaud zusammentreten zu
lassen, 3. den gemeinsamen Antrag beider an die "Kommune" abzugeben und die¬
selbe aufzufordern, Delegirte zu wählen und <I. mit Delegirten der zuvor genannten
Körperschaften in Verbindung zu treten, worüber 5. ein der Verfügung vom
17. Juni 1873 entsprechendes Protokoll abgefaßt und et. dieses Protokoll zur Ge¬
nehmigung an das königliche Konsistorium eingesendet werden mußte.

Lieber Herr Bruder, sagte zum Schluß der Amtsbruder Gebhardt zum Amts¬
bruder Müller, wenn ich Ihnen als alter Praktikus raten darf, so nehmen sie hübsch
eiuen nach dein andern vor, sonst kommen Sie mit Ihren Seebären in die Brüche.


Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.
von Fritz Anders.
5. Die Pslanmendarre.

le Stunde, in welcher der gelbgestreifte Krüger des Landbrief¬
trägers erscheint, ist in einem Pfarrhause ans dem Lande sehr wichtig.
Fast alles, was die Geister den Tag über bewegt, knüpft sich an
diesen bedeutenden Moment. Erscheint gar ein amtliches Schreiben
mit der gezackten bunten Pnpiervblate. so gewinnt der Moment einen
feierlichen Charakter. Der Herr Pastor stellt die Pfeife an die
Stuhllehne, und die Frau Pastorin macht mit stiller Sorge im Gesichte des lieben
Mannes Wetterbeobachtungen.

Einen solchen Moment bitte ich den Leser sich im Pfarrhause zu Klein-
Zischwitz vorzustellen. Der Herr Pastor hatte seinen Bogen entfaltet und las
seufzend:

Betreffend die Nutzung des Gottesackers können wir den Borschlag des Pastor
Müller für gesetzlich zulässig uicht erachte», und hat es lediglich bei unsrer Ver¬
fügung vom 18. Oktober sein Bewenden. Ew. . . . wollen, den genannten an¬
weisen, einen gütlichen Vergleich herbeizuführen, was bei einiger Weisheit unschwer
zu erreichen sein dürste. . . .

Das Königliche Konsistorium u. f. w.

Herrn Pastor Müller zur Kenntnisnahme, mit dem Auftrage, binnen vierzehn
Tagen über deu geschehenen Vergleich zu berichten.

Die Königliche Superintendentur.

Also abgewiesen, und uoch dazu mit dem versteckten Vorwürfe, es an der
nötigen Weisheit fehlen gelassen zu haben. Ein wohlgemeinter und reiflich durch¬
dachter Vorschlag wird als ungesetzlich bezeichnet, und das muß ihm, dein Pastor
Müller, begegnen, der von jeher seine Amtsehre darin gesucht hat, der Behörde
gegenüber die größte Gewissenhaftigkeit an den Tag zu legen! Die Frau Pastorin
teilte den Schmerz ihres lieben Mannes uach alleu Richtungen und wußte zum
Troste nur anzuführen, daß am Nachmittag Pastvralkräuzcheu in Hmnmerstadt sei.

Auf dem Kränzchen wurde denn auch der Fall ausführlich behandelt, das
Konsistorium unter eingehende Kritik genommen, und festgestellt, daß unbedingt ein
sechswöchentlicher juristischer Kursus nötig sei. um heutzutage. Pastor sein zu können.
Indessen blieb für jetzt nichts weiter übrig, als in deu sauern Apfel zu beißen und
Z. deu Gemeindekirchenrat zu berufen. 2. den Schulvorstaud zusammentreten zu
lassen, 3. den gemeinsamen Antrag beider an die „Kommune" abzugeben und die¬
selbe aufzufordern, Delegirte zu wählen und <I. mit Delegirten der zuvor genannten
Körperschaften in Verbindung zu treten, worüber 5. ein der Verfügung vom
17. Juni 1873 entsprechendes Protokoll abgefaßt und et. dieses Protokoll zur Ge¬
nehmigung an das königliche Konsistorium eingesendet werden mußte.

Lieber Herr Bruder, sagte zum Schluß der Amtsbruder Gebhardt zum Amts¬
bruder Müller, wenn ich Ihnen als alter Praktikus raten darf, so nehmen sie hübsch
eiuen nach dein andern vor, sonst kommen Sie mit Ihren Seebären in die Brüche.


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[0338] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. von Fritz Anders. 5. Die Pslanmendarre. le Stunde, in welcher der gelbgestreifte Krüger des Landbrief¬ trägers erscheint, ist in einem Pfarrhause ans dem Lande sehr wichtig. Fast alles, was die Geister den Tag über bewegt, knüpft sich an diesen bedeutenden Moment. Erscheint gar ein amtliches Schreiben mit der gezackten bunten Pnpiervblate. so gewinnt der Moment einen feierlichen Charakter. Der Herr Pastor stellt die Pfeife an die Stuhllehne, und die Frau Pastorin macht mit stiller Sorge im Gesichte des lieben Mannes Wetterbeobachtungen. Einen solchen Moment bitte ich den Leser sich im Pfarrhause zu Klein- Zischwitz vorzustellen. Der Herr Pastor hatte seinen Bogen entfaltet und las seufzend: Betreffend die Nutzung des Gottesackers können wir den Borschlag des Pastor Müller für gesetzlich zulässig uicht erachte», und hat es lediglich bei unsrer Ver¬ fügung vom 18. Oktober sein Bewenden. Ew. . . . wollen, den genannten an¬ weisen, einen gütlichen Vergleich herbeizuführen, was bei einiger Weisheit unschwer zu erreichen sein dürste. . . . Das Königliche Konsistorium u. f. w. Herrn Pastor Müller zur Kenntnisnahme, mit dem Auftrage, binnen vierzehn Tagen über deu geschehenen Vergleich zu berichten. Die Königliche Superintendentur. Also abgewiesen, und uoch dazu mit dem versteckten Vorwürfe, es an der nötigen Weisheit fehlen gelassen zu haben. Ein wohlgemeinter und reiflich durch¬ dachter Vorschlag wird als ungesetzlich bezeichnet, und das muß ihm, dein Pastor Müller, begegnen, der von jeher seine Amtsehre darin gesucht hat, der Behörde gegenüber die größte Gewissenhaftigkeit an den Tag zu legen! Die Frau Pastorin teilte den Schmerz ihres lieben Mannes uach alleu Richtungen und wußte zum Troste nur anzuführen, daß am Nachmittag Pastvralkräuzcheu in Hmnmerstadt sei. Auf dem Kränzchen wurde denn auch der Fall ausführlich behandelt, das Konsistorium unter eingehende Kritik genommen, und festgestellt, daß unbedingt ein sechswöchentlicher juristischer Kursus nötig sei. um heutzutage. Pastor sein zu können. Indessen blieb für jetzt nichts weiter übrig, als in deu sauern Apfel zu beißen und Z. deu Gemeindekirchenrat zu berufen. 2. den Schulvorstaud zusammentreten zu lassen, 3. den gemeinsamen Antrag beider an die „Kommune" abzugeben und die¬ selbe aufzufordern, Delegirte zu wählen und <I. mit Delegirten der zuvor genannten Körperschaften in Verbindung zu treten, worüber 5. ein der Verfügung vom 17. Juni 1873 entsprechendes Protokoll abgefaßt und et. dieses Protokoll zur Ge¬ nehmigung an das königliche Konsistorium eingesendet werden mußte. Lieber Herr Bruder, sagte zum Schluß der Amtsbruder Gebhardt zum Amts¬ bruder Müller, wenn ich Ihnen als alter Praktikus raten darf, so nehmen sie hübsch eiuen nach dein andern vor, sonst kommen Sie mit Ihren Seebären in die Brüche.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/338>, abgerufen am 26.06.2024.