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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Symbolik des Blutes.

genannten Johnnnissegens, das Trinken der Johannisminne, zieht der Verfasser
unsrer Schrift hierher, indem er darin gleichfalls einen Liebesbund des Blutes,
eine Art Volksabendmahl erblickt, da Johannes im besondern Sinne der Freund
Jesu war. Doch ist der Jünger hier nur an Stelle eines alten Gottes (Freyr)
getreten, denn diese Sitte stammt unzweifelhaft von den germanischen heidnischen
Trankopfern ub.

Von dem Opferfleisch der Heiden zu genießen, war den Christen ausdrücklich
verboten, denn die Opfermahlzeiten wurden als die gemeinschaftlichen Mahlzeiten
der Menschen mit den Göttern angesehen. Daher galt eine Teilnahme daran
als ein Bündnis mit letzter", mit den Dämonen. Aus der Anschauung, daß
die Dämonen das Blut als ihre Speise genossen, entwickelte sich die christliche
Dämonenlehre; denn da die Seelen Abgestorbener mit den Dämonen nahezu
identifizirt wurden, so entstand die Vorstellung von den Gespenstern, die herauf¬
steigen, um sich die Speise, deren sie bedürfen und die man ihnen nicht gab,
das Blut, zu holen. Der von den Geistlichen benutzte griechische Kirchenglanbe,
daß die mit der Exkommunikation belegten keine Ruhe im Grabe funden, hat
zu der Verbreitung des Aberglaubens von den Blutsaugern, den Vcunphren,
beigetragen. Es sind dies Leute, die, nachdem sie begraben worden, nächtlich
wieder auferstehen und ihren zurückgebliebenen Angehörigen das Blut aussaugen,
sodaß diese hinsterben müssen. Von der Gemeinschaft der Seinigen ausgeschlossen,
sehnt sich der Vcunpyr nach dem Vinke der Versöhnung. Daher gilt es als
ein Mittel, ihn zu befriedigen und das Unheil abzuwenden, wenn man dem Ge¬
storbenen den Kopf abschneidet, das hernusfließende Blut auffängt und sämmt¬
liche" Familienmitgliedern davon zu trinken giebt. Hierdurch ist er in die Blnt-
gemeinschaft wieder eingetreten. Eine ähnliche Vorstellung, wie die von den
Vampyren, findet sich übrigens schon bei den Alten in ihren Empusen.

Wie die Dämonen sich Blut holen, so kann man sie mich rufen, um ihnen
welches zu geben: wie man Bluthunde nntereinnuder schließt, kann man auch
mit ihnen, auch mit dem Satan einen Bluthund schließen. Daher rührt die
Verschreibung an den Satan vermittelst Blut. Zugleich aber ist der Tenfels-
bund eine Karikatur des neuen Bundes mit Christus. Eine der ältesten Teu-
si'lsverschreibuugeu ist die Theophilussage, die Faustsage des Mittelalters, in
der jedoch Theophilus durch Marin gerettet wird. Besonders lebhaft wird das
Fabeln von Tcuselsbüuduisseu und zumal von Blntverschrcibungen in der Zeit
nach der Reformation. Verschiedne historische Personen wurden damals in dieser
Weise verdächtigt. Andre gestanden es selbst; sie täuschten sich selbst, durch den
epidemischen Aberglauben angesteckt, oder die Folter oder das Streben, sich
durch scheinbare Buße zu retten, entriß ihnen lügnerische Geständnisse. Noch
andre benutzten diesen Aberglauben, um die Frömmigkeit und Wohlthätigkeit zu
betrugen. Am berühmtesten ist die Geschichte vom Faust geworden; bei Goethe
ist freilich die Blutuuterschrift in ihrer Bedeutsamkeit ganz zurückgetreten.


Ärenzbotcli lo. 1882, 42
Die Symbolik des Blutes.

genannten Johnnnissegens, das Trinken der Johannisminne, zieht der Verfasser
unsrer Schrift hierher, indem er darin gleichfalls einen Liebesbund des Blutes,
eine Art Volksabendmahl erblickt, da Johannes im besondern Sinne der Freund
Jesu war. Doch ist der Jünger hier nur an Stelle eines alten Gottes (Freyr)
getreten, denn diese Sitte stammt unzweifelhaft von den germanischen heidnischen
Trankopfern ub.

Von dem Opferfleisch der Heiden zu genießen, war den Christen ausdrücklich
verboten, denn die Opfermahlzeiten wurden als die gemeinschaftlichen Mahlzeiten
der Menschen mit den Göttern angesehen. Daher galt eine Teilnahme daran
als ein Bündnis mit letzter», mit den Dämonen. Aus der Anschauung, daß
die Dämonen das Blut als ihre Speise genossen, entwickelte sich die christliche
Dämonenlehre; denn da die Seelen Abgestorbener mit den Dämonen nahezu
identifizirt wurden, so entstand die Vorstellung von den Gespenstern, die herauf¬
steigen, um sich die Speise, deren sie bedürfen und die man ihnen nicht gab,
das Blut, zu holen. Der von den Geistlichen benutzte griechische Kirchenglanbe,
daß die mit der Exkommunikation belegten keine Ruhe im Grabe funden, hat
zu der Verbreitung des Aberglaubens von den Blutsaugern, den Vcunphren,
beigetragen. Es sind dies Leute, die, nachdem sie begraben worden, nächtlich
wieder auferstehen und ihren zurückgebliebenen Angehörigen das Blut aussaugen,
sodaß diese hinsterben müssen. Von der Gemeinschaft der Seinigen ausgeschlossen,
sehnt sich der Vcunpyr nach dem Vinke der Versöhnung. Daher gilt es als
ein Mittel, ihn zu befriedigen und das Unheil abzuwenden, wenn man dem Ge¬
storbenen den Kopf abschneidet, das hernusfließende Blut auffängt und sämmt¬
liche» Familienmitgliedern davon zu trinken giebt. Hierdurch ist er in die Blnt-
gemeinschaft wieder eingetreten. Eine ähnliche Vorstellung, wie die von den
Vampyren, findet sich übrigens schon bei den Alten in ihren Empusen.

Wie die Dämonen sich Blut holen, so kann man sie mich rufen, um ihnen
welches zu geben: wie man Bluthunde nntereinnuder schließt, kann man auch
mit ihnen, auch mit dem Satan einen Bluthund schließen. Daher rührt die
Verschreibung an den Satan vermittelst Blut. Zugleich aber ist der Tenfels-
bund eine Karikatur des neuen Bundes mit Christus. Eine der ältesten Teu-
si'lsverschreibuugeu ist die Theophilussage, die Faustsage des Mittelalters, in
der jedoch Theophilus durch Marin gerettet wird. Besonders lebhaft wird das
Fabeln von Tcuselsbüuduisseu und zumal von Blntverschrcibungen in der Zeit
nach der Reformation. Verschiedne historische Personen wurden damals in dieser
Weise verdächtigt. Andre gestanden es selbst; sie täuschten sich selbst, durch den
epidemischen Aberglauben angesteckt, oder die Folter oder das Streben, sich
durch scheinbare Buße zu retten, entriß ihnen lügnerische Geständnisse. Noch
andre benutzten diesen Aberglauben, um die Frömmigkeit und Wohlthätigkeit zu
betrugen. Am berühmtesten ist die Geschichte vom Faust geworden; bei Goethe
ist freilich die Blutuuterschrift in ihrer Bedeutsamkeit ganz zurückgetreten.


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[0333] Die Symbolik des Blutes. genannten Johnnnissegens, das Trinken der Johannisminne, zieht der Verfasser unsrer Schrift hierher, indem er darin gleichfalls einen Liebesbund des Blutes, eine Art Volksabendmahl erblickt, da Johannes im besondern Sinne der Freund Jesu war. Doch ist der Jünger hier nur an Stelle eines alten Gottes (Freyr) getreten, denn diese Sitte stammt unzweifelhaft von den germanischen heidnischen Trankopfern ub. Von dem Opferfleisch der Heiden zu genießen, war den Christen ausdrücklich verboten, denn die Opfermahlzeiten wurden als die gemeinschaftlichen Mahlzeiten der Menschen mit den Göttern angesehen. Daher galt eine Teilnahme daran als ein Bündnis mit letzter», mit den Dämonen. Aus der Anschauung, daß die Dämonen das Blut als ihre Speise genossen, entwickelte sich die christliche Dämonenlehre; denn da die Seelen Abgestorbener mit den Dämonen nahezu identifizirt wurden, so entstand die Vorstellung von den Gespenstern, die herauf¬ steigen, um sich die Speise, deren sie bedürfen und die man ihnen nicht gab, das Blut, zu holen. Der von den Geistlichen benutzte griechische Kirchenglanbe, daß die mit der Exkommunikation belegten keine Ruhe im Grabe funden, hat zu der Verbreitung des Aberglaubens von den Blutsaugern, den Vcunphren, beigetragen. Es sind dies Leute, die, nachdem sie begraben worden, nächtlich wieder auferstehen und ihren zurückgebliebenen Angehörigen das Blut aussaugen, sodaß diese hinsterben müssen. Von der Gemeinschaft der Seinigen ausgeschlossen, sehnt sich der Vcunpyr nach dem Vinke der Versöhnung. Daher gilt es als ein Mittel, ihn zu befriedigen und das Unheil abzuwenden, wenn man dem Ge¬ storbenen den Kopf abschneidet, das hernusfließende Blut auffängt und sämmt¬ liche» Familienmitgliedern davon zu trinken giebt. Hierdurch ist er in die Blnt- gemeinschaft wieder eingetreten. Eine ähnliche Vorstellung, wie die von den Vampyren, findet sich übrigens schon bei den Alten in ihren Empusen. Wie die Dämonen sich Blut holen, so kann man sie mich rufen, um ihnen welches zu geben: wie man Bluthunde nntereinnuder schließt, kann man auch mit ihnen, auch mit dem Satan einen Bluthund schließen. Daher rührt die Verschreibung an den Satan vermittelst Blut. Zugleich aber ist der Tenfels- bund eine Karikatur des neuen Bundes mit Christus. Eine der ältesten Teu- si'lsverschreibuugeu ist die Theophilussage, die Faustsage des Mittelalters, in der jedoch Theophilus durch Marin gerettet wird. Besonders lebhaft wird das Fabeln von Tcuselsbüuduisseu und zumal von Blntverschrcibungen in der Zeit nach der Reformation. Verschiedne historische Personen wurden damals in dieser Weise verdächtigt. Andre gestanden es selbst; sie täuschten sich selbst, durch den epidemischen Aberglauben angesteckt, oder die Folter oder das Streben, sich durch scheinbare Buße zu retten, entriß ihnen lügnerische Geständnisse. Noch andre benutzten diesen Aberglauben, um die Frömmigkeit und Wohlthätigkeit zu betrugen. Am berühmtesten ist die Geschichte vom Faust geworden; bei Goethe ist freilich die Blutuuterschrift in ihrer Bedeutsamkeit ganz zurückgetreten. Ärenzbotcli lo. 1882, 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/333>, abgerufen am 26.06.2024.