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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Giuseppe Garibaldi.

nehmlichkeit des Lebens, nicht nur das Glück des häuslichen Herdes, das er so
hoch zu schätzen wußte, ja uicht nur Gut und Blut, uicht uur Ehrgeiz und
Ruhm, sondern auch die teuersten Aspirationen seiner Seele. Sein politisches
Ideal war von früher Jugend an die Republik, eine Republik mit einem auf
Zeit gewählten Diktator, von einem Rate redlicher Münuer umgebe". Er wäre
selbst gern ein zweiter Washington geworden. Aber Italien war monarchisch
und wollte es bleiben. Das erkannte Garibaldi schou 1848 und bot ohne
Zögern sein Schwert dem Könige von Sardinien an, um Italien vom Joche
der Fremden zu befreien. Und noch kurz vor seinem Tode schrieb er einem
republikanischen Freunde uach allen deu herben Euttüuschuugen, die ihm das
Leben gebracht: "Das Haus Savoyen hat die übergroße Mehrheit der Italiener
für sich, und die Gesinnung der Mehrheit müssen wir respektiren. . . . Sie ver¬
kennen und bekämpfen, hieße den Bürgerkrieg entzünden, und dadurch unser
Werk mit unsern eignen Händen zerstören." Deshalb war und blieb "Italien
und Viktor Emanuel!" sein stets wahr und ehrlich gemeintes Feldgeschrei, und
wenn er infolge des Einflusses, den Mazzini und dessen Gesinnungsgenossen
auf ihn ausübten, wie seines mangelhaften Verständnisses für die internationale
politische Lage und die diplomatischen Verhältnisse 1860 in Neapel der Re¬
gierung in Turin wie seinem verehrten Könige selbst die größten Sorgen und
Verlegenheiten bereitete, wenn er, uicht ohne schwere Mitschuld der damaligen
Regierung und zumal ihres Präsidenten Ratazzi. 1862 bei Aspromonte und
1367 bei Mendana das Vaterland dnrch seine leidenschaftliche Ungeduld, es
vollkommen zu befreien und zu einigen und dnrch feinen grimmigen Haß gegen
das römische Priesterregiment in große Gefahr brachte, so waren doch nicht nur
feine Zwecke und Ziele auch hier rein und edel, sondern er machte auch stets
und unbedingt, oft gegen die stärkste Opposition zudringlicher radikaler Freunde,
Halt, sobald der Bürgerkrieg drohte, legte Macht und Waffen aus den Händen
und zog sich als armer Privatmann auf seine einsame Insel zurück.

Die Freiheit, Wohlfahrt und Unabhängigkeit, welche Garibaldi für sein
Vaterland begehrte, ersehnte und erstrebte er für die ganze Welt. Es ist rührend,
wenn sich vor uus aus seinen Manifesten, Reden, Briefen und Memoiren das
politisch-soziale Idealbild entrollt, wie es sich in seinem Kopfe oder vielmehr in
seinem Herzen gestaltet hatte -- rührend sowohl, weil nus daraus seiue warme
Menschenliebe hell entgegenleuchtet, als wegen der kindlichen Naivetät, mit der
er sich als möglich, ja in unferner Zukunft erreichbar vorstellt, was allen gegebenen
Verhältnissen, was aller historischen Entwicklung, ja was leider der Menschennatur
selbst widerspricht. Gott, so lautete seiue Doktrin, hat alle Menschen gleich geschaffen,
ihnen aber Nach den Sprachen verschiedene Länder zum Wohnsitze angewiesen-
Nur Fürsten und Priester, vou Habgier und Herrschsucht getrieben, haben die
natürlichen Grenzen verrückt, die Völker unterjocht und entzweit. Deshalb Krieg
diesen beiden -- Krieg, wie er anf dem Friedenskongreß zu Genf 1867 erklärte,


Giuseppe Garibaldi.

nehmlichkeit des Lebens, nicht nur das Glück des häuslichen Herdes, das er so
hoch zu schätzen wußte, ja uicht nur Gut und Blut, uicht uur Ehrgeiz und
Ruhm, sondern auch die teuersten Aspirationen seiner Seele. Sein politisches
Ideal war von früher Jugend an die Republik, eine Republik mit einem auf
Zeit gewählten Diktator, von einem Rate redlicher Münuer umgebe». Er wäre
selbst gern ein zweiter Washington geworden. Aber Italien war monarchisch
und wollte es bleiben. Das erkannte Garibaldi schou 1848 und bot ohne
Zögern sein Schwert dem Könige von Sardinien an, um Italien vom Joche
der Fremden zu befreien. Und noch kurz vor seinem Tode schrieb er einem
republikanischen Freunde uach allen deu herben Euttüuschuugen, die ihm das
Leben gebracht: „Das Haus Savoyen hat die übergroße Mehrheit der Italiener
für sich, und die Gesinnung der Mehrheit müssen wir respektiren. . . . Sie ver¬
kennen und bekämpfen, hieße den Bürgerkrieg entzünden, und dadurch unser
Werk mit unsern eignen Händen zerstören." Deshalb war und blieb „Italien
und Viktor Emanuel!" sein stets wahr und ehrlich gemeintes Feldgeschrei, und
wenn er infolge des Einflusses, den Mazzini und dessen Gesinnungsgenossen
auf ihn ausübten, wie seines mangelhaften Verständnisses für die internationale
politische Lage und die diplomatischen Verhältnisse 1860 in Neapel der Re¬
gierung in Turin wie seinem verehrten Könige selbst die größten Sorgen und
Verlegenheiten bereitete, wenn er, uicht ohne schwere Mitschuld der damaligen
Regierung und zumal ihres Präsidenten Ratazzi. 1862 bei Aspromonte und
1367 bei Mendana das Vaterland dnrch seine leidenschaftliche Ungeduld, es
vollkommen zu befreien und zu einigen und dnrch feinen grimmigen Haß gegen
das römische Priesterregiment in große Gefahr brachte, so waren doch nicht nur
feine Zwecke und Ziele auch hier rein und edel, sondern er machte auch stets
und unbedingt, oft gegen die stärkste Opposition zudringlicher radikaler Freunde,
Halt, sobald der Bürgerkrieg drohte, legte Macht und Waffen aus den Händen
und zog sich als armer Privatmann auf seine einsame Insel zurück.

Die Freiheit, Wohlfahrt und Unabhängigkeit, welche Garibaldi für sein
Vaterland begehrte, ersehnte und erstrebte er für die ganze Welt. Es ist rührend,
wenn sich vor uus aus seinen Manifesten, Reden, Briefen und Memoiren das
politisch-soziale Idealbild entrollt, wie es sich in seinem Kopfe oder vielmehr in
seinem Herzen gestaltet hatte — rührend sowohl, weil nus daraus seiue warme
Menschenliebe hell entgegenleuchtet, als wegen der kindlichen Naivetät, mit der
er sich als möglich, ja in unferner Zukunft erreichbar vorstellt, was allen gegebenen
Verhältnissen, was aller historischen Entwicklung, ja was leider der Menschennatur
selbst widerspricht. Gott, so lautete seiue Doktrin, hat alle Menschen gleich geschaffen,
ihnen aber Nach den Sprachen verschiedene Länder zum Wohnsitze angewiesen-
Nur Fürsten und Priester, vou Habgier und Herrschsucht getrieben, haben die
natürlichen Grenzen verrückt, die Völker unterjocht und entzweit. Deshalb Krieg
diesen beiden — Krieg, wie er anf dem Friedenskongreß zu Genf 1867 erklärte,


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[0326] Giuseppe Garibaldi. nehmlichkeit des Lebens, nicht nur das Glück des häuslichen Herdes, das er so hoch zu schätzen wußte, ja uicht nur Gut und Blut, uicht uur Ehrgeiz und Ruhm, sondern auch die teuersten Aspirationen seiner Seele. Sein politisches Ideal war von früher Jugend an die Republik, eine Republik mit einem auf Zeit gewählten Diktator, von einem Rate redlicher Münuer umgebe». Er wäre selbst gern ein zweiter Washington geworden. Aber Italien war monarchisch und wollte es bleiben. Das erkannte Garibaldi schou 1848 und bot ohne Zögern sein Schwert dem Könige von Sardinien an, um Italien vom Joche der Fremden zu befreien. Und noch kurz vor seinem Tode schrieb er einem republikanischen Freunde uach allen deu herben Euttüuschuugen, die ihm das Leben gebracht: „Das Haus Savoyen hat die übergroße Mehrheit der Italiener für sich, und die Gesinnung der Mehrheit müssen wir respektiren. . . . Sie ver¬ kennen und bekämpfen, hieße den Bürgerkrieg entzünden, und dadurch unser Werk mit unsern eignen Händen zerstören." Deshalb war und blieb „Italien und Viktor Emanuel!" sein stets wahr und ehrlich gemeintes Feldgeschrei, und wenn er infolge des Einflusses, den Mazzini und dessen Gesinnungsgenossen auf ihn ausübten, wie seines mangelhaften Verständnisses für die internationale politische Lage und die diplomatischen Verhältnisse 1860 in Neapel der Re¬ gierung in Turin wie seinem verehrten Könige selbst die größten Sorgen und Verlegenheiten bereitete, wenn er, uicht ohne schwere Mitschuld der damaligen Regierung und zumal ihres Präsidenten Ratazzi. 1862 bei Aspromonte und 1367 bei Mendana das Vaterland dnrch seine leidenschaftliche Ungeduld, es vollkommen zu befreien und zu einigen und dnrch feinen grimmigen Haß gegen das römische Priesterregiment in große Gefahr brachte, so waren doch nicht nur feine Zwecke und Ziele auch hier rein und edel, sondern er machte auch stets und unbedingt, oft gegen die stärkste Opposition zudringlicher radikaler Freunde, Halt, sobald der Bürgerkrieg drohte, legte Macht und Waffen aus den Händen und zog sich als armer Privatmann auf seine einsame Insel zurück. Die Freiheit, Wohlfahrt und Unabhängigkeit, welche Garibaldi für sein Vaterland begehrte, ersehnte und erstrebte er für die ganze Welt. Es ist rührend, wenn sich vor uus aus seinen Manifesten, Reden, Briefen und Memoiren das politisch-soziale Idealbild entrollt, wie es sich in seinem Kopfe oder vielmehr in seinem Herzen gestaltet hatte — rührend sowohl, weil nus daraus seiue warme Menschenliebe hell entgegenleuchtet, als wegen der kindlichen Naivetät, mit der er sich als möglich, ja in unferner Zukunft erreichbar vorstellt, was allen gegebenen Verhältnissen, was aller historischen Entwicklung, ja was leider der Menschennatur selbst widerspricht. Gott, so lautete seiue Doktrin, hat alle Menschen gleich geschaffen, ihnen aber Nach den Sprachen verschiedene Länder zum Wohnsitze angewiesen- Nur Fürsten und Priester, vou Habgier und Herrschsucht getrieben, haben die natürlichen Grenzen verrückt, die Völker unterjocht und entzweit. Deshalb Krieg diesen beiden — Krieg, wie er anf dem Friedenskongreß zu Genf 1867 erklärte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/326>, abgerufen am 26.06.2024.