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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Giuseppe "Garibaldi.

die beweisende Kraft für seine Feldherrngröße abgesprochen, weil ihm kein eben¬
bürtiger Feind gegenübergestanden habe, so hat es ihm doch dabei nicht an Ge¬
legenheit gefehlt, ein strategisches wie taktisches Führertalent zu bewähren, um
das ihn mancher wvhlgeschnlte General beneiden dürfte. Unter seinen vierzig
bedeutenderen Zusammenstößen mit dein Feinde, von denen mehr als drei Viertel
siegreich für ihn endeten, ist freilich nur eine wirkliche Feldschlacht zu ver¬
zeichnen,^) der Kampf gegen das königlich neapolitanische Heer bei Capra am
1. Oktober 1860. Aber gerade hier bewies er einer numerisch bedeutend über¬
legenen regulären Armee gegeuüber, ebenso wie durch die von ihm ausgewählte
Defensivstellung am linken Voltnrnoufer, daß er auch größern Aufgaben gewachsen
sei. Nicht minder tritt uns sein strategisches Talent aus dem trefflich ange¬
legten und ausgeführten Manöver entgegen, durch welches es ihm möglich wurde,
sich im Juni desselben Jahres mit verhältnismäßig unbedeutenden Streitkräften
der Hauptstadt Siziliens zu bemächtigen. Wäre sein im wesentlichen mit dem
in der bekannten Usedomschen Note vom 17. Juni 1866 enthaltenen Kriegs-
Plaue der preußischen Militürleitnng übereinstimmendes Projekt zur Ausführung
gekommen, wonach der Hnuptangriff gegen Osterreich vom Po und nicht vom
Mineio ans erfolgen sollte, während er selbst (freilich in irrigen Vertrauen uns
einen Sieg der italienischen Flotte) eine Landung bei Trieft beabsichtigte, so
wäre den Italienern die Niederlage von Custozza vielleicht erspart geblieben.
Ebenso erkannte er 1870 mit klarem Blicke das gefahrvolle und verkehrte des
ihm zu spät bekannt gewordenen Gambettaschen Planes, dnrch den Vorstoß
Bvurbakis gegen Osten Paris entsetzen und Frankreich befreien zu wollen, und
"nßbilligte denselben aufs entschiedenste. Und wie schon im Jahre 1848 Feld-
Mnrschall d'Aspre mit Beziehung auf Garibaldi ausgerufen haben soll:^) "Ein
einziger Manu hätte Italien retten können, aber er wurde nicht verstanden!"
so sagt General Manteuffel in der Geschichte des deutsch-französischen Krieges
von 1370--1871 (Heft 20): "Allerdings waren die Erfolge des Generals mir
Partiell und hatten keine Resultate; aber Hütte General Vourbaki seinem Unke
gemäß operirt, so würde der Vogesenfcldzug der glücklichste für die französischen
Waffen in dem ganzen Kriege von 1870--1371 geworden sein."

So dürfen wir also schließlich wohl behaupten: Es hat Garibaldi nicht an den
Eigenschaften gefehlt, die den großen Feldherrn machen, wenn auch die Ungunst
der Umstände es ihm versagt hat, sich als solcher durch epochemachende Thaten
An bewähren.

Von dem Helden unzertrennlich erscheint in Garibaldi der Patriot. Er
hat dem Vaterlande alles geopfert: nicht nur Ruhe, Bequemlichkeit und An-




*) Gllerzoni ((Z-aribslä!, <U SiiTsoxxv (Z-norsoni. Piroino, Larbora, 1882. 2 Bände) zählt
sieben Schlachten auf, darunter sogar die Kämpfe vor Dijon vom 21. bis 23. Dezember
^7"; aber sei" Maßstab ist viel zu klein.
Guerzoni a. a. O. II, S. "26.
^renzdoten IV. 1882. 41
Giuseppe "Garibaldi.

die beweisende Kraft für seine Feldherrngröße abgesprochen, weil ihm kein eben¬
bürtiger Feind gegenübergestanden habe, so hat es ihm doch dabei nicht an Ge¬
legenheit gefehlt, ein strategisches wie taktisches Führertalent zu bewähren, um
das ihn mancher wvhlgeschnlte General beneiden dürfte. Unter seinen vierzig
bedeutenderen Zusammenstößen mit dein Feinde, von denen mehr als drei Viertel
siegreich für ihn endeten, ist freilich nur eine wirkliche Feldschlacht zu ver¬
zeichnen,^) der Kampf gegen das königlich neapolitanische Heer bei Capra am
1. Oktober 1860. Aber gerade hier bewies er einer numerisch bedeutend über¬
legenen regulären Armee gegeuüber, ebenso wie durch die von ihm ausgewählte
Defensivstellung am linken Voltnrnoufer, daß er auch größern Aufgaben gewachsen
sei. Nicht minder tritt uns sein strategisches Talent aus dem trefflich ange¬
legten und ausgeführten Manöver entgegen, durch welches es ihm möglich wurde,
sich im Juni desselben Jahres mit verhältnismäßig unbedeutenden Streitkräften
der Hauptstadt Siziliens zu bemächtigen. Wäre sein im wesentlichen mit dem
in der bekannten Usedomschen Note vom 17. Juni 1866 enthaltenen Kriegs-
Plaue der preußischen Militürleitnng übereinstimmendes Projekt zur Ausführung
gekommen, wonach der Hnuptangriff gegen Osterreich vom Po und nicht vom
Mineio ans erfolgen sollte, während er selbst (freilich in irrigen Vertrauen uns
einen Sieg der italienischen Flotte) eine Landung bei Trieft beabsichtigte, so
wäre den Italienern die Niederlage von Custozza vielleicht erspart geblieben.
Ebenso erkannte er 1870 mit klarem Blicke das gefahrvolle und verkehrte des
ihm zu spät bekannt gewordenen Gambettaschen Planes, dnrch den Vorstoß
Bvurbakis gegen Osten Paris entsetzen und Frankreich befreien zu wollen, und
"nßbilligte denselben aufs entschiedenste. Und wie schon im Jahre 1848 Feld-
Mnrschall d'Aspre mit Beziehung auf Garibaldi ausgerufen haben soll:^) „Ein
einziger Manu hätte Italien retten können, aber er wurde nicht verstanden!"
so sagt General Manteuffel in der Geschichte des deutsch-französischen Krieges
von 1370—1871 (Heft 20): „Allerdings waren die Erfolge des Generals mir
Partiell und hatten keine Resultate; aber Hütte General Vourbaki seinem Unke
gemäß operirt, so würde der Vogesenfcldzug der glücklichste für die französischen
Waffen in dem ganzen Kriege von 1870—1371 geworden sein."

So dürfen wir also schließlich wohl behaupten: Es hat Garibaldi nicht an den
Eigenschaften gefehlt, die den großen Feldherrn machen, wenn auch die Ungunst
der Umstände es ihm versagt hat, sich als solcher durch epochemachende Thaten
An bewähren.

Von dem Helden unzertrennlich erscheint in Garibaldi der Patriot. Er
hat dem Vaterlande alles geopfert: nicht nur Ruhe, Bequemlichkeit und An-




*) Gllerzoni ((Z-aribslä!, <U SiiTsoxxv (Z-norsoni. Piroino, Larbora, 1882. 2 Bände) zählt
sieben Schlachten auf, darunter sogar die Kämpfe vor Dijon vom 21. bis 23. Dezember
^7"; aber sei« Maßstab ist viel zu klein.
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[0325] Giuseppe "Garibaldi. die beweisende Kraft für seine Feldherrngröße abgesprochen, weil ihm kein eben¬ bürtiger Feind gegenübergestanden habe, so hat es ihm doch dabei nicht an Ge¬ legenheit gefehlt, ein strategisches wie taktisches Führertalent zu bewähren, um das ihn mancher wvhlgeschnlte General beneiden dürfte. Unter seinen vierzig bedeutenderen Zusammenstößen mit dein Feinde, von denen mehr als drei Viertel siegreich für ihn endeten, ist freilich nur eine wirkliche Feldschlacht zu ver¬ zeichnen,^) der Kampf gegen das königlich neapolitanische Heer bei Capra am 1. Oktober 1860. Aber gerade hier bewies er einer numerisch bedeutend über¬ legenen regulären Armee gegeuüber, ebenso wie durch die von ihm ausgewählte Defensivstellung am linken Voltnrnoufer, daß er auch größern Aufgaben gewachsen sei. Nicht minder tritt uns sein strategisches Talent aus dem trefflich ange¬ legten und ausgeführten Manöver entgegen, durch welches es ihm möglich wurde, sich im Juni desselben Jahres mit verhältnismäßig unbedeutenden Streitkräften der Hauptstadt Siziliens zu bemächtigen. Wäre sein im wesentlichen mit dem in der bekannten Usedomschen Note vom 17. Juni 1866 enthaltenen Kriegs- Plaue der preußischen Militürleitnng übereinstimmendes Projekt zur Ausführung gekommen, wonach der Hnuptangriff gegen Osterreich vom Po und nicht vom Mineio ans erfolgen sollte, während er selbst (freilich in irrigen Vertrauen uns einen Sieg der italienischen Flotte) eine Landung bei Trieft beabsichtigte, so wäre den Italienern die Niederlage von Custozza vielleicht erspart geblieben. Ebenso erkannte er 1870 mit klarem Blicke das gefahrvolle und verkehrte des ihm zu spät bekannt gewordenen Gambettaschen Planes, dnrch den Vorstoß Bvurbakis gegen Osten Paris entsetzen und Frankreich befreien zu wollen, und "nßbilligte denselben aufs entschiedenste. Und wie schon im Jahre 1848 Feld- Mnrschall d'Aspre mit Beziehung auf Garibaldi ausgerufen haben soll:^) „Ein einziger Manu hätte Italien retten können, aber er wurde nicht verstanden!" so sagt General Manteuffel in der Geschichte des deutsch-französischen Krieges von 1370—1871 (Heft 20): „Allerdings waren die Erfolge des Generals mir Partiell und hatten keine Resultate; aber Hütte General Vourbaki seinem Unke gemäß operirt, so würde der Vogesenfcldzug der glücklichste für die französischen Waffen in dem ganzen Kriege von 1870—1371 geworden sein." So dürfen wir also schließlich wohl behaupten: Es hat Garibaldi nicht an den Eigenschaften gefehlt, die den großen Feldherrn machen, wenn auch die Ungunst der Umstände es ihm versagt hat, sich als solcher durch epochemachende Thaten An bewähren. Von dem Helden unzertrennlich erscheint in Garibaldi der Patriot. Er hat dem Vaterlande alles geopfert: nicht nur Ruhe, Bequemlichkeit und An- *) Gllerzoni ((Z-aribslä!, <U SiiTsoxxv (Z-norsoni. Piroino, Larbora, 1882. 2 Bände) zählt sieben Schlachten auf, darunter sogar die Kämpfe vor Dijon vom 21. bis 23. Dezember ^7"; aber sei« Maßstab ist viel zu klein. Guerzoni a. a. O. II, S. «26. ^renzdoten IV. 1882. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/325>, abgerufen am 26.06.2024.