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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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der stärksten Versuchung gegenüber absolut unbestechlich blieb, wenn er endlich
als unbeschränkter Diktator einfach und schlicht verharrte in Wesen und Lebens¬
weise, mußte er da nicht alles Volk mit staunender Bewunderung erfüllen? Und
wenn er diesem Volke zugleich als ein "Retter der Menschheit" erschien, wenn
er bei jeder Gelegenheit die aufrichtigste, thatkräftigste Teilnahme für die Armen,
Schwachen und Unglücklichen, "die Enterbten des Volkes" zeigte, wenn er, sich
als ihren natürlichen Vertreter betrachtend, ihre Sache energisch den "oberen
Zehntausend" gegenüber vertrat, mußte er da nicht diesen an Härte, Hochmut
und Unterdrückung gewöhnten, unwissenden und abergläubischen Meuscheu gleich¬
sam ein neuer vom Himmel herabgekommener Heiland dünken? Und wenn er
blntbcspritzt mitten in der Hitze und Aufregung des Kampfes anch dem erbit¬
tertsten Feinde gegenüber nie hart und grausam erschien, wenn er nie seine edle
Menschlichkeit verleugnete, wie er einst in Amerika den Mann, der ihn kurze
Zeit vorher hatte grausam folteru lassen, als er in seine Hände fiel, sofort ohne
Lösegeld in Freiheit setzte, wenn er zugleich, wunderbar vom Glücke begünstigt,
mit den unscheinbarsten Mitteln fabelhafte Erfolge erzielte, war es da zu ver¬
wundern, daß er nicht bloß der blinden Menge, sondern auch denkenden und
verständigen Männern als ein gottbegnadeter Heros erschien, daß seine Thaten
in Flugblättern beschrieben, in Volksbildern illustrirt, in Liedern besungen wurden,
daß sein Bild in allen Hütten und Palästen zu finden war, daß der Hirt
der Abruzzen und calnbrischen Wälder vor demselben wie vor einem Heiligen¬
bilde kniete, daß die Sizilianer ihn zu einem Nachkommen der heiligen Rosalie,
der Schutzpatronin ihrer Hauptstadt, machten und ihm den Erzengel Michael
mit dem feurigen Schwerte zum Begleiter im Kampfgetümmel gaben?

Der Zug seines Wesens, durch deu Gnribaldi zunächst den Zeitgenossen
und zumal dem eignen Volke imponirte, und der anch in den Geschichtsbüchern
der Zukunft in erster Linie bei ihm hervortreten wird, ist sein Heldentum. Un¬
erschütterlicher Mut, tvdverachteude Kühnheit, feste Standhaftigkeit, zähe, aus¬
dauernde Kraft, rasche Behendigkeit des Körpers und des Geistes, Lust an kühnen,
schwierigen und gefahrvollen Unternehmungen, fester Glaube an den Erfolg, ja
eine merkwürdige Zuversicht auf seine eigne Unverwundbarkeit verbanden sich mit
wunderbarem Glücke, um den wahren Typus des Helden der Geschichte wie der
Sage in seiner Person zur Erscheinung zu bringen. Mitten im Getümmel der
Schlacht, wo die große Mehrzahl der Menschen, von kämpfenden Leidenschaften
ergriffen, den klaren und sichern Blick verliert, zeigte er nicht mir eine unzerstör¬
bare Kaltblütigkeit, sondern eine "olympische Heiterkeit," beherrschte mit dem
nchigen, scharfen Auge das Schlachtfeld und überschaute die wechselnden Phasen
des Kampfes. Stets bereit, die eigne Person einzusetzen, wo es darauf ankam,
die Seinen durch sein Beispiel zu rücksichtsloser Kühnheit anzuspornen, ließ er
sich doch nie von bloßer Kampflust fortreißen, wo dein obersten Führer andre
Pflichten oblagen.


der stärksten Versuchung gegenüber absolut unbestechlich blieb, wenn er endlich
als unbeschränkter Diktator einfach und schlicht verharrte in Wesen und Lebens¬
weise, mußte er da nicht alles Volk mit staunender Bewunderung erfüllen? Und
wenn er diesem Volke zugleich als ein „Retter der Menschheit" erschien, wenn
er bei jeder Gelegenheit die aufrichtigste, thatkräftigste Teilnahme für die Armen,
Schwachen und Unglücklichen, „die Enterbten des Volkes" zeigte, wenn er, sich
als ihren natürlichen Vertreter betrachtend, ihre Sache energisch den „oberen
Zehntausend" gegenüber vertrat, mußte er da nicht diesen an Härte, Hochmut
und Unterdrückung gewöhnten, unwissenden und abergläubischen Meuscheu gleich¬
sam ein neuer vom Himmel herabgekommener Heiland dünken? Und wenn er
blntbcspritzt mitten in der Hitze und Aufregung des Kampfes anch dem erbit¬
tertsten Feinde gegenüber nie hart und grausam erschien, wenn er nie seine edle
Menschlichkeit verleugnete, wie er einst in Amerika den Mann, der ihn kurze
Zeit vorher hatte grausam folteru lassen, als er in seine Hände fiel, sofort ohne
Lösegeld in Freiheit setzte, wenn er zugleich, wunderbar vom Glücke begünstigt,
mit den unscheinbarsten Mitteln fabelhafte Erfolge erzielte, war es da zu ver¬
wundern, daß er nicht bloß der blinden Menge, sondern auch denkenden und
verständigen Männern als ein gottbegnadeter Heros erschien, daß seine Thaten
in Flugblättern beschrieben, in Volksbildern illustrirt, in Liedern besungen wurden,
daß sein Bild in allen Hütten und Palästen zu finden war, daß der Hirt
der Abruzzen und calnbrischen Wälder vor demselben wie vor einem Heiligen¬
bilde kniete, daß die Sizilianer ihn zu einem Nachkommen der heiligen Rosalie,
der Schutzpatronin ihrer Hauptstadt, machten und ihm den Erzengel Michael
mit dem feurigen Schwerte zum Begleiter im Kampfgetümmel gaben?

Der Zug seines Wesens, durch deu Gnribaldi zunächst den Zeitgenossen
und zumal dem eignen Volke imponirte, und der anch in den Geschichtsbüchern
der Zukunft in erster Linie bei ihm hervortreten wird, ist sein Heldentum. Un¬
erschütterlicher Mut, tvdverachteude Kühnheit, feste Standhaftigkeit, zähe, aus¬
dauernde Kraft, rasche Behendigkeit des Körpers und des Geistes, Lust an kühnen,
schwierigen und gefahrvollen Unternehmungen, fester Glaube an den Erfolg, ja
eine merkwürdige Zuversicht auf seine eigne Unverwundbarkeit verbanden sich mit
wunderbarem Glücke, um den wahren Typus des Helden der Geschichte wie der
Sage in seiner Person zur Erscheinung zu bringen. Mitten im Getümmel der
Schlacht, wo die große Mehrzahl der Menschen, von kämpfenden Leidenschaften
ergriffen, den klaren und sichern Blick verliert, zeigte er nicht mir eine unzerstör¬
bare Kaltblütigkeit, sondern eine „olympische Heiterkeit," beherrschte mit dem
nchigen, scharfen Auge das Schlachtfeld und überschaute die wechselnden Phasen
des Kampfes. Stets bereit, die eigne Person einzusetzen, wo es darauf ankam,
die Seinen durch sein Beispiel zu rücksichtsloser Kühnheit anzuspornen, ließ er
sich doch nie von bloßer Kampflust fortreißen, wo dein obersten Führer andre
Pflichten oblagen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/323>, abgerufen am 26.06.2024.