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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Uniform der italienischen Legion, nach der Rückkehr in die Heimat 1854 wieder
die Schifferkleidnng oder einen langen, grauen, bis ans Knie zugeknöpften
Überrock.

In seiner Lebensweise bewahrte Garibaldi eine spartanische Einfachheit und
Mäßigkeit, selbst als er, zu Rang und Ehren gekommen, mit den Großen dieser
Welt auf gleichem Fuße verkehrte. Bis in sein Alter, wo ihm derselbe von
den Ärzten vorgeschrieben wurde, trank er fast nie Wein, noch weniger andre
Spirituosen, und erklärte das Wasser, das er mit feiner Zunge auf seine Reinheit
prüfte, für das köstlichste aller Getränke. Nicht eigentlich Vegetnrianer von
Prinzip, konnte er doch eine gewisse Abneigung gegen den Fleischgenuß, die
Wohl mit seiner philosophisch-religiösen Anschauung von der Wesensgleichheit der
Tierseele mit der des Menschen zusammenhing, nie ganz überwinden. Gemüse
und Früchte bildeten seine Hauptnahrung; er zog die Feige der Fcigcuschncpfe,
junge grüne Bohnen einer Rebhuhnpastete vor. Dagegen aß er Fische, die er
selbst bei Mondlicht an der Küste von Caprera mit Netz und Angel in Gesell¬
schaft seiner Söhne oder besuchender Freunde zu fangen liebte, vorzugsweise
gern. Wie seine Wohnung auf der einsamen Insel, die er zu seinem Sitze er¬
koren, die denkbar einfachste war, mehr eine roh aus Balken zusammengezimmerte
Hütte als ein Haus, so wählte er, selbst da er als Diktator des Südens die
Paläste des Königs von Neapel bewohnte, nie die Prunkgemächer derselben zum
Aufenthalte und schlief in einfach möblirter Kammer auf dem harten eisernen
Feldbette.

Mit Leidenschaft lag Garibaldi zumal in der spätern Zeit seines Lebeus
auf Caprern seinem "Berufe," dem Land- und Gartenbau ob. Mit unendlicher
Mühe und Arbeit entrang er dem spröden, undankbaren Felsboden das not¬
wendigste Getreide und die Früchte des Südens: die Traube, die Feige, den
Pfirsich, die Mandel und die ans der windgepeitschten Insel schlecht gedeihende
Drange. Dabei trieb er Viehzucht in bedeutendem Umfange, schon um den für
den unfruchtbaren Boden unentbehrlichen Dünger zu beschaffen, und legte Tauben¬
schläge und Bienenhäuser an. Von England ließ er sich Ackerbaumaschinen
kommen, zog Abzugsgräben und Kanäle und führte eine rationellere Bodenkultur
ein, als sie in jenem Teile Italiens gebräuchlich ist. Freilich gelang es ihm
nicht, wie er sich vorgesetzt, sein Palaos in ein kleines Paradies umzuschaffen.
Die Ungunst der Umstände war zu groß; statt zum wohlhabenden Landwirte
zu werden, setzte er allmählich seine kleine Habe zu und kam endlich so weit,
daß, hätte nicht das dankbare Vaterland seinem Helden kräftig unter die Arme
gegriffen und ihm eine freilich erst nach langem Widerstreben angenommene
Dotation von 100 000 Lire jährlich ausgesetzt (1875), sein Bankerott unver¬
meidlich gewesen sein würde.

Wenn schlechtes Wetter ihn an der Arbeit im Freien verhinderte, oder
wenn die Winterstürme um seine einsame Wohnung heulten, liebte er lauge,


Uniform der italienischen Legion, nach der Rückkehr in die Heimat 1854 wieder
die Schifferkleidnng oder einen langen, grauen, bis ans Knie zugeknöpften
Überrock.

In seiner Lebensweise bewahrte Garibaldi eine spartanische Einfachheit und
Mäßigkeit, selbst als er, zu Rang und Ehren gekommen, mit den Großen dieser
Welt auf gleichem Fuße verkehrte. Bis in sein Alter, wo ihm derselbe von
den Ärzten vorgeschrieben wurde, trank er fast nie Wein, noch weniger andre
Spirituosen, und erklärte das Wasser, das er mit feiner Zunge auf seine Reinheit
prüfte, für das köstlichste aller Getränke. Nicht eigentlich Vegetnrianer von
Prinzip, konnte er doch eine gewisse Abneigung gegen den Fleischgenuß, die
Wohl mit seiner philosophisch-religiösen Anschauung von der Wesensgleichheit der
Tierseele mit der des Menschen zusammenhing, nie ganz überwinden. Gemüse
und Früchte bildeten seine Hauptnahrung; er zog die Feige der Fcigcuschncpfe,
junge grüne Bohnen einer Rebhuhnpastete vor. Dagegen aß er Fische, die er
selbst bei Mondlicht an der Küste von Caprera mit Netz und Angel in Gesell¬
schaft seiner Söhne oder besuchender Freunde zu fangen liebte, vorzugsweise
gern. Wie seine Wohnung auf der einsamen Insel, die er zu seinem Sitze er¬
koren, die denkbar einfachste war, mehr eine roh aus Balken zusammengezimmerte
Hütte als ein Haus, so wählte er, selbst da er als Diktator des Südens die
Paläste des Königs von Neapel bewohnte, nie die Prunkgemächer derselben zum
Aufenthalte und schlief in einfach möblirter Kammer auf dem harten eisernen
Feldbette.

Mit Leidenschaft lag Garibaldi zumal in der spätern Zeit seines Lebeus
auf Caprern seinem „Berufe," dem Land- und Gartenbau ob. Mit unendlicher
Mühe und Arbeit entrang er dem spröden, undankbaren Felsboden das not¬
wendigste Getreide und die Früchte des Südens: die Traube, die Feige, den
Pfirsich, die Mandel und die ans der windgepeitschten Insel schlecht gedeihende
Drange. Dabei trieb er Viehzucht in bedeutendem Umfange, schon um den für
den unfruchtbaren Boden unentbehrlichen Dünger zu beschaffen, und legte Tauben¬
schläge und Bienenhäuser an. Von England ließ er sich Ackerbaumaschinen
kommen, zog Abzugsgräben und Kanäle und führte eine rationellere Bodenkultur
ein, als sie in jenem Teile Italiens gebräuchlich ist. Freilich gelang es ihm
nicht, wie er sich vorgesetzt, sein Palaos in ein kleines Paradies umzuschaffen.
Die Ungunst der Umstände war zu groß; statt zum wohlhabenden Landwirte
zu werden, setzte er allmählich seine kleine Habe zu und kam endlich so weit,
daß, hätte nicht das dankbare Vaterland seinem Helden kräftig unter die Arme
gegriffen und ihm eine freilich erst nach langem Widerstreben angenommene
Dotation von 100 000 Lire jährlich ausgesetzt (1875), sein Bankerott unver¬
meidlich gewesen sein würde.

Wenn schlechtes Wetter ihn an der Arbeit im Freien verhinderte, oder
wenn die Winterstürme um seine einsame Wohnung heulten, liebte er lauge,


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[0319] Uniform der italienischen Legion, nach der Rückkehr in die Heimat 1854 wieder die Schifferkleidnng oder einen langen, grauen, bis ans Knie zugeknöpften Überrock. In seiner Lebensweise bewahrte Garibaldi eine spartanische Einfachheit und Mäßigkeit, selbst als er, zu Rang und Ehren gekommen, mit den Großen dieser Welt auf gleichem Fuße verkehrte. Bis in sein Alter, wo ihm derselbe von den Ärzten vorgeschrieben wurde, trank er fast nie Wein, noch weniger andre Spirituosen, und erklärte das Wasser, das er mit feiner Zunge auf seine Reinheit prüfte, für das köstlichste aller Getränke. Nicht eigentlich Vegetnrianer von Prinzip, konnte er doch eine gewisse Abneigung gegen den Fleischgenuß, die Wohl mit seiner philosophisch-religiösen Anschauung von der Wesensgleichheit der Tierseele mit der des Menschen zusammenhing, nie ganz überwinden. Gemüse und Früchte bildeten seine Hauptnahrung; er zog die Feige der Fcigcuschncpfe, junge grüne Bohnen einer Rebhuhnpastete vor. Dagegen aß er Fische, die er selbst bei Mondlicht an der Küste von Caprera mit Netz und Angel in Gesell¬ schaft seiner Söhne oder besuchender Freunde zu fangen liebte, vorzugsweise gern. Wie seine Wohnung auf der einsamen Insel, die er zu seinem Sitze er¬ koren, die denkbar einfachste war, mehr eine roh aus Balken zusammengezimmerte Hütte als ein Haus, so wählte er, selbst da er als Diktator des Südens die Paläste des Königs von Neapel bewohnte, nie die Prunkgemächer derselben zum Aufenthalte und schlief in einfach möblirter Kammer auf dem harten eisernen Feldbette. Mit Leidenschaft lag Garibaldi zumal in der spätern Zeit seines Lebeus auf Caprern seinem „Berufe," dem Land- und Gartenbau ob. Mit unendlicher Mühe und Arbeit entrang er dem spröden, undankbaren Felsboden das not¬ wendigste Getreide und die Früchte des Südens: die Traube, die Feige, den Pfirsich, die Mandel und die ans der windgepeitschten Insel schlecht gedeihende Drange. Dabei trieb er Viehzucht in bedeutendem Umfange, schon um den für den unfruchtbaren Boden unentbehrlichen Dünger zu beschaffen, und legte Tauben¬ schläge und Bienenhäuser an. Von England ließ er sich Ackerbaumaschinen kommen, zog Abzugsgräben und Kanäle und führte eine rationellere Bodenkultur ein, als sie in jenem Teile Italiens gebräuchlich ist. Freilich gelang es ihm nicht, wie er sich vorgesetzt, sein Palaos in ein kleines Paradies umzuschaffen. Die Ungunst der Umstände war zu groß; statt zum wohlhabenden Landwirte zu werden, setzte er allmählich seine kleine Habe zu und kam endlich so weit, daß, hätte nicht das dankbare Vaterland seinem Helden kräftig unter die Arme gegriffen und ihm eine freilich erst nach langem Widerstreben angenommene Dotation von 100 000 Lire jährlich ausgesetzt (1875), sein Bankerott unver¬ meidlich gewesen sein würde. Wenn schlechtes Wetter ihn an der Arbeit im Freien verhinderte, oder wenn die Winterstürme um seine einsame Wohnung heulten, liebte er lauge,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/319>, abgerufen am 26.06.2024.