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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Giuseppe Garibaldi.

Von kaum mittlerer Statur, starkknochig, untersetzt, mit breiten, mächtigen
Schultern, mit leicht von innen nach außen gekrümmten Beinen, war Giuseppe
Garibaldi kein schön und symmetrisch gebauter Mann, aber ein Bild in sich
gefesteter und ausdauernder Kraft, Der fast über Verhältnis große, aber wohl¬
geformte Kopf zeigte ein Gesicht von antikem Schnitt mit kleiner, gerade herab¬
steigender Nase, hochgewölbter Stirn und blauen, nicht großen, aber ausdrucks-
vollen, blitzenden Augen, kräftig gesunder Farbe, in der Jugend rötlichein, aber
früh ergrautem Haupt- und Barthaare. Der Ausdruck dieses Gesichtes war
offen und edel; in ruhigen Augenblicken lagerte ein milder, freundlicher Ernst
auf seinen Zügen,, deu schön geschnittenen Mund umspielte meist ein gewinnendes
Lächeln. Auf seinem Antlitz und in seinem Wesen ruhte ein Zunder, der die Herzen
im Sturm eroberte. Im Getümmel der Schlacht, im Drange der Gefahr wurden
die Augen nur feuriger, die Miene ernster, der Mund schloß sich fester: aber
nicht einen Augenblick entstellte die Leidenschaft seine Züge, nicht ein einzigesmal
flog ein krampfhaftes Zucken über sein Gesicht.

Seine Stimme war metallreich, kräftig und weittönend, sein Gang, solange
nicht das überhandnehmende Gichtleiden seine Glieder gelähmt hatte, fest und
elastisch. Mit ungewöhnlich großer Muskelkraft verband sein sehniger Körper
außerordentliche Naschheit und Behendigkeit. Ju allen seinen Bewegungen lag
eine natürliche Anmut; ein angeborner Takt, zu Kraft und Geschmeidigkeit sich
gesellend, gab dem Seemaue aus dem untern Mittelstande die Haltung und das
Auftreten eines Gentleman. Im Reiten, Springen, Fechten, Schießen hatte er
es ohne allen fremden Unterricht zu seltner Meisterschaft gebracht. Dem raschen
und unermüdlichen Schwimmer that es keiner zuvor; sagte er doch selbst von
sich: "Ich glaube, ich bin als Amphibie geboren."

Im Unterschiede von vielen seiner Landsleute und frühern Standesgenossen
befleißigte sich Garibaldi stets der skrupulösesten Reinlichkeit und pflegte Haare,
Zähne und Nägel mit einer Aufmerksamkeit, wie sie zumal bei einem Seemanne
und einem Abenteurer in der Wildnis nicht häufig sein dürfte. Waren seine
Kleider in bösen Zeiten oft abgetragen und vielfach mit bunten Flicken besetzt:
sie zeigten keinen Flecken. Wir sind gewohnt, ihn uns in der malerischen Tracht
mit der roten, grüngesänmten Tunica (später dem roten Hemde), über der der
weiße Poncho flatterte, die grauen Beinkleider in deu hohen Stiefeln,- auf dem
Kopfe den breitrandigen Calabreser und wallender Straußfeder vorzustellen; aber
in dieser Tracht finden wir ihn vor 1860 uur während er im Sommer 1343
in der Lombardei und wieder im Frühling des folgenden Jahres als General
der römischen Republik im Felde stand. Beständig trug er sie erst, nachdem
er die sardinische Generalsuniform aus Zorn über die Abtretung Nizzas an
Frankreich abgelegt hatte, von seinem berühmten Zuge uach Sizilien im Ma
1860 an. In seiner Jugend trug er die Seemanusjacke, in Amerika oft dre
Tracht des argentinischen Lnndmcmnes, des Gaucho, oder die grün-weiß-rote


Giuseppe Garibaldi.

Von kaum mittlerer Statur, starkknochig, untersetzt, mit breiten, mächtigen
Schultern, mit leicht von innen nach außen gekrümmten Beinen, war Giuseppe
Garibaldi kein schön und symmetrisch gebauter Mann, aber ein Bild in sich
gefesteter und ausdauernder Kraft, Der fast über Verhältnis große, aber wohl¬
geformte Kopf zeigte ein Gesicht von antikem Schnitt mit kleiner, gerade herab¬
steigender Nase, hochgewölbter Stirn und blauen, nicht großen, aber ausdrucks-
vollen, blitzenden Augen, kräftig gesunder Farbe, in der Jugend rötlichein, aber
früh ergrautem Haupt- und Barthaare. Der Ausdruck dieses Gesichtes war
offen und edel; in ruhigen Augenblicken lagerte ein milder, freundlicher Ernst
auf seinen Zügen,, deu schön geschnittenen Mund umspielte meist ein gewinnendes
Lächeln. Auf seinem Antlitz und in seinem Wesen ruhte ein Zunder, der die Herzen
im Sturm eroberte. Im Getümmel der Schlacht, im Drange der Gefahr wurden
die Augen nur feuriger, die Miene ernster, der Mund schloß sich fester: aber
nicht einen Augenblick entstellte die Leidenschaft seine Züge, nicht ein einzigesmal
flog ein krampfhaftes Zucken über sein Gesicht.

Seine Stimme war metallreich, kräftig und weittönend, sein Gang, solange
nicht das überhandnehmende Gichtleiden seine Glieder gelähmt hatte, fest und
elastisch. Mit ungewöhnlich großer Muskelkraft verband sein sehniger Körper
außerordentliche Naschheit und Behendigkeit. Ju allen seinen Bewegungen lag
eine natürliche Anmut; ein angeborner Takt, zu Kraft und Geschmeidigkeit sich
gesellend, gab dem Seemaue aus dem untern Mittelstande die Haltung und das
Auftreten eines Gentleman. Im Reiten, Springen, Fechten, Schießen hatte er
es ohne allen fremden Unterricht zu seltner Meisterschaft gebracht. Dem raschen
und unermüdlichen Schwimmer that es keiner zuvor; sagte er doch selbst von
sich: „Ich glaube, ich bin als Amphibie geboren."

Im Unterschiede von vielen seiner Landsleute und frühern Standesgenossen
befleißigte sich Garibaldi stets der skrupulösesten Reinlichkeit und pflegte Haare,
Zähne und Nägel mit einer Aufmerksamkeit, wie sie zumal bei einem Seemanne
und einem Abenteurer in der Wildnis nicht häufig sein dürfte. Waren seine
Kleider in bösen Zeiten oft abgetragen und vielfach mit bunten Flicken besetzt:
sie zeigten keinen Flecken. Wir sind gewohnt, ihn uns in der malerischen Tracht
mit der roten, grüngesänmten Tunica (später dem roten Hemde), über der der
weiße Poncho flatterte, die grauen Beinkleider in deu hohen Stiefeln,- auf dem
Kopfe den breitrandigen Calabreser und wallender Straußfeder vorzustellen; aber
in dieser Tracht finden wir ihn vor 1860 uur während er im Sommer 1343
in der Lombardei und wieder im Frühling des folgenden Jahres als General
der römischen Republik im Felde stand. Beständig trug er sie erst, nachdem
er die sardinische Generalsuniform aus Zorn über die Abtretung Nizzas an
Frankreich abgelegt hatte, von seinem berühmten Zuge uach Sizilien im Ma
1860 an. In seiner Jugend trug er die Seemanusjacke, in Amerika oft dre
Tracht des argentinischen Lnndmcmnes, des Gaucho, oder die grün-weiß-rote


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[0318] Giuseppe Garibaldi. Von kaum mittlerer Statur, starkknochig, untersetzt, mit breiten, mächtigen Schultern, mit leicht von innen nach außen gekrümmten Beinen, war Giuseppe Garibaldi kein schön und symmetrisch gebauter Mann, aber ein Bild in sich gefesteter und ausdauernder Kraft, Der fast über Verhältnis große, aber wohl¬ geformte Kopf zeigte ein Gesicht von antikem Schnitt mit kleiner, gerade herab¬ steigender Nase, hochgewölbter Stirn und blauen, nicht großen, aber ausdrucks- vollen, blitzenden Augen, kräftig gesunder Farbe, in der Jugend rötlichein, aber früh ergrautem Haupt- und Barthaare. Der Ausdruck dieses Gesichtes war offen und edel; in ruhigen Augenblicken lagerte ein milder, freundlicher Ernst auf seinen Zügen,, deu schön geschnittenen Mund umspielte meist ein gewinnendes Lächeln. Auf seinem Antlitz und in seinem Wesen ruhte ein Zunder, der die Herzen im Sturm eroberte. Im Getümmel der Schlacht, im Drange der Gefahr wurden die Augen nur feuriger, die Miene ernster, der Mund schloß sich fester: aber nicht einen Augenblick entstellte die Leidenschaft seine Züge, nicht ein einzigesmal flog ein krampfhaftes Zucken über sein Gesicht. Seine Stimme war metallreich, kräftig und weittönend, sein Gang, solange nicht das überhandnehmende Gichtleiden seine Glieder gelähmt hatte, fest und elastisch. Mit ungewöhnlich großer Muskelkraft verband sein sehniger Körper außerordentliche Naschheit und Behendigkeit. Ju allen seinen Bewegungen lag eine natürliche Anmut; ein angeborner Takt, zu Kraft und Geschmeidigkeit sich gesellend, gab dem Seemaue aus dem untern Mittelstande die Haltung und das Auftreten eines Gentleman. Im Reiten, Springen, Fechten, Schießen hatte er es ohne allen fremden Unterricht zu seltner Meisterschaft gebracht. Dem raschen und unermüdlichen Schwimmer that es keiner zuvor; sagte er doch selbst von sich: „Ich glaube, ich bin als Amphibie geboren." Im Unterschiede von vielen seiner Landsleute und frühern Standesgenossen befleißigte sich Garibaldi stets der skrupulösesten Reinlichkeit und pflegte Haare, Zähne und Nägel mit einer Aufmerksamkeit, wie sie zumal bei einem Seemanne und einem Abenteurer in der Wildnis nicht häufig sein dürfte. Waren seine Kleider in bösen Zeiten oft abgetragen und vielfach mit bunten Flicken besetzt: sie zeigten keinen Flecken. Wir sind gewohnt, ihn uns in der malerischen Tracht mit der roten, grüngesänmten Tunica (später dem roten Hemde), über der der weiße Poncho flatterte, die grauen Beinkleider in deu hohen Stiefeln,- auf dem Kopfe den breitrandigen Calabreser und wallender Straußfeder vorzustellen; aber in dieser Tracht finden wir ihn vor 1860 uur während er im Sommer 1343 in der Lombardei und wieder im Frühling des folgenden Jahres als General der römischen Republik im Felde stand. Beständig trug er sie erst, nachdem er die sardinische Generalsuniform aus Zorn über die Abtretung Nizzas an Frankreich abgelegt hatte, von seinem berühmten Zuge uach Sizilien im Ma 1860 an. In seiner Jugend trug er die Seemanusjacke, in Amerika oft dre Tracht des argentinischen Lnndmcmnes, des Gaucho, oder die grün-weiß-rote

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/318>, abgerufen am 26.06.2024.