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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Literatur.

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Zeit. Ein ivolilgeiiieinter und rechtzeitiger Bknhnruf an das deutsche Judentum von
Al. Acanrer. Zweite Auflage. Weinheini, Fr. Ackermann, 188^.

Wir könnten unser Arten über diese Broschüre, beziehentlich den Verfasser
derselben, in zwei Worte fassen: Ein guter Mann, aber ein um so schlechterer
Musikant, Jedenfalls versteht er von der Materie, über welche er schreiben will,
nichts und wird -- nach menschlichem Ermessen -- davon eines nie etwas
verstehen lernen. Wer also etwa etwas neues über das ,, Börsenraubrittertum "
in der Broschüre stichelt wollte, könnte sich nur Enttäuschung holen. Davon findet
sich überhaupt im ganzen Heftchen nicht das mindeste. "Lesefrüchte" könnte man
im besten Falle sagen, und diese sind dann zu einem sonderbaren Ochsenmaulsalat
znsamiueiigerührt, ohne daß jedoch das pikante Gewürz dazu gethan wäre. Die
Vorschläge zur Beseitigung des Börsenschwindels sind in ihrer Naivetät geradezu
verblüffend. Der Verfasser verlangt allen Ernstes, daß die Börsenjobber einen
"internationalen Börsenrefvrniverein" zur Bekämpfung des Börsenschwindels bilden
sollen und appellirt an ihr sittliches Bewußtsein; er meint, daß seine Erörterungen
dazu beitragen werden, "der Börseuwelt den Stnar zu stechen, denn sicherlich giebt
eS in ihren Reihen viele Individuen, die gar keine Ahnung davon haben, wie sehr
gemeinschädlich, unsittlich und verächtlich ihr täglicher Tummelplatz ist!" Ein guter
Manu also ist der Verfasser unstreitig, aber seinem Stoff ist er nicht gewachsen,
das beweisen auch in stilistischer Hinsicht viele Sätze wie folgender: "Jede unsitt¬
liche Ausübung der persönlichen Freiheit ist als solche ans Unkosten ihrer Mit¬
menschen thätig"! Klare ökonomische oder sozialpolitische Begriffe wird man nach
solcher Probe in der Broschüre sicher nicht mehr suchen.




Von Herrn Professor Hildebrand sind uns soeben folgende Zeilen zum
Abdruck zugegangen:

Den Lesern des mich betreffenden Aufsatzes in der vorigen Nummer dieses
Blattes, die mich nicht keimen, glaube ich die Erklärung schuldig zu sein (die
übrigens die Redaktion schon abgegeben hat), daß ich jenen Aufsatz in keiner
Weise veranlaßt, beeinflußt oder gewünscht habe, ja daß ich ihn bei aller Wohl-
meinenden für mich, die daraus spricht, herzlich bedaure. Daß bei einem ge¬
meinsamen Werke von solcher Größe unter den beteiligten Kräften Reibungen
vorkommen, ist ja uach menschlichen Lebensgesetzen unvermeidlich, daß aber der
Geist der Gemeinsamkeit und Eintracht daneben oder darüber walten bleibe,
dafür wird möglichst gesorgt. Sind doch alle wir Beteiligten für unser Thu"
und Lassen dabei eigentlich der Nation selbst verantwortlich auf Jahrhunderte
hinaus.


Prof. R. Hildebrand.


Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Mnrquart in Rendait^LeiMg-
Literatur.

Das B ö r s e n - N n u b i i t t e r t it in in V e r b indii n g in it de in Al n l i s e ni i i e n t u >n u »so r e r
Zeit. Ein ivolilgeiiieinter und rechtzeitiger Bknhnruf an das deutsche Judentum von
Al. Acanrer. Zweite Auflage. Weinheini, Fr. Ackermann, 188^.

Wir könnten unser Arten über diese Broschüre, beziehentlich den Verfasser
derselben, in zwei Worte fassen: Ein guter Mann, aber ein um so schlechterer
Musikant, Jedenfalls versteht er von der Materie, über welche er schreiben will,
nichts und wird — nach menschlichem Ermessen — davon eines nie etwas
verstehen lernen. Wer also etwa etwas neues über das ,, Börsenraubrittertum "
in der Broschüre stichelt wollte, könnte sich nur Enttäuschung holen. Davon findet
sich überhaupt im ganzen Heftchen nicht das mindeste. „Lesefrüchte" könnte man
im besten Falle sagen, und diese sind dann zu einem sonderbaren Ochsenmaulsalat
znsamiueiigerührt, ohne daß jedoch das pikante Gewürz dazu gethan wäre. Die
Vorschläge zur Beseitigung des Börsenschwindels sind in ihrer Naivetät geradezu
verblüffend. Der Verfasser verlangt allen Ernstes, daß die Börsenjobber einen
„internationalen Börsenrefvrniverein" zur Bekämpfung des Börsenschwindels bilden
sollen und appellirt an ihr sittliches Bewußtsein; er meint, daß seine Erörterungen
dazu beitragen werden, „der Börseuwelt den Stnar zu stechen, denn sicherlich giebt
eS in ihren Reihen viele Individuen, die gar keine Ahnung davon haben, wie sehr
gemeinschädlich, unsittlich und verächtlich ihr täglicher Tummelplatz ist!" Ein guter
Manu also ist der Verfasser unstreitig, aber seinem Stoff ist er nicht gewachsen,
das beweisen auch in stilistischer Hinsicht viele Sätze wie folgender: „Jede unsitt¬
liche Ausübung der persönlichen Freiheit ist als solche ans Unkosten ihrer Mit¬
menschen thätig"! Klare ökonomische oder sozialpolitische Begriffe wird man nach
solcher Probe in der Broschüre sicher nicht mehr suchen.




Von Herrn Professor Hildebrand sind uns soeben folgende Zeilen zum
Abdruck zugegangen:

Den Lesern des mich betreffenden Aufsatzes in der vorigen Nummer dieses
Blattes, die mich nicht keimen, glaube ich die Erklärung schuldig zu sein (die
übrigens die Redaktion schon abgegeben hat), daß ich jenen Aufsatz in keiner
Weise veranlaßt, beeinflußt oder gewünscht habe, ja daß ich ihn bei aller Wohl-
meinenden für mich, die daraus spricht, herzlich bedaure. Daß bei einem ge¬
meinsamen Werke von solcher Größe unter den beteiligten Kräften Reibungen
vorkommen, ist ja uach menschlichen Lebensgesetzen unvermeidlich, daß aber der
Geist der Gemeinsamkeit und Eintracht daneben oder darüber walten bleibe,
dafür wird möglichst gesorgt. Sind doch alle wir Beteiligten für unser Thu»
und Lassen dabei eigentlich der Nation selbst verantwortlich auf Jahrhunderte
hinaus.


Prof. R. Hildebrand.


Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Mnrquart in Rendait^LeiMg-
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[0316] Literatur. Das B ö r s e n - N n u b i i t t e r t it in in V e r b indii n g in it de in Al n l i s e ni i i e n t u >n u »so r e r Zeit. Ein ivolilgeiiieinter und rechtzeitiger Bknhnruf an das deutsche Judentum von Al. Acanrer. Zweite Auflage. Weinheini, Fr. Ackermann, 188^. Wir könnten unser Arten über diese Broschüre, beziehentlich den Verfasser derselben, in zwei Worte fassen: Ein guter Mann, aber ein um so schlechterer Musikant, Jedenfalls versteht er von der Materie, über welche er schreiben will, nichts und wird — nach menschlichem Ermessen — davon eines nie etwas verstehen lernen. Wer also etwa etwas neues über das ,, Börsenraubrittertum " in der Broschüre stichelt wollte, könnte sich nur Enttäuschung holen. Davon findet sich überhaupt im ganzen Heftchen nicht das mindeste. „Lesefrüchte" könnte man im besten Falle sagen, und diese sind dann zu einem sonderbaren Ochsenmaulsalat znsamiueiigerührt, ohne daß jedoch das pikante Gewürz dazu gethan wäre. Die Vorschläge zur Beseitigung des Börsenschwindels sind in ihrer Naivetät geradezu verblüffend. Der Verfasser verlangt allen Ernstes, daß die Börsenjobber einen „internationalen Börsenrefvrniverein" zur Bekämpfung des Börsenschwindels bilden sollen und appellirt an ihr sittliches Bewußtsein; er meint, daß seine Erörterungen dazu beitragen werden, „der Börseuwelt den Stnar zu stechen, denn sicherlich giebt eS in ihren Reihen viele Individuen, die gar keine Ahnung davon haben, wie sehr gemeinschädlich, unsittlich und verächtlich ihr täglicher Tummelplatz ist!" Ein guter Manu also ist der Verfasser unstreitig, aber seinem Stoff ist er nicht gewachsen, das beweisen auch in stilistischer Hinsicht viele Sätze wie folgender: „Jede unsitt¬ liche Ausübung der persönlichen Freiheit ist als solche ans Unkosten ihrer Mit¬ menschen thätig"! Klare ökonomische oder sozialpolitische Begriffe wird man nach solcher Probe in der Broschüre sicher nicht mehr suchen. Von Herrn Professor Hildebrand sind uns soeben folgende Zeilen zum Abdruck zugegangen: Den Lesern des mich betreffenden Aufsatzes in der vorigen Nummer dieses Blattes, die mich nicht keimen, glaube ich die Erklärung schuldig zu sein (die übrigens die Redaktion schon abgegeben hat), daß ich jenen Aufsatz in keiner Weise veranlaßt, beeinflußt oder gewünscht habe, ja daß ich ihn bei aller Wohl- meinenden für mich, die daraus spricht, herzlich bedaure. Daß bei einem ge¬ meinsamen Werke von solcher Größe unter den beteiligten Kräften Reibungen vorkommen, ist ja uach menschlichen Lebensgesetzen unvermeidlich, daß aber der Geist der Gemeinsamkeit und Eintracht daneben oder darüber walten bleibe, dafür wird möglichst gesorgt. Sind doch alle wir Beteiligten für unser Thu» und Lassen dabei eigentlich der Nation selbst verantwortlich auf Jahrhunderte hinaus. Prof. R. Hildebrand. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Mnrquart in Rendait^LeiMg-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/316>, abgerufen am 26.06.2024.