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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Der jüngste Tag.

vielleicht auch für Tage, wo sie alt und krank und müde und verwelkt sein wird.
Nehme" Sie sie für alle Fälle, die Gott kommen lassen kann?

Für alle Fälle, antwortete August feierlich und demütig.

Und Julia ihrerseits konnte die Fragen nur mit Veugeu des Kopfes be¬
antworten, denn eine Thräne nach der andern floß ihr an den Wangen herunter.
Und dünn kam der Segen. Der gvtterfüllte alte Manu streckte voll herzlicher
Teilnahme seiue zitternden Hände mit apostolischer Feierlichkeit über die Häupter
der beiden aus und sagte langsam, mit feierlichen Pansen, wie die Worte ans
seiner Seele aufquollen: Der Friede Gottes, der liber alles Verständnis geht
(hier schmolz seine Stimme in Rührung zusammen) -- bewahre eure Herzen --
und Gemüter -- in der Erkenntnis und Liebe Gottes. Und nun -- möge,,
Gnade -- Barmherzigkeit -- und Friede vou Gott dem Vater -- und unserm
Herrn Jesus Christus -- mit euch sein immerdar. Amen! Und Julia sah
mit ihrem innern Auge den Geist Gottes wie eine Taube in ihr Herz heruieder-
schwebeu, und das große Mysterium der Liebe der Gattin schien mit dem andern
großen Mysterium der Liebe zu Gott in ihrer Seele zusammeuzufließeu. Und
der ruhigere Geist Augusts war erfüllt von tiefem Frieden.

Sie verließen bald darauf die Burg, um uach dein Himmelfahrtsberge
zurückzukehren, aber sie gingen langsam und zuerst schweigend über den dazwischen¬
liegenden Hügel, der ihnen einen Ausblick aus deu Ohiofluß gewährte, wie er
>n unbeschreiblicher stiller Schönheit im Mondlichte schlief.

Da hörten sie plötzlich die melodische Stimme des alten Vorsitzenden Ältesten,
der eine kleine Strecke von ihnen die Straße heraufgeritten kam und die hoffnungs¬
reichen Lieder sang, die er so innig liebte. Die tiefe und kräftige Stimme ließ
die Wälder vou einem der Verse der Hymne erschallen:

Ilnd dann brach er aus in Watts Vers:

Das Singen des wackern alten Mannes schien in einem gewisse-, Einklange
nut dem tiefen Frieden zu stehen, der ans der Landschaft lag. Bald war er
Aur letzte" Strophe gelaugt und saug in Tönen gedämpfte.,, aber verzückten
Triumphes:

August, sagte Julia leise, als wäre sie besorgt, eil, so seliges Schweigen
?M brechen, August, mir ist, als ob der Himmel und der Strom und die dazu-
"^rüden Höhe,, und meine eigne Seele ganz gleich gestimmt wären, so voll von
Muck und Frieden als nur möglich.


Der jüngste Tag.

vielleicht auch für Tage, wo sie alt und krank und müde und verwelkt sein wird.
Nehme» Sie sie für alle Fälle, die Gott kommen lassen kann?

Für alle Fälle, antwortete August feierlich und demütig.

Und Julia ihrerseits konnte die Fragen nur mit Veugeu des Kopfes be¬
antworten, denn eine Thräne nach der andern floß ihr an den Wangen herunter.
Und dünn kam der Segen. Der gvtterfüllte alte Manu streckte voll herzlicher
Teilnahme seiue zitternden Hände mit apostolischer Feierlichkeit über die Häupter
der beiden aus und sagte langsam, mit feierlichen Pansen, wie die Worte ans
seiner Seele aufquollen: Der Friede Gottes, der liber alles Verständnis geht
(hier schmolz seine Stimme in Rührung zusammen) — bewahre eure Herzen —
und Gemüter — in der Erkenntnis und Liebe Gottes. Und nun — möge,,
Gnade — Barmherzigkeit — und Friede vou Gott dem Vater — und unserm
Herrn Jesus Christus — mit euch sein immerdar. Amen! Und Julia sah
mit ihrem innern Auge den Geist Gottes wie eine Taube in ihr Herz heruieder-
schwebeu, und das große Mysterium der Liebe der Gattin schien mit dem andern
großen Mysterium der Liebe zu Gott in ihrer Seele zusammeuzufließeu. Und
der ruhigere Geist Augusts war erfüllt von tiefem Frieden.

Sie verließen bald darauf die Burg, um uach dein Himmelfahrtsberge
zurückzukehren, aber sie gingen langsam und zuerst schweigend über den dazwischen¬
liegenden Hügel, der ihnen einen Ausblick aus deu Ohiofluß gewährte, wie er
>n unbeschreiblicher stiller Schönheit im Mondlichte schlief.

Da hörten sie plötzlich die melodische Stimme des alten Vorsitzenden Ältesten,
der eine kleine Strecke von ihnen die Straße heraufgeritten kam und die hoffnungs¬
reichen Lieder sang, die er so innig liebte. Die tiefe und kräftige Stimme ließ
die Wälder vou einem der Verse der Hymne erschallen:

Ilnd dann brach er aus in Watts Vers:

Das Singen des wackern alten Mannes schien in einem gewisse-, Einklange
nut dem tiefen Frieden zu stehen, der ans der Landschaft lag. Bald war er
Aur letzte» Strophe gelaugt und saug in Tönen gedämpfte.,, aber verzückten
Triumphes:

August, sagte Julia leise, als wäre sie besorgt, eil, so seliges Schweigen
?M brechen, August, mir ist, als ob der Himmel und der Strom und die dazu-
"^rüden Höhe,, und meine eigne Seele ganz gleich gestimmt wären, so voll von
Muck und Frieden als nur möglich.


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[0311] Der jüngste Tag. vielleicht auch für Tage, wo sie alt und krank und müde und verwelkt sein wird. Nehme» Sie sie für alle Fälle, die Gott kommen lassen kann? Für alle Fälle, antwortete August feierlich und demütig. Und Julia ihrerseits konnte die Fragen nur mit Veugeu des Kopfes be¬ antworten, denn eine Thräne nach der andern floß ihr an den Wangen herunter. Und dünn kam der Segen. Der gvtterfüllte alte Manu streckte voll herzlicher Teilnahme seiue zitternden Hände mit apostolischer Feierlichkeit über die Häupter der beiden aus und sagte langsam, mit feierlichen Pansen, wie die Worte ans seiner Seele aufquollen: Der Friede Gottes, der liber alles Verständnis geht (hier schmolz seine Stimme in Rührung zusammen) — bewahre eure Herzen — und Gemüter — in der Erkenntnis und Liebe Gottes. Und nun — möge,, Gnade — Barmherzigkeit — und Friede vou Gott dem Vater — und unserm Herrn Jesus Christus — mit euch sein immerdar. Amen! Und Julia sah mit ihrem innern Auge den Geist Gottes wie eine Taube in ihr Herz heruieder- schwebeu, und das große Mysterium der Liebe der Gattin schien mit dem andern großen Mysterium der Liebe zu Gott in ihrer Seele zusammeuzufließeu. Und der ruhigere Geist Augusts war erfüllt von tiefem Frieden. Sie verließen bald darauf die Burg, um uach dein Himmelfahrtsberge zurückzukehren, aber sie gingen langsam und zuerst schweigend über den dazwischen¬ liegenden Hügel, der ihnen einen Ausblick aus deu Ohiofluß gewährte, wie er >n unbeschreiblicher stiller Schönheit im Mondlichte schlief. Da hörten sie plötzlich die melodische Stimme des alten Vorsitzenden Ältesten, der eine kleine Strecke von ihnen die Straße heraufgeritten kam und die hoffnungs¬ reichen Lieder sang, die er so innig liebte. Die tiefe und kräftige Stimme ließ die Wälder vou einem der Verse der Hymne erschallen: Ilnd dann brach er aus in Watts Vers: Das Singen des wackern alten Mannes schien in einem gewisse-, Einklange nut dem tiefen Frieden zu stehen, der ans der Landschaft lag. Bald war er Aur letzte» Strophe gelaugt und saug in Tönen gedämpfte.,, aber verzückten Triumphes: August, sagte Julia leise, als wäre sie besorgt, eil, so seliges Schweigen ?M brechen, August, mir ist, als ob der Himmel und der Strom und die dazu- "^rüden Höhe,, und meine eigne Seele ganz gleich gestimmt wären, so voll von Muck und Frieden als nur möglich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/311>, abgerufen am 26.06.2024.