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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Glossen eines Deutschen im Auslande.

rührt sich nicht vom Fleck, versinkt höchstens immer tiefer. In vertrauten Kreisen
gesteht man sich wohl ein, daß mit dem Gefährt nichts anzufangen sei, würde
es vielleicht sogar laut sagen, wenn nicht die gestrenge Presse wäre. Wer mag
sich auch allen Edeldenkenden als Abtrünniger, als Überläufer, als Verkaufter,
als Verräter am heiligen Geiste der Zeit denunziren lassen. Dazu gehört Mut,
den man am liebsten an andern bewundert. Wenn Preußen diese Schlacht, wie
schon manche, mit für andre schlägt, so werden diese sich's gern gefallen lassen,
ohne daß es auf Dank zu rechnen Hütte.

Doch jedem die Ehre, die ihm gebührt! Aberglaube läßt sich nicht gründ¬
licher kuriren, als indem seine Lächerlichkeit gezeigt wird, und den Aberglauben an
die Wunderkraft der gezogenen und der wilden Parlamente lächerlich zu machen,
sind dessen Apostel hüben und drüben ja aufs eifrigste beflissen. Welche köstliche
Posse -- der neueste Friedenskongreß! Als vor dreißig Jahren Elihu Burritt
die Welt mit seinen Olivenblättern überschwemmte und allerlei brave Männer
sich in verschiedenen Hauptstädten versammelten, um zu verkünden, daß der Krieg
nicht nnr unsittlich, sondern auch sehr kostspielig sei, da kounte man noch über
die ehrliche Schwärmerei der Quäker und Quükergenosseu lächeln. Und sie selbst
waren verständig genug, die Sache fallen zu lassen, als derselbe Louis Na-
poleon, der sich mit ihren Tendenzen völlig einverstanden erklärt hatte, die Serie
der neueren Kriege begann. Und die Heimat Elihus schaffte das Dogma aus
der Welt, daß nur die Könige die Kriege anzettelten, die sich selbst überlassenen
Völker aber in holder Eintracht leben würden. Garnier-Pagös, der mit einer
Verfassung für die LtÄw unis ne 1'Luropv in der Tasche eine Missionsreise
machte, wurde schon nirgends mehr ernst genommen. Und jetzt, nach allem,
was wir erlebt haben, in einem Moment, wo nur die höchste Stciatskunst und
unermüdliche Wachsamkeit den Ausbruch von Weltkriegen verhüten kann, überall
die Rassen gerüstet einander belauern, allein in Österreich-Ungarn ein Dutzend
verschiedener Nationalitüten die Hand am Messer dastehe", jetzt wird der ganze
alte Kohl wieder mit derselben feierlichen Miene aufgetragen. Das müßte un¬
widerstehlich wirken, wenn auch nicht Herr Laster für nötig gehalten Hütte, dem
Unternehmen seine bewährte Kraft zur Verfügung zu stellen. Jetzt weiß man
doch, weshalb er mit solchem Pathos für die Hausirfreiheit eingetreten ist. Alte
Sachen brachte er freilich mit, aber nicht jeder Hausirer weiß sich dieses Air
zu geben, wenn er das Alte als funkelnagelneu anpreist. Herr Laster als der
bevollmächtigte Minister und außerordentliche Gesandte der deutschen Nation,
das müßte einen Rhadamanth zum Lachen bringen. Seit wann hat eigentlich
die deutsche Nation das Vergnügen, ihn zu den ihrigen zu zählen? Da er
ein berühmter Mann ist, steht er im Konversationslexikon, und dort wird nur
berichtet, daß er im Poseuschen von jüdischen Eltern geboren sei. Daß sein
Volk kein kriegerisches, brauchte er nicht ausdrücklich zu versichern. Soll denn
dieser Held nicht seinen Aristophanes finden?




Glossen eines Deutschen im Auslande.

rührt sich nicht vom Fleck, versinkt höchstens immer tiefer. In vertrauten Kreisen
gesteht man sich wohl ein, daß mit dem Gefährt nichts anzufangen sei, würde
es vielleicht sogar laut sagen, wenn nicht die gestrenge Presse wäre. Wer mag
sich auch allen Edeldenkenden als Abtrünniger, als Überläufer, als Verkaufter,
als Verräter am heiligen Geiste der Zeit denunziren lassen. Dazu gehört Mut,
den man am liebsten an andern bewundert. Wenn Preußen diese Schlacht, wie
schon manche, mit für andre schlägt, so werden diese sich's gern gefallen lassen,
ohne daß es auf Dank zu rechnen Hütte.

Doch jedem die Ehre, die ihm gebührt! Aberglaube läßt sich nicht gründ¬
licher kuriren, als indem seine Lächerlichkeit gezeigt wird, und den Aberglauben an
die Wunderkraft der gezogenen und der wilden Parlamente lächerlich zu machen,
sind dessen Apostel hüben und drüben ja aufs eifrigste beflissen. Welche köstliche
Posse — der neueste Friedenskongreß! Als vor dreißig Jahren Elihu Burritt
die Welt mit seinen Olivenblättern überschwemmte und allerlei brave Männer
sich in verschiedenen Hauptstädten versammelten, um zu verkünden, daß der Krieg
nicht nnr unsittlich, sondern auch sehr kostspielig sei, da kounte man noch über
die ehrliche Schwärmerei der Quäker und Quükergenosseu lächeln. Und sie selbst
waren verständig genug, die Sache fallen zu lassen, als derselbe Louis Na-
poleon, der sich mit ihren Tendenzen völlig einverstanden erklärt hatte, die Serie
der neueren Kriege begann. Und die Heimat Elihus schaffte das Dogma aus
der Welt, daß nur die Könige die Kriege anzettelten, die sich selbst überlassenen
Völker aber in holder Eintracht leben würden. Garnier-Pagös, der mit einer
Verfassung für die LtÄw unis ne 1'Luropv in der Tasche eine Missionsreise
machte, wurde schon nirgends mehr ernst genommen. Und jetzt, nach allem,
was wir erlebt haben, in einem Moment, wo nur die höchste Stciatskunst und
unermüdliche Wachsamkeit den Ausbruch von Weltkriegen verhüten kann, überall
die Rassen gerüstet einander belauern, allein in Österreich-Ungarn ein Dutzend
verschiedener Nationalitüten die Hand am Messer dastehe», jetzt wird der ganze
alte Kohl wieder mit derselben feierlichen Miene aufgetragen. Das müßte un¬
widerstehlich wirken, wenn auch nicht Herr Laster für nötig gehalten Hütte, dem
Unternehmen seine bewährte Kraft zur Verfügung zu stellen. Jetzt weiß man
doch, weshalb er mit solchem Pathos für die Hausirfreiheit eingetreten ist. Alte
Sachen brachte er freilich mit, aber nicht jeder Hausirer weiß sich dieses Air
zu geben, wenn er das Alte als funkelnagelneu anpreist. Herr Laster als der
bevollmächtigte Minister und außerordentliche Gesandte der deutschen Nation,
das müßte einen Rhadamanth zum Lachen bringen. Seit wann hat eigentlich
die deutsche Nation das Vergnügen, ihn zu den ihrigen zu zählen? Da er
ein berühmter Mann ist, steht er im Konversationslexikon, und dort wird nur
berichtet, daß er im Poseuschen von jüdischen Eltern geboren sei. Daß sein
Volk kein kriegerisches, brauchte er nicht ausdrücklich zu versichern. Soll denn
dieser Held nicht seinen Aristophanes finden?




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[0308] Glossen eines Deutschen im Auslande. rührt sich nicht vom Fleck, versinkt höchstens immer tiefer. In vertrauten Kreisen gesteht man sich wohl ein, daß mit dem Gefährt nichts anzufangen sei, würde es vielleicht sogar laut sagen, wenn nicht die gestrenge Presse wäre. Wer mag sich auch allen Edeldenkenden als Abtrünniger, als Überläufer, als Verkaufter, als Verräter am heiligen Geiste der Zeit denunziren lassen. Dazu gehört Mut, den man am liebsten an andern bewundert. Wenn Preußen diese Schlacht, wie schon manche, mit für andre schlägt, so werden diese sich's gern gefallen lassen, ohne daß es auf Dank zu rechnen Hütte. Doch jedem die Ehre, die ihm gebührt! Aberglaube läßt sich nicht gründ¬ licher kuriren, als indem seine Lächerlichkeit gezeigt wird, und den Aberglauben an die Wunderkraft der gezogenen und der wilden Parlamente lächerlich zu machen, sind dessen Apostel hüben und drüben ja aufs eifrigste beflissen. Welche köstliche Posse — der neueste Friedenskongreß! Als vor dreißig Jahren Elihu Burritt die Welt mit seinen Olivenblättern überschwemmte und allerlei brave Männer sich in verschiedenen Hauptstädten versammelten, um zu verkünden, daß der Krieg nicht nnr unsittlich, sondern auch sehr kostspielig sei, da kounte man noch über die ehrliche Schwärmerei der Quäker und Quükergenosseu lächeln. Und sie selbst waren verständig genug, die Sache fallen zu lassen, als derselbe Louis Na- poleon, der sich mit ihren Tendenzen völlig einverstanden erklärt hatte, die Serie der neueren Kriege begann. Und die Heimat Elihus schaffte das Dogma aus der Welt, daß nur die Könige die Kriege anzettelten, die sich selbst überlassenen Völker aber in holder Eintracht leben würden. Garnier-Pagös, der mit einer Verfassung für die LtÄw unis ne 1'Luropv in der Tasche eine Missionsreise machte, wurde schon nirgends mehr ernst genommen. Und jetzt, nach allem, was wir erlebt haben, in einem Moment, wo nur die höchste Stciatskunst und unermüdliche Wachsamkeit den Ausbruch von Weltkriegen verhüten kann, überall die Rassen gerüstet einander belauern, allein in Österreich-Ungarn ein Dutzend verschiedener Nationalitüten die Hand am Messer dastehe», jetzt wird der ganze alte Kohl wieder mit derselben feierlichen Miene aufgetragen. Das müßte un¬ widerstehlich wirken, wenn auch nicht Herr Laster für nötig gehalten Hütte, dem Unternehmen seine bewährte Kraft zur Verfügung zu stellen. Jetzt weiß man doch, weshalb er mit solchem Pathos für die Hausirfreiheit eingetreten ist. Alte Sachen brachte er freilich mit, aber nicht jeder Hausirer weiß sich dieses Air zu geben, wenn er das Alte als funkelnagelneu anpreist. Herr Laster als der bevollmächtigte Minister und außerordentliche Gesandte der deutschen Nation, das müßte einen Rhadamanth zum Lachen bringen. Seit wann hat eigentlich die deutsche Nation das Vergnügen, ihn zu den ihrigen zu zählen? Da er ein berühmter Mann ist, steht er im Konversationslexikon, und dort wird nur berichtet, daß er im Poseuschen von jüdischen Eltern geboren sei. Daß sein Volk kein kriegerisches, brauchte er nicht ausdrücklich zu versichern. Soll denn dieser Held nicht seinen Aristophanes finden?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/308>, abgerufen am 26.06.2024.