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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Glossen eines Deutschen im Auslande.

Schan Mutterhaus, das laß' ich mir gefallen.
Dem Meister Goldschmied schreibst du? El der Darß!
Brauchst du ein Ringlein oder Halskoralleu?
Ja, wer das Glück hat, führt die Braut in's Halts.
Na, arme Mutter Gertrud laßt das Weinen,
Gebt her deu Trnuerbrief mir schwarzem Rand.
Ja ja, so geht's. Der Tod verschont halt keinen,
Und alle stehen wir in Gottes Hand.
Ade ihr Leute I Mittwoch komm ich wieder.
Heb Jungfer, noch ein Schöpplein vor dein Geh'n!
Was zieht die Kathi heimlich aus dem Mieder?
Was sagst du Kind? die Mutter soll's nicht seh'u ?

Ein Brief und drauf ein Herz mit einem Pfeile,
Ein Engelein, das eine Fackel hält,
Und drunten steht geschrieben: Eile, Eile!
Ja, Kathi, dieser wird zuerst bestellt.

Noch einen Schluck. Geleert ist Glas und Flasche.
Was bin ich schuldig? Nichts? Na Gott vergcltl"
Der Bote geht und trägt in seiner Tasche
Vou Leid und Freuden eine ganze Welt.



Glossen eines Deutschen im Auslande.

v scheint denn die vor den preußischen Wahlen ausgegebene Lösung
"Keine Diktatur!" richtig verstanden und beherzigt worden zu sein.
Die Mehrheit der Wähler hat sich gegen die Diktatur des Mund¬
werks und der edeln Dreistigkeit ausgesprochen, und das "Buch
der Richter" dürfte beim letzten Kapitel angelangt sein. Daß die
großen Städte sich zu solcher Einsicht nicht bequemen wollen, bestätigt nur einen
alten Erfahrungssatz. Sie sind immer geneigt, sich als den Kopf anzusehen,
welchem der Körper willenlos zu folgen habe. Auch das ist eine Diktatur, welche
für zulässig und in den natürlichen Verhältnissen begründet erachtet wird, bis
der Diktator zu seiner großen Verwunderung erkennt, daß sich niemand mehr
von ihm diktiren läßt. Die Zeit wird auch kommen, wo Berlin mit ebensoviel
Stolz an seine Schwärmerei für Engen Richter und Konsorten zurückdenkt, wie
ein Lindenmüller, den Führer des "souveränen Volks" unter den Zelten! Kommt
es einem doch beim Lesen der Warnungen vor der hereinbrechenden Reaktion
ost so vor, als bedienten sich die geschützten Redner und Schreiber der hinter¬
lassenen Hefte von Karbe, Held, Schütte, Germain Metternich u. s. w.


Glossen eines Deutschen im Auslande.

Schan Mutterhaus, das laß' ich mir gefallen.
Dem Meister Goldschmied schreibst du? El der Darß!
Brauchst du ein Ringlein oder Halskoralleu?
Ja, wer das Glück hat, führt die Braut in's Halts.
Na, arme Mutter Gertrud laßt das Weinen,
Gebt her deu Trnuerbrief mir schwarzem Rand.
Ja ja, so geht's. Der Tod verschont halt keinen,
Und alle stehen wir in Gottes Hand.
Ade ihr Leute I Mittwoch komm ich wieder.
Heb Jungfer, noch ein Schöpplein vor dein Geh'n!
Was zieht die Kathi heimlich aus dem Mieder?
Was sagst du Kind? die Mutter soll's nicht seh'u ?

Ein Brief und drauf ein Herz mit einem Pfeile,
Ein Engelein, das eine Fackel hält,
Und drunten steht geschrieben: Eile, Eile!
Ja, Kathi, dieser wird zuerst bestellt.

Noch einen Schluck. Geleert ist Glas und Flasche.
Was bin ich schuldig? Nichts? Na Gott vergcltl"
Der Bote geht und trägt in seiner Tasche
Vou Leid und Freuden eine ganze Welt.



Glossen eines Deutschen im Auslande.

v scheint denn die vor den preußischen Wahlen ausgegebene Lösung
„Keine Diktatur!" richtig verstanden und beherzigt worden zu sein.
Die Mehrheit der Wähler hat sich gegen die Diktatur des Mund¬
werks und der edeln Dreistigkeit ausgesprochen, und das „Buch
der Richter" dürfte beim letzten Kapitel angelangt sein. Daß die
großen Städte sich zu solcher Einsicht nicht bequemen wollen, bestätigt nur einen
alten Erfahrungssatz. Sie sind immer geneigt, sich als den Kopf anzusehen,
welchem der Körper willenlos zu folgen habe. Auch das ist eine Diktatur, welche
für zulässig und in den natürlichen Verhältnissen begründet erachtet wird, bis
der Diktator zu seiner großen Verwunderung erkennt, daß sich niemand mehr
von ihm diktiren läßt. Die Zeit wird auch kommen, wo Berlin mit ebensoviel
Stolz an seine Schwärmerei für Engen Richter und Konsorten zurückdenkt, wie
ein Lindenmüller, den Führer des „souveränen Volks" unter den Zelten! Kommt
es einem doch beim Lesen der Warnungen vor der hereinbrechenden Reaktion
ost so vor, als bedienten sich die geschützten Redner und Schreiber der hinter¬
lassenen Hefte von Karbe, Held, Schütte, Germain Metternich u. s. w.


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[0306] Glossen eines Deutschen im Auslande. Schan Mutterhaus, das laß' ich mir gefallen. Dem Meister Goldschmied schreibst du? El der Darß! Brauchst du ein Ringlein oder Halskoralleu? Ja, wer das Glück hat, führt die Braut in's Halts. Na, arme Mutter Gertrud laßt das Weinen, Gebt her deu Trnuerbrief mir schwarzem Rand. Ja ja, so geht's. Der Tod verschont halt keinen, Und alle stehen wir in Gottes Hand. Ade ihr Leute I Mittwoch komm ich wieder. Heb Jungfer, noch ein Schöpplein vor dein Geh'n! Was zieht die Kathi heimlich aus dem Mieder? Was sagst du Kind? die Mutter soll's nicht seh'u ? Ein Brief und drauf ein Herz mit einem Pfeile, Ein Engelein, das eine Fackel hält, Und drunten steht geschrieben: Eile, Eile! Ja, Kathi, dieser wird zuerst bestellt. Noch einen Schluck. Geleert ist Glas und Flasche. Was bin ich schuldig? Nichts? Na Gott vergcltl" Der Bote geht und trägt in seiner Tasche Vou Leid und Freuden eine ganze Welt. Glossen eines Deutschen im Auslande. v scheint denn die vor den preußischen Wahlen ausgegebene Lösung „Keine Diktatur!" richtig verstanden und beherzigt worden zu sein. Die Mehrheit der Wähler hat sich gegen die Diktatur des Mund¬ werks und der edeln Dreistigkeit ausgesprochen, und das „Buch der Richter" dürfte beim letzten Kapitel angelangt sein. Daß die großen Städte sich zu solcher Einsicht nicht bequemen wollen, bestätigt nur einen alten Erfahrungssatz. Sie sind immer geneigt, sich als den Kopf anzusehen, welchem der Körper willenlos zu folgen habe. Auch das ist eine Diktatur, welche für zulässig und in den natürlichen Verhältnissen begründet erachtet wird, bis der Diktator zu seiner großen Verwunderung erkennt, daß sich niemand mehr von ihm diktiren läßt. Die Zeit wird auch kommen, wo Berlin mit ebensoviel Stolz an seine Schwärmerei für Engen Richter und Konsorten zurückdenkt, wie ein Lindenmüller, den Führer des „souveränen Volks" unter den Zelten! Kommt es einem doch beim Lesen der Warnungen vor der hereinbrechenden Reaktion ost so vor, als bedienten sich die geschützten Redner und Schreiber der hinter¬ lassenen Hefte von Karbe, Held, Schütte, Germain Metternich u. s. w.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/306>, abgerufen am 26.06.2024.