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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Preußen nach dein Basler Frieden.

lich zeigte, dann mit Haugwitz, der vor allen Dinge" Nachgiebigkeit in Rastatt
und Abschluß des Friedens mit dem Reiche verlangte, zuletzt wieder mit Zastrow,
erreichte aber trotzdem, daß er auch mit Drohungen vorging, nur, daß der König
seine Vermittlung zwischen Frankreich und Österreich anbot, welchen Schritt
Sieyes seiner Regierung als abgeschmackt und hinterlistig bezeichnete.

In Paris war man über den langsamen Gang der Dinge in Berlin un¬
geduldig geworden, und so wurde dem Gesandten am 24. Juli geschrieben, Preußen
möge sich endlich entschließen, ein aufrichtiger Bundesgenosse der Republik zu
werden, sonst werde Frankreich wissen, ohne Preußen zum Ziele zu kommen.
Mit diesem dringenden Verlangen nach Verständigung fiel zusammen, daß sich
damals in der französischen Politik eine Wendung im Sinne eines gemäßigteren
Systems vollzog. Talleyrand war der Überzeugung, daß Frankreich zu seiner
inneren Befestigung des Friedens bedürfe, er wollte keine Einmischung in die
Verhältnisse Italiens und befürwortete Zugeständnisse an Deutschland, die den
von Preußen lebhaft unterstützten Forderungen der deutschen Friedensdepuwtion
entsprachen. Er war ein Anhänger der Allianz mit Preußen wie Caillard, aber
auch er gedachte das norddeutsche Gemeinwesen, das sich damals unter Preußens
Leitung zu bilden anfing, für die Zwecke der französischen Republik zu benutzen.
Er richtete an das Berliner Kabinet die Forderung, im Verein mit Österreich
M erklären, daß beide Mächte auf Entschädigung innerhalb des Reiches ver¬
zichteten, und zugleich ließ er für den Reichsfrieden vorschlagen, daß nur die
weltlichen Fürsten entschädigt werden sollten, endlich aber kam er auf deu Ge¬
danken, auch den Gebietsstand der italienischen Staaten durch einen Garantie-
Ertrag mit Preußen, Spanien und der Schweiz gegen das Streben Österreichs
nach Gebietserweiterung zu sichern. Sieyes war damit nicht einverstanden, er
"üßbilligtc die Zurückhaltung, die Talleyrand für Italien empfahl, war gegen
alle Zugeständnisse in Deutschland, hielt als revolutionärer Doktrinär Frankreich
für mächtig genug, für die Ausbreitung des "repräsentativen Systems," d. h.
der Republik, den Kampf mit der ganzen Welt aufzunehmen, wollte in Preußen
durchaus nicht den natürlichen Verbündeten Frankreichs erblicke,? und führte in-
folge dessen die Unterhandlungen mit dem preußischen Ministerium so, daß der
König die unter der Hülle eines Garanticvertmgs für Deutschland und Italien an¬
getragene Allianz gegen Österreich ablehnte.

Daraufhin brachen die Franzosen die Unterhandlungen mit Preußen im
Oktober 1798 überhaupt ab und suchten in den deutschen Mittelstaaten den-
Bundesgenossen gegen Österreich, zu dem sich Preußen nicht hergeben wollte.
Sieyes sprach es zuerst aus: Preußen darf die Küstenländer zwischen Weser
und Elbe nicht mehr durch seineu Einfluß beherrschen, es muß hinter die Elbe
verwiesen werden; man kann es durch dynastische Verbindung mit dem wieder¬
herzustellenden Polen entschädigen und so durch möglichste Abschwächung seines
deutschen Charakters zu einer Allianz mit Frankreich geeigneter machen. Was


Preußen nach dein Basler Frieden.

lich zeigte, dann mit Haugwitz, der vor allen Dinge» Nachgiebigkeit in Rastatt
und Abschluß des Friedens mit dem Reiche verlangte, zuletzt wieder mit Zastrow,
erreichte aber trotzdem, daß er auch mit Drohungen vorging, nur, daß der König
seine Vermittlung zwischen Frankreich und Österreich anbot, welchen Schritt
Sieyes seiner Regierung als abgeschmackt und hinterlistig bezeichnete.

In Paris war man über den langsamen Gang der Dinge in Berlin un¬
geduldig geworden, und so wurde dem Gesandten am 24. Juli geschrieben, Preußen
möge sich endlich entschließen, ein aufrichtiger Bundesgenosse der Republik zu
werden, sonst werde Frankreich wissen, ohne Preußen zum Ziele zu kommen.
Mit diesem dringenden Verlangen nach Verständigung fiel zusammen, daß sich
damals in der französischen Politik eine Wendung im Sinne eines gemäßigteren
Systems vollzog. Talleyrand war der Überzeugung, daß Frankreich zu seiner
inneren Befestigung des Friedens bedürfe, er wollte keine Einmischung in die
Verhältnisse Italiens und befürwortete Zugeständnisse an Deutschland, die den
von Preußen lebhaft unterstützten Forderungen der deutschen Friedensdepuwtion
entsprachen. Er war ein Anhänger der Allianz mit Preußen wie Caillard, aber
auch er gedachte das norddeutsche Gemeinwesen, das sich damals unter Preußens
Leitung zu bilden anfing, für die Zwecke der französischen Republik zu benutzen.
Er richtete an das Berliner Kabinet die Forderung, im Verein mit Österreich
M erklären, daß beide Mächte auf Entschädigung innerhalb des Reiches ver¬
zichteten, und zugleich ließ er für den Reichsfrieden vorschlagen, daß nur die
weltlichen Fürsten entschädigt werden sollten, endlich aber kam er auf deu Ge¬
danken, auch den Gebietsstand der italienischen Staaten durch einen Garantie-
Ertrag mit Preußen, Spanien und der Schweiz gegen das Streben Österreichs
nach Gebietserweiterung zu sichern. Sieyes war damit nicht einverstanden, er
"üßbilligtc die Zurückhaltung, die Talleyrand für Italien empfahl, war gegen
alle Zugeständnisse in Deutschland, hielt als revolutionärer Doktrinär Frankreich
für mächtig genug, für die Ausbreitung des „repräsentativen Systems," d. h.
der Republik, den Kampf mit der ganzen Welt aufzunehmen, wollte in Preußen
durchaus nicht den natürlichen Verbündeten Frankreichs erblicke,? und führte in-
folge dessen die Unterhandlungen mit dem preußischen Ministerium so, daß der
König die unter der Hülle eines Garanticvertmgs für Deutschland und Italien an¬
getragene Allianz gegen Österreich ablehnte.

Daraufhin brachen die Franzosen die Unterhandlungen mit Preußen im
Oktober 1798 überhaupt ab und suchten in den deutschen Mittelstaaten den-
Bundesgenossen gegen Österreich, zu dem sich Preußen nicht hergeben wollte.
Sieyes sprach es zuerst aus: Preußen darf die Küstenländer zwischen Weser
und Elbe nicht mehr durch seineu Einfluß beherrschen, es muß hinter die Elbe
verwiesen werden; man kann es durch dynastische Verbindung mit dem wieder¬
herzustellenden Polen entschädigen und so durch möglichste Abschwächung seines
deutschen Charakters zu einer Allianz mit Frankreich geeigneter machen. Was


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/279>, abgerufen am 29.06.2024.