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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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dann nach Hinausdrängung Preußens und Österreichs von Deutschland noch
übrig blieb, sollte in einem nördlichen und einem südlichen Vnnde vereinigt
werden, von denen jener Preußen feindliche Berührungen mit Frankreich wie
freundschaftliche Verbindungen mit England unmöglich zu machen, dieser Frank¬
reich von Osterreich zu trennen bestimmt war. Indem die französischen Poli¬
tiker diese Gedanken adoptirten, war der Krieg gegen Preußen diplomatisch be¬
reits eröffnet. Deutschland in einen österreichischen, einen preußischen Teil, einen
Nord- und einen Südbnnd der Kleinstaaten zerschnitten, die sich gegenseitig lahm
legten, Preußen durch die Verbindung mit Polen von Nußland geschieden,
Österreich im Süden vom süddeutschen Bunde, den helvetischen und den italie¬
nischen Republiken, im Norden von Preußen-Polen in Schränken gehalten,
England vom Festland ausgeschlossen, überall Trennung, Eifersucht und Feind¬
seligkeit und daneben ein straff zusammengefaßtes, dnrch die Rheinlande, Belgien
und Savoyen vergrößertes Frankreich --- das war die Lage Europas, auf welche
die französischen Politiker vom Herbst 1798 an hinarbeiteten.

Versuche, den Landgrafen von Hessen zu bewegen, sich nnter französischem
Schutze an die Spitze eines Bundes norddeutscher Fürsten zu stellen, schlugen
fehl. Bessere Aussichten eröffneten sich den Franzosen in Baiern, als der Kur¬
fürst Karl Theodor am 16. Februar 1799 starb und dessen Nachfolger Maxi¬
milian Josef dem französischen Geschäftsträger Alqnier wenige Tage nach seinem
Regierungsantritte eröffnete, Frankreich besitze keinen bessern Freund als ihn,
ja er fühle sich ganz als Franzose. Indeß war diese Freude von kurzer Dauer:
schon am 11. Mürz mußte Alqnier vor den heranziehenden Österreichern nach
Straßburg flüchten, bald darauf war Erzherzog Karl Herr von ganz Deutsch¬
land, und so mußte der Plan eines Rheinbundes auf günstigere Zeiten ver¬
schoben werden.

Haugwitz war inzwischen Frankreich immer abgeneigter geworden. Frankreich
war ans seine Vorschläge nie ernstlich eingegangen, und er hatte aus der Er¬
fahrung die Überzeugung gewonnen, daß die revolutionäre Bewegung früher
oder später anch Norddeutschland überfluten werde, wenn Preußen sich nicht
mit andern Mächten zur Eindämmung der Macht Frankreichs verbände. Wieder¬
holt hatte er deshalb unter russischer Vermittlung mit Österreich unterhandelt,
und im Oktober 1798 hatte man sich dahin geeinigt, daß bei dem nahe bevor¬
stehenden Kampfe Österreich den Süden, Preußen den Norden Deutschlands
gegen Frankreich schützen solle. Wichtiger war der Antrag, der um die Mitte
des Januar 1799 von russischer und englischer Seite an König Friedrich Wilhelm
gelangte, mit diesen Mächten einen Versuch zur Befreiung Hollands und Bra-
bcmts zu unternehmen. Haugwitz nahm sich desselben mit Eifer um, indem er
dem König in lebhaften Farben die Gefahren schilderte, mit denen Frankreich,
der gewaltige Feind aller sozialen Ordnung, Europa und namentlich Preußen
bedrohe. Der Herzog von Braunschweig pflichtete ihm bei, desgleichen der


dann nach Hinausdrängung Preußens und Österreichs von Deutschland noch
übrig blieb, sollte in einem nördlichen und einem südlichen Vnnde vereinigt
werden, von denen jener Preußen feindliche Berührungen mit Frankreich wie
freundschaftliche Verbindungen mit England unmöglich zu machen, dieser Frank¬
reich von Osterreich zu trennen bestimmt war. Indem die französischen Poli¬
tiker diese Gedanken adoptirten, war der Krieg gegen Preußen diplomatisch be¬
reits eröffnet. Deutschland in einen österreichischen, einen preußischen Teil, einen
Nord- und einen Südbnnd der Kleinstaaten zerschnitten, die sich gegenseitig lahm
legten, Preußen durch die Verbindung mit Polen von Nußland geschieden,
Österreich im Süden vom süddeutschen Bunde, den helvetischen und den italie¬
nischen Republiken, im Norden von Preußen-Polen in Schränken gehalten,
England vom Festland ausgeschlossen, überall Trennung, Eifersucht und Feind¬
seligkeit und daneben ein straff zusammengefaßtes, dnrch die Rheinlande, Belgien
und Savoyen vergrößertes Frankreich -— das war die Lage Europas, auf welche
die französischen Politiker vom Herbst 1798 an hinarbeiteten.

Versuche, den Landgrafen von Hessen zu bewegen, sich nnter französischem
Schutze an die Spitze eines Bundes norddeutscher Fürsten zu stellen, schlugen
fehl. Bessere Aussichten eröffneten sich den Franzosen in Baiern, als der Kur¬
fürst Karl Theodor am 16. Februar 1799 starb und dessen Nachfolger Maxi¬
milian Josef dem französischen Geschäftsträger Alqnier wenige Tage nach seinem
Regierungsantritte eröffnete, Frankreich besitze keinen bessern Freund als ihn,
ja er fühle sich ganz als Franzose. Indeß war diese Freude von kurzer Dauer:
schon am 11. Mürz mußte Alqnier vor den heranziehenden Österreichern nach
Straßburg flüchten, bald darauf war Erzherzog Karl Herr von ganz Deutsch¬
land, und so mußte der Plan eines Rheinbundes auf günstigere Zeiten ver¬
schoben werden.

Haugwitz war inzwischen Frankreich immer abgeneigter geworden. Frankreich
war ans seine Vorschläge nie ernstlich eingegangen, und er hatte aus der Er¬
fahrung die Überzeugung gewonnen, daß die revolutionäre Bewegung früher
oder später anch Norddeutschland überfluten werde, wenn Preußen sich nicht
mit andern Mächten zur Eindämmung der Macht Frankreichs verbände. Wieder¬
holt hatte er deshalb unter russischer Vermittlung mit Österreich unterhandelt,
und im Oktober 1798 hatte man sich dahin geeinigt, daß bei dem nahe bevor¬
stehenden Kampfe Österreich den Süden, Preußen den Norden Deutschlands
gegen Frankreich schützen solle. Wichtiger war der Antrag, der um die Mitte
des Januar 1799 von russischer und englischer Seite an König Friedrich Wilhelm
gelangte, mit diesen Mächten einen Versuch zur Befreiung Hollands und Bra-
bcmts zu unternehmen. Haugwitz nahm sich desselben mit Eifer um, indem er
dem König in lebhaften Farben die Gefahren schilderte, mit denen Frankreich,
der gewaltige Feind aller sozialen Ordnung, Europa und namentlich Preußen
bedrohe. Der Herzog von Braunschweig pflichtete ihm bei, desgleichen der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/280>, abgerufen am 28.09.2024.