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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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j)renßen nach dem Basler Frieden.

das Direktorium nötigen werde, bei seinen ferneren politischen Kombinationen
Preußen nicht mehr zu berücksichtigen. Mitte Mai kam es hierüber in Berlin
und Potsdam zu Beratungen, bei denen Alvensleben sich für die französische
Allianz aussprach, da namentlich die preußische Armee nicht in der Verfassung
sei, der französischen erfolgreich Widerstand zu leisten; Haugwitz aber, der im
Hinblick darauf, daß Preußen sich sichtlich von seinen Verlusten während der
Kriegsjahre erholt hatte und im Verein mit den norddeutschen Mittelständen politisch
kräftiger dastand als zur Zeit des Basler Friedens, ferner aber in Erwägung
der wiederholten Bedrohung Norddeutschlauas, des schwankenden Verhaltens des
Direktoriums und der Ausbreitung der Revolution über Italien und die Schweiz
zu der Überzeugung gelangt war, daß mit der französischen Republik, wie sie
damals war, anf die Dauer keine Freundschaft zu halten sein werde, bewog,
unterstützt vom Herzog von Vraunschwcig, den König, Ccnllards Antrag zurück¬
zuweisen, und eröffnete letzterm, so lange noch eine Streitfrage zwischen Frank¬
reich und dem deutschen Reiche unerledigt bleibe, sei ein Einvernehmen mit dein
deutschen Staate Preußen unmöglich.

In der Besorgnis, daß nun die Franzosen sich zu einer Verletzung der
norddeutschen Neutralität hinreißen lassen würden, gab der König dem Herzoge
von Braunschweig Vollmacht, einem solchen Unternehmen ohne weitere Anfrage
mit den Weissen entgegenzutreten. In Frankreich aber war man von Feind¬
seligkeiten gegen Preußen damals weit entfernt. Im Gegenteil, man empfand
in Anbetracht dessen, daß die europäische Lage sich für Frankreich inzwischen
wesentlich ungünstiger gestaltet hatte, und daß Bonaparte im Begriff war, mit
dem besten Heere der Republik nach Ägypten und vielleicht weiter zu gehen,
lebhafter denn je das Bedürfnis einer Verständigung mit Preußen, und da Cail-
lard zu diesem Zwecke zu maßvoll und zu wenig energisch erschien, beauftragte
man mit den betreffenden Verhandlungen den Abb6 Sieyes. Die Instruktion,
die derselbe nach Berlin mitnahm, war uicht ungeschickt auf die Bedürfnisse des
preußischen Staats berechnet. Sie wies nach, daß Preußen nur von einem
Bündnisse mit Frankreich Frieden und Vergrößerung zu hoffen, vou Österreich
aber nichts zu erwarten habe. Alles, was man in Berlin wünsche, lasse sich
ohne Krieg, durch die bloße Thatsache der Allianz erreichen; denn derselben
würden sich sofort Holland, die Schweiz, Schweden, Dänemark, Spanien, die
italienischen Republiken und ein großer Teil der deutschen Reichsstände an¬
schließen, und welcher Staat würde sich dem Willen dieses Bundes zu
widersetzen wagen? Das war, wie gesagt, nicht ungeschickt gerechnet, aber Sieyes
war mit seinen! harten, schneidenden Wesen, seiner selbstbewußten Starrheit und
seiner Ansicht, daß "die Furcht das wahre Aktionsprinzip zwischen Regierungen"
sei, uicht der Mann, mit Erfolg zu unterhandeln. Nachdem er am 22. Juni
1798 in Berlin eingetroffen war, hatte er mehrere Besprechungen mit dem Könige,
mit dessen Generalndjntnnten von Zcistrow, der sich zugänglich und freundschaft-


j)renßen nach dem Basler Frieden.

das Direktorium nötigen werde, bei seinen ferneren politischen Kombinationen
Preußen nicht mehr zu berücksichtigen. Mitte Mai kam es hierüber in Berlin
und Potsdam zu Beratungen, bei denen Alvensleben sich für die französische
Allianz aussprach, da namentlich die preußische Armee nicht in der Verfassung
sei, der französischen erfolgreich Widerstand zu leisten; Haugwitz aber, der im
Hinblick darauf, daß Preußen sich sichtlich von seinen Verlusten während der
Kriegsjahre erholt hatte und im Verein mit den norddeutschen Mittelständen politisch
kräftiger dastand als zur Zeit des Basler Friedens, ferner aber in Erwägung
der wiederholten Bedrohung Norddeutschlauas, des schwankenden Verhaltens des
Direktoriums und der Ausbreitung der Revolution über Italien und die Schweiz
zu der Überzeugung gelangt war, daß mit der französischen Republik, wie sie
damals war, anf die Dauer keine Freundschaft zu halten sein werde, bewog,
unterstützt vom Herzog von Vraunschwcig, den König, Ccnllards Antrag zurück¬
zuweisen, und eröffnete letzterm, so lange noch eine Streitfrage zwischen Frank¬
reich und dem deutschen Reiche unerledigt bleibe, sei ein Einvernehmen mit dein
deutschen Staate Preußen unmöglich.

In der Besorgnis, daß nun die Franzosen sich zu einer Verletzung der
norddeutschen Neutralität hinreißen lassen würden, gab der König dem Herzoge
von Braunschweig Vollmacht, einem solchen Unternehmen ohne weitere Anfrage
mit den Weissen entgegenzutreten. In Frankreich aber war man von Feind¬
seligkeiten gegen Preußen damals weit entfernt. Im Gegenteil, man empfand
in Anbetracht dessen, daß die europäische Lage sich für Frankreich inzwischen
wesentlich ungünstiger gestaltet hatte, und daß Bonaparte im Begriff war, mit
dem besten Heere der Republik nach Ägypten und vielleicht weiter zu gehen,
lebhafter denn je das Bedürfnis einer Verständigung mit Preußen, und da Cail-
lard zu diesem Zwecke zu maßvoll und zu wenig energisch erschien, beauftragte
man mit den betreffenden Verhandlungen den Abb6 Sieyes. Die Instruktion,
die derselbe nach Berlin mitnahm, war uicht ungeschickt auf die Bedürfnisse des
preußischen Staats berechnet. Sie wies nach, daß Preußen nur von einem
Bündnisse mit Frankreich Frieden und Vergrößerung zu hoffen, vou Österreich
aber nichts zu erwarten habe. Alles, was man in Berlin wünsche, lasse sich
ohne Krieg, durch die bloße Thatsache der Allianz erreichen; denn derselben
würden sich sofort Holland, die Schweiz, Schweden, Dänemark, Spanien, die
italienischen Republiken und ein großer Teil der deutschen Reichsstände an¬
schließen, und welcher Staat würde sich dem Willen dieses Bundes zu
widersetzen wagen? Das war, wie gesagt, nicht ungeschickt gerechnet, aber Sieyes
war mit seinen! harten, schneidenden Wesen, seiner selbstbewußten Starrheit und
seiner Ansicht, daß „die Furcht das wahre Aktionsprinzip zwischen Regierungen"
sei, uicht der Mann, mit Erfolg zu unterhandeln. Nachdem er am 22. Juni
1798 in Berlin eingetroffen war, hatte er mehrere Besprechungen mit dem Könige,
mit dessen Generalndjntnnten von Zcistrow, der sich zugänglich und freundschaft-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/278>, abgerufen am 29.06.2024.