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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Preußen nach dem Basler Frieden.

hauptet. Haugwitz habe sich geneigt erwiesen und das preußische Ministerium
habe daran gedacht, sich der jenseits der Weser gelegenen Gebiete überhaupt zu
entledigen. In den Schriftstücken preußischen Ursprungs findet sich nichts der
Art, unbestreitbar aber ist, daß die frnuzösische Politik darnach trachtete, Preußen
möglichst weit vom Rheine zu verdrängen und den territorialen Zustand Nord¬
deutschlands im Interesse Frankreichs umzubilden. Sodann aber bestrebte sich
dieselbe nach wie vor, Preußen in den Dienst der französischen Interessen zu
ziehen und es zunächst zur Teilnahme am Kriege gegen Österreich zu bewegen.
Selbstverständlich stieß dies in Berlin auf Abneigung. In Paris suchte mau
eine Allianz mit Preußen, um einen vorteilhaften Frieden mit Österreich erkämpfen
zu können, in Berlin wollte mau Frieden und Freundschaft mit Frankreich, um
den erlangten Frieden ungestört genießen zu können.

Wiederholt machte die französische Regiern"g Versuche in der angedeuteten
Richtung. So, als der Tod der Kaiserin Katharina Österreich der Hoffnung
auf russische Hilfe beraubt, sür Frankreich die Möglichkeit eines Ausgleichs mit
Rußland näher gerückt und Preußen durch die Freundschaft des neuen Zaren eine er¬
höhte politische Bedeutung verliehen hatte. So, als im April 1797 deu Fran¬
zosen einige diplomatische Korrespondenzen in die Hände gefallen waren, welche
feindselige Gesinnungen Österreichs und Rußlands gegen Preußen bewiesen. Aber
obwohl die französischen Agenten dabei andeuteten^ Frankreich wolle nicht mehr
unbedingt auf Abtretung des linken Rheinufers bestehen, ließ Preußen sich zu
keinem Schritte bewegen, der über die Grenzen der Neutralität hinausführen
konnte. Auch der Verlauf des Kongresses, der zu Rcistatt zur Vereinbarung
Mich Reichsfriedens zusammentrat, führte keineswegs zu einer Annäherung Preu¬
ßens an Frankreich. Ersteres äußerte trotz des Vertrags vom Juli 1796 den
Wunsch, daß letzteres seine Ansprüche auf das linke Rheinufer möglichst herab¬
setze, trat die eignen Besitzungen jenseits des Rheins nicht ausdrücklich ab und
weigerte sich, die dafür vereinbarte Entschädigung einfach in Besitz zu nehmen.
Dagegen wurde mit wachsender Entschiedenheit in Paris verlangt, Frankreich
möge seine Truppen vom rechten Rheinufer zurückziehen. Preußen erwies sich
eben als noch durch sehr viele Fäden mit dem deutschen Reiche verknüpft, nud
es entsprach diesem Verhältnisse, wenn im Frühjahr 1798 wieder ein Versuch
gemacht wurde, sich mit Österreich über die deutscheu Fragen zu verständigen.
Dem gegenüber ließ es das Direktorium in Paris nicht an Anstrengungen fehlen,
Preußen bei dein französischen Systeme festzuhalten, und als eifrige Verhand¬
lungen zwischen England, Rußland und Österreich eine neue Koalition erwarten
setzen, der auch Preußen nicht fernzustehen schien, wurde Cnillard am 22. April
einem neuen Versuche bevollmächtigt, ein förmliches Bündnis mit Preußen
zustande zu bringen. Er entsprach dem Austrage, machte dabei geltend, daß
eme solche Allianz Glück und Frieden sür Preußen, ja für ganz Enrvpn be¬
deuten werde, und fügte hinzu, daß eine abermalige Ablehnung seiner Anträge


Greiizbvte" IV. 1882. 3S
Preußen nach dem Basler Frieden.

hauptet. Haugwitz habe sich geneigt erwiesen und das preußische Ministerium
habe daran gedacht, sich der jenseits der Weser gelegenen Gebiete überhaupt zu
entledigen. In den Schriftstücken preußischen Ursprungs findet sich nichts der
Art, unbestreitbar aber ist, daß die frnuzösische Politik darnach trachtete, Preußen
möglichst weit vom Rheine zu verdrängen und den territorialen Zustand Nord¬
deutschlands im Interesse Frankreichs umzubilden. Sodann aber bestrebte sich
dieselbe nach wie vor, Preußen in den Dienst der französischen Interessen zu
ziehen und es zunächst zur Teilnahme am Kriege gegen Österreich zu bewegen.
Selbstverständlich stieß dies in Berlin auf Abneigung. In Paris suchte mau
eine Allianz mit Preußen, um einen vorteilhaften Frieden mit Österreich erkämpfen
zu können, in Berlin wollte mau Frieden und Freundschaft mit Frankreich, um
den erlangten Frieden ungestört genießen zu können.

Wiederholt machte die französische Regiern»g Versuche in der angedeuteten
Richtung. So, als der Tod der Kaiserin Katharina Österreich der Hoffnung
auf russische Hilfe beraubt, sür Frankreich die Möglichkeit eines Ausgleichs mit
Rußland näher gerückt und Preußen durch die Freundschaft des neuen Zaren eine er¬
höhte politische Bedeutung verliehen hatte. So, als im April 1797 deu Fran¬
zosen einige diplomatische Korrespondenzen in die Hände gefallen waren, welche
feindselige Gesinnungen Österreichs und Rußlands gegen Preußen bewiesen. Aber
obwohl die französischen Agenten dabei andeuteten^ Frankreich wolle nicht mehr
unbedingt auf Abtretung des linken Rheinufers bestehen, ließ Preußen sich zu
keinem Schritte bewegen, der über die Grenzen der Neutralität hinausführen
konnte. Auch der Verlauf des Kongresses, der zu Rcistatt zur Vereinbarung
Mich Reichsfriedens zusammentrat, führte keineswegs zu einer Annäherung Preu¬
ßens an Frankreich. Ersteres äußerte trotz des Vertrags vom Juli 1796 den
Wunsch, daß letzteres seine Ansprüche auf das linke Rheinufer möglichst herab¬
setze, trat die eignen Besitzungen jenseits des Rheins nicht ausdrücklich ab und
weigerte sich, die dafür vereinbarte Entschädigung einfach in Besitz zu nehmen.
Dagegen wurde mit wachsender Entschiedenheit in Paris verlangt, Frankreich
möge seine Truppen vom rechten Rheinufer zurückziehen. Preußen erwies sich
eben als noch durch sehr viele Fäden mit dem deutschen Reiche verknüpft, nud
es entsprach diesem Verhältnisse, wenn im Frühjahr 1798 wieder ein Versuch
gemacht wurde, sich mit Österreich über die deutscheu Fragen zu verständigen.
Dem gegenüber ließ es das Direktorium in Paris nicht an Anstrengungen fehlen,
Preußen bei dein französischen Systeme festzuhalten, und als eifrige Verhand¬
lungen zwischen England, Rußland und Österreich eine neue Koalition erwarten
setzen, der auch Preußen nicht fernzustehen schien, wurde Cnillard am 22. April
einem neuen Versuche bevollmächtigt, ein förmliches Bündnis mit Preußen
zustande zu bringen. Er entsprach dem Austrage, machte dabei geltend, daß
eme solche Allianz Glück und Frieden sür Preußen, ja für ganz Enrvpn be¬
deuten werde, und fügte hinzu, daß eine abermalige Ablehnung seiner Anträge


Greiizbvte» IV. 1882. 3S
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[0277] Preußen nach dem Basler Frieden. hauptet. Haugwitz habe sich geneigt erwiesen und das preußische Ministerium habe daran gedacht, sich der jenseits der Weser gelegenen Gebiete überhaupt zu entledigen. In den Schriftstücken preußischen Ursprungs findet sich nichts der Art, unbestreitbar aber ist, daß die frnuzösische Politik darnach trachtete, Preußen möglichst weit vom Rheine zu verdrängen und den territorialen Zustand Nord¬ deutschlands im Interesse Frankreichs umzubilden. Sodann aber bestrebte sich dieselbe nach wie vor, Preußen in den Dienst der französischen Interessen zu ziehen und es zunächst zur Teilnahme am Kriege gegen Österreich zu bewegen. Selbstverständlich stieß dies in Berlin auf Abneigung. In Paris suchte mau eine Allianz mit Preußen, um einen vorteilhaften Frieden mit Österreich erkämpfen zu können, in Berlin wollte mau Frieden und Freundschaft mit Frankreich, um den erlangten Frieden ungestört genießen zu können. Wiederholt machte die französische Regiern»g Versuche in der angedeuteten Richtung. So, als der Tod der Kaiserin Katharina Österreich der Hoffnung auf russische Hilfe beraubt, sür Frankreich die Möglichkeit eines Ausgleichs mit Rußland näher gerückt und Preußen durch die Freundschaft des neuen Zaren eine er¬ höhte politische Bedeutung verliehen hatte. So, als im April 1797 deu Fran¬ zosen einige diplomatische Korrespondenzen in die Hände gefallen waren, welche feindselige Gesinnungen Österreichs und Rußlands gegen Preußen bewiesen. Aber obwohl die französischen Agenten dabei andeuteten^ Frankreich wolle nicht mehr unbedingt auf Abtretung des linken Rheinufers bestehen, ließ Preußen sich zu keinem Schritte bewegen, der über die Grenzen der Neutralität hinausführen konnte. Auch der Verlauf des Kongresses, der zu Rcistatt zur Vereinbarung Mich Reichsfriedens zusammentrat, führte keineswegs zu einer Annäherung Preu¬ ßens an Frankreich. Ersteres äußerte trotz des Vertrags vom Juli 1796 den Wunsch, daß letzteres seine Ansprüche auf das linke Rheinufer möglichst herab¬ setze, trat die eignen Besitzungen jenseits des Rheins nicht ausdrücklich ab und weigerte sich, die dafür vereinbarte Entschädigung einfach in Besitz zu nehmen. Dagegen wurde mit wachsender Entschiedenheit in Paris verlangt, Frankreich möge seine Truppen vom rechten Rheinufer zurückziehen. Preußen erwies sich eben als noch durch sehr viele Fäden mit dem deutschen Reiche verknüpft, nud es entsprach diesem Verhältnisse, wenn im Frühjahr 1798 wieder ein Versuch gemacht wurde, sich mit Österreich über die deutscheu Fragen zu verständigen. Dem gegenüber ließ es das Direktorium in Paris nicht an Anstrengungen fehlen, Preußen bei dein französischen Systeme festzuhalten, und als eifrige Verhand¬ lungen zwischen England, Rußland und Österreich eine neue Koalition erwarten setzen, der auch Preußen nicht fernzustehen schien, wurde Cnillard am 22. April einem neuen Versuche bevollmächtigt, ein förmliches Bündnis mit Preußen zustande zu bringen. Er entsprach dem Austrage, machte dabei geltend, daß eme solche Allianz Glück und Frieden sür Preußen, ja für ganz Enrvpn be¬ deuten werde, und fügte hinzu, daß eine abermalige Ablehnung seiner Anträge Greiizbvte» IV. 1882. 3S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/277>, abgerufen am 29.06.2024.