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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Preußen nach dem Basler Frieden.

fallen. Preußen aber hatte dem allein zwar nicht unthätig, aber unentschlossen
zugesehen und schließlich den Frieden selbst durch Preisgebung der verabredeten
Demarkationslinie gefährdet. Es ist das nicht unsre eigue Anschauung, sondern
die, welche die in unserm Werke mitgeteilten Briefe preußischer Staatsmänner
und Generale aussprechen.

So mußte mau sich preußischerseits zu entscheidenden Entschlüssen für ein
neues politisches System aufraffen. Die Abmachungen von Basel mußten einer
festerei, Regelung der Beziehungen Preußens zu Frankreich Platz machen. Das
Reich hatte sich geweigert, Preußen zu folgen, und damit war eine Verteidigung
der deutscheu Interessen in Gemeinschaft mit dem Reiche, die mau auch in Basel
im Auge gehabt hatte, vor der Hand unmöglich geworden. Es galt nun die
Kräfte des Staates allein zum Schutze der preußischen Interessen zusammen¬
zuhalten.

Mit diesem Wechsel der preußischen Politik traf es zusammen, daß durch
die formelle Wiederanknüpfung der diplomatischem Beziehungen zwischen Preußen
und Frankreich die bisher in Basel geführten Verhandlungen in andre Hände
übergingen. Frankreich schickte Caillard als Gesandten nach Berlin, den man
hier anfangs mit Mißtrauen ansah, der aber nach deu Berichten, die er uach
Paris erstattete, ein maßvoller und wohlwollender Charakter war, und dem es
infolge dessen bald gelang, sich Vertrauen bei Hofe und den Ministern zu er¬
werben. Seine Instruktionen, in denen der Anschluß Preußens an das fran¬
zösische Allianzsystem in Aussicht genommen war, die Nheingrenze nicht unbe¬
dingt bennsprncht wurde und die Vereinigung der deutscheu Fürsten um Preußen
als mit dem französischen Interesse vereinbar anerkannt war, ließen eine Ver¬
ständigung nicht unerreichbar erscheinen. Etwas später als Caillard in Berlin
traf der preußische Gesandte Saudoz-Rollin in Paris ein (Is. Dezember 1795).
Sein Auftrag ging vor allem dahin, die französische Regierung zum Verzicht
auf das linke Rheinufer zu bestimmen und, falls dies unerreichbar wäre, eine
möglichst vorteilhafte Entschädigung Preußens zu erwirken, sodnnn aber die
Demarkation und Neutralität Norddeutschlands unantastbarer als bisher fest¬
zustellen. In letzterer Beziehung begegnete er einer Ablehnung, bei welcher als
Hauptgrund die Absicht einer Besetzung Hannovers durch französische Truppen
hervortrat. Die Nachricht hiervon traf in Berlin zu einer Zeit ein, wo Ru߬
land und England sich dort bemühten, Preußen zu Feindseligkeiten gegen Frank¬
reich fortzureißen, und wo Hardenberg und Hohenlohe dies unterstützten, indem
jener wenigstens entschiedenes Auftreten, dieser aber geradezu Erhebung der
Waffen einPfahl. Aber weder der immer zaghafte und unschlüssige König, noch
Haugwitz und Bischofsswerder waren für Anschluß an die Koalition Österreichs,
Englands und Rußlands. Sie begnügten sich mit der Erklärung, daß Preußen
in einem Angriffe auf Hannover einen Friedensbruch sehen würde, und mit einem
Aufruf an die vornehmsten Stände Norddeutschlands, sich zum Schutze ihrer


Preußen nach dem Basler Frieden.

fallen. Preußen aber hatte dem allein zwar nicht unthätig, aber unentschlossen
zugesehen und schließlich den Frieden selbst durch Preisgebung der verabredeten
Demarkationslinie gefährdet. Es ist das nicht unsre eigue Anschauung, sondern
die, welche die in unserm Werke mitgeteilten Briefe preußischer Staatsmänner
und Generale aussprechen.

So mußte mau sich preußischerseits zu entscheidenden Entschlüssen für ein
neues politisches System aufraffen. Die Abmachungen von Basel mußten einer
festerei, Regelung der Beziehungen Preußens zu Frankreich Platz machen. Das
Reich hatte sich geweigert, Preußen zu folgen, und damit war eine Verteidigung
der deutscheu Interessen in Gemeinschaft mit dem Reiche, die mau auch in Basel
im Auge gehabt hatte, vor der Hand unmöglich geworden. Es galt nun die
Kräfte des Staates allein zum Schutze der preußischen Interessen zusammen¬
zuhalten.

Mit diesem Wechsel der preußischen Politik traf es zusammen, daß durch
die formelle Wiederanknüpfung der diplomatischem Beziehungen zwischen Preußen
und Frankreich die bisher in Basel geführten Verhandlungen in andre Hände
übergingen. Frankreich schickte Caillard als Gesandten nach Berlin, den man
hier anfangs mit Mißtrauen ansah, der aber nach deu Berichten, die er uach
Paris erstattete, ein maßvoller und wohlwollender Charakter war, und dem es
infolge dessen bald gelang, sich Vertrauen bei Hofe und den Ministern zu er¬
werben. Seine Instruktionen, in denen der Anschluß Preußens an das fran¬
zösische Allianzsystem in Aussicht genommen war, die Nheingrenze nicht unbe¬
dingt bennsprncht wurde und die Vereinigung der deutscheu Fürsten um Preußen
als mit dem französischen Interesse vereinbar anerkannt war, ließen eine Ver¬
ständigung nicht unerreichbar erscheinen. Etwas später als Caillard in Berlin
traf der preußische Gesandte Saudoz-Rollin in Paris ein (Is. Dezember 1795).
Sein Auftrag ging vor allem dahin, die französische Regierung zum Verzicht
auf das linke Rheinufer zu bestimmen und, falls dies unerreichbar wäre, eine
möglichst vorteilhafte Entschädigung Preußens zu erwirken, sodnnn aber die
Demarkation und Neutralität Norddeutschlands unantastbarer als bisher fest¬
zustellen. In letzterer Beziehung begegnete er einer Ablehnung, bei welcher als
Hauptgrund die Absicht einer Besetzung Hannovers durch französische Truppen
hervortrat. Die Nachricht hiervon traf in Berlin zu einer Zeit ein, wo Ru߬
land und England sich dort bemühten, Preußen zu Feindseligkeiten gegen Frank¬
reich fortzureißen, und wo Hardenberg und Hohenlohe dies unterstützten, indem
jener wenigstens entschiedenes Auftreten, dieser aber geradezu Erhebung der
Waffen einPfahl. Aber weder der immer zaghafte und unschlüssige König, noch
Haugwitz und Bischofsswerder waren für Anschluß an die Koalition Österreichs,
Englands und Rußlands. Sie begnügten sich mit der Erklärung, daß Preußen
in einem Angriffe auf Hannover einen Friedensbruch sehen würde, und mit einem
Aufruf an die vornehmsten Stände Norddeutschlands, sich zum Schutze ihrer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/275>, abgerufen am 29.06.2024.