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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Preußen nach dein Basler Frieden.

Handlungen über den Reichsfrieden fest und die Franzosen maßvoll genug
waren.

Dem Leiter der preußischen Politik, Grafen Haugwitz, fehlte es gänzlich
an Festigkeit, er hoffte nur von einer möglichst friedfertigen und nachgiebigen
Haltung Preußens einigen Erfolg, und so hatte er der realistischen Politik des
Konvents gegenüber für die Bchnnptnng der deutschen Gebiete auf dem linken
Rheinufer nur freundschaftliche Vorstellungen ohne Nachdruck. Wenn nur eine
Demarkationslinie deu Krieg von den Grenzen Preußens fernhielt, so war er
im übrigen zu Zugeständnissen bereit. Er dachte mehr an das preußische als
an das deutsche Interesse, und für jenes war der Besitz der Weichsel wichtiger
als der des Rheines. Anders Hardenberg, der in Preußen zunächst den deut¬
schen Staat, den natürlichen Hüter des Reiches im Westen erblickte, und der
bei den Verhandlungen mit Frankreich, das seiner Meinung nach dringend des
Friedens bedürfte, bestimmter auftrat, als man es in Berlin wünschte. Er hatte
damit bereits in Basel günstigere Friedensbedingungen erreicht, als Haugwitz
erwartet hatte, und jetzt gelang es ihm, die dort stipulirte Demarkationslinie in
einem besondern Vertrage sicherer zu ziehen und sie so zu gestalte", daß die
kriegführenden Mächte rechts vom Rhein und Main sich möglichst frei bewegen
konnten. Das war aber sein letzter Erfolg: nieder die von ihm versuchte Neu¬
tralisation von Mainz noch eine Zusicherung wegen Herstellung der alten Grenzen
jenseits des Rheins ließ sich bei der französischen Regierung durchsetzen.

Auch beim deutschen Reiche erlangte Preußen nicht, was es erstrebte. Es
hatte sich hier nach Auswechslung der Basler Ratifikationen bestrebt, die ver-
schiednen Glieder des Reiches zu gemeinsamen Schritten in der Richtung des
Friedens zu gewinnen, und da das Bedürfnis desselben klar zu Tage lag, ge¬
hofft, in dem Konklnsnm eine ausdrückliche Anrufung der preußischen Verwen¬
dung für einen Frieden zu finden. Aber trotz aller Hinneigung einzelner Reichs¬
stände überwog das alte Ansehen Österreichs, und die Rolle des Friedensstifters
wurde Preußen nicht zu Teil. Das Konklnsnm vom 3. Juli 1795 gab zwar
der in Deutschland herrschenden Friedenssehnsncht Ausdruck, übertrug aber dem
Kaiser die thatsächliche Einleitung der Verhandlungen und wünschte von Preußen
nur "beihilfliche Mitwirkung." Haugwitz und Hardenberg sahen den Mißerfolg,
der darin für Preußen lag, nicht so deutlich als Alvensleben und Lucchesini,
sie fühlten zwar, daß dadurch die preußische Politik lahmgelegt wurde, daß vou
einer Initiative des Kaisers wenig zu erwarten, "ut daß eine Erhaltung der
alten Neichsgrenzcn fast aussichtslos war, aber, selbst von den besten Absichten
beseelt, glaubten sie, oaß schließlich auch Österreich und Frankreich zu einer ernst¬
lichen Friedensunterhandlung die Hand bieten würden.

Dieser Annahme entsprachen die Weisungen, die Hardenberg vou Berlin
mit nach Basel nahm, als er zur Fortsetzung des Friedensgeschäfts im Juli
dahin zurückreiste. Auf Grund derselben überreichte er dein französischen Unter-


Preußen nach dein Basler Frieden.

Handlungen über den Reichsfrieden fest und die Franzosen maßvoll genug
waren.

Dem Leiter der preußischen Politik, Grafen Haugwitz, fehlte es gänzlich
an Festigkeit, er hoffte nur von einer möglichst friedfertigen und nachgiebigen
Haltung Preußens einigen Erfolg, und so hatte er der realistischen Politik des
Konvents gegenüber für die Bchnnptnng der deutschen Gebiete auf dem linken
Rheinufer nur freundschaftliche Vorstellungen ohne Nachdruck. Wenn nur eine
Demarkationslinie deu Krieg von den Grenzen Preußens fernhielt, so war er
im übrigen zu Zugeständnissen bereit. Er dachte mehr an das preußische als
an das deutsche Interesse, und für jenes war der Besitz der Weichsel wichtiger
als der des Rheines. Anders Hardenberg, der in Preußen zunächst den deut¬
schen Staat, den natürlichen Hüter des Reiches im Westen erblickte, und der
bei den Verhandlungen mit Frankreich, das seiner Meinung nach dringend des
Friedens bedürfte, bestimmter auftrat, als man es in Berlin wünschte. Er hatte
damit bereits in Basel günstigere Friedensbedingungen erreicht, als Haugwitz
erwartet hatte, und jetzt gelang es ihm, die dort stipulirte Demarkationslinie in
einem besondern Vertrage sicherer zu ziehen und sie so zu gestalte«, daß die
kriegführenden Mächte rechts vom Rhein und Main sich möglichst frei bewegen
konnten. Das war aber sein letzter Erfolg: nieder die von ihm versuchte Neu¬
tralisation von Mainz noch eine Zusicherung wegen Herstellung der alten Grenzen
jenseits des Rheins ließ sich bei der französischen Regierung durchsetzen.

Auch beim deutschen Reiche erlangte Preußen nicht, was es erstrebte. Es
hatte sich hier nach Auswechslung der Basler Ratifikationen bestrebt, die ver-
schiednen Glieder des Reiches zu gemeinsamen Schritten in der Richtung des
Friedens zu gewinnen, und da das Bedürfnis desselben klar zu Tage lag, ge¬
hofft, in dem Konklnsnm eine ausdrückliche Anrufung der preußischen Verwen¬
dung für einen Frieden zu finden. Aber trotz aller Hinneigung einzelner Reichs¬
stände überwog das alte Ansehen Österreichs, und die Rolle des Friedensstifters
wurde Preußen nicht zu Teil. Das Konklnsnm vom 3. Juli 1795 gab zwar
der in Deutschland herrschenden Friedenssehnsncht Ausdruck, übertrug aber dem
Kaiser die thatsächliche Einleitung der Verhandlungen und wünschte von Preußen
nur „beihilfliche Mitwirkung." Haugwitz und Hardenberg sahen den Mißerfolg,
der darin für Preußen lag, nicht so deutlich als Alvensleben und Lucchesini,
sie fühlten zwar, daß dadurch die preußische Politik lahmgelegt wurde, daß vou
einer Initiative des Kaisers wenig zu erwarten, »ut daß eine Erhaltung der
alten Neichsgrenzcn fast aussichtslos war, aber, selbst von den besten Absichten
beseelt, glaubten sie, oaß schließlich auch Österreich und Frankreich zu einer ernst¬
lichen Friedensunterhandlung die Hand bieten würden.

Dieser Annahme entsprachen die Weisungen, die Hardenberg vou Berlin
mit nach Basel nahm, als er zur Fortsetzung des Friedensgeschäfts im Juli
dahin zurückreiste. Auf Grund derselben überreichte er dein französischen Unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/273>, abgerufen am 29.06.2024.