Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.Epilog zum parsifcil. bleichenden Lippen noch die heiligsten, andachtsvollsten, erschütterndsten Gesänge, Damit soll durchaus nicht gesagt sein, daß wir Herrn Wagner Erfolge und Nach der ersten Aufführung des "Tristan," der "Meistersinger," des "Nibe¬ Epilog zum parsifcil. bleichenden Lippen noch die heiligsten, andachtsvollsten, erschütterndsten Gesänge, Damit soll durchaus nicht gesagt sein, daß wir Herrn Wagner Erfolge und Nach der ersten Aufführung des „Tristan," der „Meistersinger," des „Nibe¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194221"/> <fw type="header" place="top"> Epilog zum parsifcil.</fw><lb/> <p xml:id="ID_834" prev="#ID_833"> bleichenden Lippen noch die heiligsten, andachtsvollsten, erschütterndsten Gesänge,<lb/> welche forttönen werden, bis im letzten I>is3 iias die Welt in Atome zerstäuben<lb/> wird. Den armen Musikanten Mozart und Beethoven haben ihre sämmtlichen<lb/> Werke wohl kaum 190 000 Mark eingetragen, und sie besaßen mich kein Hotel<lb/> Wahnfried und konnten nicht daran denken, die Fürstlichkeiten Europas bei sich<lb/> zu bewirten und sich in Seide und Sammt zu kleiden und glänzende Equipagen<lb/> und elegante Livreediener zu halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_835"> Damit soll durchaus nicht gesagt sein, daß wir Herrn Wagner Erfolge und<lb/> Einnahmen mißgönnen; wir freuen uns, endlich die Zeit gekommen zu sehen,<lb/> in der auch ein Künstler anständig und behaglich leben und eine gleichberechtigte<lb/> Stellung rede» den Höchstgebvreuen der Nation einnehmen kann. Auch der<lb/> „Meister" mußte sich einst mühsam emporarbeiten, bis plötzlich Fortuna mit der<lb/> Fülle ihrer Gaben ihn überschüttete. Persönlichkeiten, denen immense Mittel<lb/> zur Verfügung stehen, die aber sonst für das Gedeihen und die Entwicklung<lb/> der musikalischen Kunst nicht einen Nickel opferten, wurden, in der Hoffnung,<lb/> an seinem Schlepptau hängend in den Tempel der Unsterblichkeit eingeschmuggelt<lb/> zu werden, seine freigebigen Gönner und boten ihm, vereint mit den reichlich<lb/> fließenden Gaben zahlreicher, durch ganz Europa hin zerstreuter Bewunderer,<lb/> alle Mittel, seine weitgehendsten und kühnsten Pläne auszuführen. Gereichten<lb/> aber die überraschenden, nie dagewesenen Erfolge dieser Art ihm selbst und der<lb/> Kunst wirklich zum Segen? Hätten sich in einem ihm günstigen Momente nicht<lb/> zwei Augen geschlossen, Wagner würde vou seinen von der echten und idealen<lb/> Kunst keck abschweifenden Versuche» zurückgekommen, vielleicht noch einige Werke<lb/> wie „Tauuhüuser" und „Lohengrin" geschrieben, möglicherweise bei seinem Schaffen<lb/> auch an das Publikum, seine Wünsche und seine Fassungskraft und an die Mittel<lb/> und Kräfte unsrer Theater, welche der unmäßige Aufwand, den seine Opern er¬<lb/> fordern, ruinirt, gedacht haben. Ungemessene Ansprüche und maßloses Begehren<lb/> Hütten dann weise Beschränkung erfahren, und der alte Wahrspruch, daß vor<lb/> seinen: Ende niemand glücklich gepriesen werden sollte, würde nicht immer so<lb/> drohend vor seinen Blicken stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_836" next="#ID_837"> Nach der ersten Aufführung des „Tristan," der „Meistersinger," des „Nibe¬<lb/> lungenringes" wurden wohl Bedenken geäußert, ob diese Werke ihre» Weg auch<lb/> über andre Bühnen nehmen würden. Die Erfahrung hat bewiesen, daß trotz<lb/> aller Schwierigkeiten und Hindernisse, die gegen solches Unternehmen sich zu<lb/> erheben schienen, alle großen Theater größte Opfer an Zeit, Mühe und Geld<lb/> brachten, um diese Dramen ihrem Repertoire einverleiben zu können — nicht<lb/> zu ihrem Vorteile, denn alle Direktionen gelangten zu dem gleichen unerquick¬<lb/> lichen Resultate, daß die Ergebnisse zu den Opfern nicht im Verhältnis<lb/> standen. Man befriedigte wohl allerwärts die Neugierde, dann war es aber<lb/> auch mit der Anziehungskraft vorüber. Dem „Parsifal," halb Mysterium, halb<lb/> Zauberspiel, einer legendenhaften Kuriosität in wunderlich abenteuerlicher Mischling</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
Epilog zum parsifcil.
bleichenden Lippen noch die heiligsten, andachtsvollsten, erschütterndsten Gesänge,
welche forttönen werden, bis im letzten I>is3 iias die Welt in Atome zerstäuben
wird. Den armen Musikanten Mozart und Beethoven haben ihre sämmtlichen
Werke wohl kaum 190 000 Mark eingetragen, und sie besaßen mich kein Hotel
Wahnfried und konnten nicht daran denken, die Fürstlichkeiten Europas bei sich
zu bewirten und sich in Seide und Sammt zu kleiden und glänzende Equipagen
und elegante Livreediener zu halten.
Damit soll durchaus nicht gesagt sein, daß wir Herrn Wagner Erfolge und
Einnahmen mißgönnen; wir freuen uns, endlich die Zeit gekommen zu sehen,
in der auch ein Künstler anständig und behaglich leben und eine gleichberechtigte
Stellung rede» den Höchstgebvreuen der Nation einnehmen kann. Auch der
„Meister" mußte sich einst mühsam emporarbeiten, bis plötzlich Fortuna mit der
Fülle ihrer Gaben ihn überschüttete. Persönlichkeiten, denen immense Mittel
zur Verfügung stehen, die aber sonst für das Gedeihen und die Entwicklung
der musikalischen Kunst nicht einen Nickel opferten, wurden, in der Hoffnung,
an seinem Schlepptau hängend in den Tempel der Unsterblichkeit eingeschmuggelt
zu werden, seine freigebigen Gönner und boten ihm, vereint mit den reichlich
fließenden Gaben zahlreicher, durch ganz Europa hin zerstreuter Bewunderer,
alle Mittel, seine weitgehendsten und kühnsten Pläne auszuführen. Gereichten
aber die überraschenden, nie dagewesenen Erfolge dieser Art ihm selbst und der
Kunst wirklich zum Segen? Hätten sich in einem ihm günstigen Momente nicht
zwei Augen geschlossen, Wagner würde vou seinen von der echten und idealen
Kunst keck abschweifenden Versuche» zurückgekommen, vielleicht noch einige Werke
wie „Tauuhüuser" und „Lohengrin" geschrieben, möglicherweise bei seinem Schaffen
auch an das Publikum, seine Wünsche und seine Fassungskraft und an die Mittel
und Kräfte unsrer Theater, welche der unmäßige Aufwand, den seine Opern er¬
fordern, ruinirt, gedacht haben. Ungemessene Ansprüche und maßloses Begehren
Hütten dann weise Beschränkung erfahren, und der alte Wahrspruch, daß vor
seinen: Ende niemand glücklich gepriesen werden sollte, würde nicht immer so
drohend vor seinen Blicken stehen.
Nach der ersten Aufführung des „Tristan," der „Meistersinger," des „Nibe¬
lungenringes" wurden wohl Bedenken geäußert, ob diese Werke ihre» Weg auch
über andre Bühnen nehmen würden. Die Erfahrung hat bewiesen, daß trotz
aller Schwierigkeiten und Hindernisse, die gegen solches Unternehmen sich zu
erheben schienen, alle großen Theater größte Opfer an Zeit, Mühe und Geld
brachten, um diese Dramen ihrem Repertoire einverleiben zu können — nicht
zu ihrem Vorteile, denn alle Direktionen gelangten zu dem gleichen unerquick¬
lichen Resultate, daß die Ergebnisse zu den Opfern nicht im Verhältnis
standen. Man befriedigte wohl allerwärts die Neugierde, dann war es aber
auch mit der Anziehungskraft vorüber. Dem „Parsifal," halb Mysterium, halb
Zauberspiel, einer legendenhaften Kuriosität in wunderlich abenteuerlicher Mischling
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