Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.Lpilog zum Parsifal. verhimmelnder und grob sinnlicher Elemente, ist vielleicht ein günstigeres Pro¬ Vorläufig hat das Unternehmen in Bayreuth schou bedeutende Mittel in Um schließlich uoch an ein Wort Wagners anzuknüpfen, das ihm in seiner Lpilog zum Parsifal. verhimmelnder und grob sinnlicher Elemente, ist vielleicht ein günstigeres Pro¬ Vorläufig hat das Unternehmen in Bayreuth schou bedeutende Mittel in Um schließlich uoch an ein Wort Wagners anzuknüpfen, das ihm in seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194222"/> <fw type="header" place="top"> Lpilog zum Parsifal.</fw><lb/> <p xml:id="ID_837" prev="#ID_836"> verhimmelnder und grob sinnlicher Elemente, ist vielleicht ein günstigeres Pro¬<lb/> gnostikon zu stellen als den vorausgegangenen Werken Wagners. Man wird<lb/> sich im großen Publikum an seine übelnngebrachte, verkehrte und willkürliche<lb/> Symbolik, an die Vermischung religiöser und frivoler Ideen, nu die Marionetten,<lb/> die sich als abnorme Menschengestalten hier bewegen, an den Unsinn, die Inhalts¬<lb/> losigkeit und Handluugsarmnt der Dichtung ebensowenig stoßen, wie an die<lb/> Längen und den Gedankenmangel der Musik. Und die allezeit dienstwillige<lb/> Reklame wird in jeder Stadt, in der eine Aufführung geplant wird, mit auf¬<lb/> geblasenen Backen in das Lärmhorn stoßen und dem Erlöser aus den Banden<lb/> der veralteten Kunstrichtung und der überwundenen Standpunkte den Weg bereiten.<lb/> Die Leute aber werden sich so lange am „Parsifal" erlnstiren oder erbauen,<lb/> bis sie der unendlichen Melodie und der Leitmotive überdrüssig geworden sind.<lb/> Alle jene um die Wende des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts thätigen<lb/> Maler, die sich in unnatürlichen Übertreibungen und Verrenkungen gefielen, alle<lb/> jene hochtrabenden, schwülstigen Dichter derselben Zeit, alle Abgeschmacktheiten<lb/> der Perrücken, Haarbeutel, Zöpfe, Krinolinen, hohen Absätze u. s. f., gegen die<lb/> keine Vorstellung und Einrede fruchtete, sind, als sie überreif waren, von selbst<lb/> abgefallen und vergessen worden. Die Freunde echter Kunst brauchen also, wenn<lb/> sie die Nerirruugeu der Gegenwart staunend und bedauernd sehen, nicht zu ver¬<lb/> zagen. Es wird wieder anders und besser werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_838"> Vorläufig hat das Unternehmen in Bayreuth schou bedeutende Mittel in<lb/> de» Händen, und Wagner hat seinen Künstlern das Versprechen der Wiederkehr<lb/> abgenommen, um eine Repetitivn des Werkes im nächsten Jahre zu ermöglichen.<lb/> Die Unterstützung der Chor- und Orchesterkräfte des k. Hoftheaters in München<lb/> sollen ihm sogar für beide folgenden Jahre bereits zugesichert sein. Mögen um<lb/> aber die Solisten, die sich ihre Mitwirkung mit Tausenden bezahlen lassen, über<lb/> ihre Zeit nach Belieben verfügen, darüber dürften jedenfalls Bedenken walten,<lb/> ob mau die Künstler des Orchesters, die nach einem anstrengenden und auf¬<lb/> reibenden, elf Mouate umfassende»! Dienste doch gewiß einer Erholung und der<lb/> Ruhe sehr bedürfen, nochmals in die Verbannung nach Bayreuth und zur Über¬<lb/> nahme einer ihnen allen tief verhaßten Arbeit in den Goldminen der Bürgerreuth<lb/> aufs neue wird zwingen können. Die Folgen der letzten Monate und einer<lb/> entnervenden musikalischen Thätigkeit dürften sich überhaupt bald genug bei den<lb/> Mitwirkenden äußern- Wagner, der uuter den Fürsten Deutschlands so viele<lb/> Gönner hat, wird hoffentlich selbst so barmherzig und einsichtsvoll sein, zu den<lb/> nächsten Serien seiner Festspiele sich die Orchester von Meiningen, Gotha, Weimar,<lb/> Sondershausen und Dessau oder das Leipziger Gewandhausorchester zu erbitten.</p><lb/> <p xml:id="ID_839" next="#ID_840"> Um schließlich uoch an ein Wort Wagners anzuknüpfen, das ihm in seiner<lb/> Siegestruukeuheit unbedacht entschlüpfte: es mag unter den in Bayreuth zu-<lb/> sammeugeströmteu Zuschauern wohl recht viele „Verrückte" gegeben haben; diese<lb/> waren aber schon verrückt, als sie kamen. Die von: Meister so sehr gewünschte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0244]
Lpilog zum Parsifal.
verhimmelnder und grob sinnlicher Elemente, ist vielleicht ein günstigeres Pro¬
gnostikon zu stellen als den vorausgegangenen Werken Wagners. Man wird
sich im großen Publikum an seine übelnngebrachte, verkehrte und willkürliche
Symbolik, an die Vermischung religiöser und frivoler Ideen, nu die Marionetten,
die sich als abnorme Menschengestalten hier bewegen, an den Unsinn, die Inhalts¬
losigkeit und Handluugsarmnt der Dichtung ebensowenig stoßen, wie an die
Längen und den Gedankenmangel der Musik. Und die allezeit dienstwillige
Reklame wird in jeder Stadt, in der eine Aufführung geplant wird, mit auf¬
geblasenen Backen in das Lärmhorn stoßen und dem Erlöser aus den Banden
der veralteten Kunstrichtung und der überwundenen Standpunkte den Weg bereiten.
Die Leute aber werden sich so lange am „Parsifal" erlnstiren oder erbauen,
bis sie der unendlichen Melodie und der Leitmotive überdrüssig geworden sind.
Alle jene um die Wende des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts thätigen
Maler, die sich in unnatürlichen Übertreibungen und Verrenkungen gefielen, alle
jene hochtrabenden, schwülstigen Dichter derselben Zeit, alle Abgeschmacktheiten
der Perrücken, Haarbeutel, Zöpfe, Krinolinen, hohen Absätze u. s. f., gegen die
keine Vorstellung und Einrede fruchtete, sind, als sie überreif waren, von selbst
abgefallen und vergessen worden. Die Freunde echter Kunst brauchen also, wenn
sie die Nerirruugeu der Gegenwart staunend und bedauernd sehen, nicht zu ver¬
zagen. Es wird wieder anders und besser werden.
Vorläufig hat das Unternehmen in Bayreuth schou bedeutende Mittel in
de» Händen, und Wagner hat seinen Künstlern das Versprechen der Wiederkehr
abgenommen, um eine Repetitivn des Werkes im nächsten Jahre zu ermöglichen.
Die Unterstützung der Chor- und Orchesterkräfte des k. Hoftheaters in München
sollen ihm sogar für beide folgenden Jahre bereits zugesichert sein. Mögen um
aber die Solisten, die sich ihre Mitwirkung mit Tausenden bezahlen lassen, über
ihre Zeit nach Belieben verfügen, darüber dürften jedenfalls Bedenken walten,
ob mau die Künstler des Orchesters, die nach einem anstrengenden und auf¬
reibenden, elf Mouate umfassende»! Dienste doch gewiß einer Erholung und der
Ruhe sehr bedürfen, nochmals in die Verbannung nach Bayreuth und zur Über¬
nahme einer ihnen allen tief verhaßten Arbeit in den Goldminen der Bürgerreuth
aufs neue wird zwingen können. Die Folgen der letzten Monate und einer
entnervenden musikalischen Thätigkeit dürften sich überhaupt bald genug bei den
Mitwirkenden äußern- Wagner, der uuter den Fürsten Deutschlands so viele
Gönner hat, wird hoffentlich selbst so barmherzig und einsichtsvoll sein, zu den
nächsten Serien seiner Festspiele sich die Orchester von Meiningen, Gotha, Weimar,
Sondershausen und Dessau oder das Leipziger Gewandhausorchester zu erbitten.
Um schließlich uoch an ein Wort Wagners anzuknüpfen, das ihm in seiner
Siegestruukeuheit unbedacht entschlüpfte: es mag unter den in Bayreuth zu-
sammeugeströmteu Zuschauern wohl recht viele „Verrückte" gegeben haben; diese
waren aber schon verrückt, als sie kamen. Die von: Meister so sehr gewünschte
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