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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Epilog zum parsifal.

der Ehre, ihm die Hände küssen zu dürfen. Beschnittene und Unbeschnittcne
berauschen sich in dem Zauber, in dem er sie zu halten, und sonnen sich in der
scheinbaren Gunst, mit der er sie zu fesseln weiß, so lange -- er sie braucht.
Hoch und Niedrig, Groß und Klein, sobald sie in seine Kreise treten, sind wie
verhext. Der Veitstanz von Bciyrenth, wenn er wirklich einmal eine unpar¬
teiische, kühle Feder finden sollte, würde eine glänzende Illustration des gesagten
durch überraschende und pikante Anekdoten gewinnen können, die zu rechter Zeit
z" sammeln man nicht versäumen sollte.

Wenn man das Wort Komponiren mit Zusammensetzen verdeutscht, so ist
Wagner gewiß der größte aller Komponisten, denn einen geschickter" Znsammen¬
setzer aus kleinen Tonläppchen, allerdings anch einen eminenteren Jnstrnmentisten,
einen raffiuirtereu Regisseur, eiuen klüger rechnenden und kühner reflektirenden
Tonsetzer hat es nie gegeben. Wenn man aber mit dem in Rede stehenden
Begriffe auch den des genialen, freien Schaffens verbindet, des fessellvsen Anf-
strebeus zur Sonnenhöhe der Kunst, des ewigen NengestaltenS, der Unerschöpf¬
lichkeit der Erfindung, des Ideen- und Gedankenreichtums, der Melvdienfülle,
so steht der Vielgepriesene weit, sehr weit hinter großen Vorgängern zurück und
hat weder ein Recht, fortwährend mit ihnen in Parallele gesetzt, noch als die
höchste, letzte, die Kunst zur Vollendung gebracht habende musikalische Kraft be-
zeichnet zu werden.

Wagner würde vielleicht nicht so maßlos verblendet sein, wenn ihm nicht
die Weihrauchdämpfe, die seit Jahren vor seiner Nase aufsteigen, nud die schamlose,
widerliche Lobhudelei zahlloser in seinein Interesse thätigen Federn, die Gunst
und die Auszeichnungen hoher, höchster und reichster Personen und fortgesetzte
Huldigungen aller Art die Sinne verwirrt hätten.*) Wenn die in Bayreuth
erscheinenden Blätter von Byzantinismus überströmen, so ist das begreiflich, denn
Wagner ist in Wahrheit der größte Wohlthäter, der zweite Gründer der in
Vergessenheit und Lethargie versunken gewesenen Stadt; wenn aber jetzt auch
sonst unabhängige und bis vor sechs Jahren seinem Kultus fremd gebliebene
einflußreiche Blätter, auf deren Objektivität man Vertrauen zu setze" versucht
hatte, mit Sack und Pack in sein Lager übergegangen sind, so zeugt das von dein
mißervrdentlichen Einflusse, deu seine fanatisirten Anhänger und vielleicht auch
geschickt übermittelte Freikarten allerwärts geltend zu machen wußten. Es ist



*) Wenn im nächsten Jahrhundert in Anthologien Perlen aus der humoristischen Like^
ratur und aus der Literatur der Nnrrheit unsers Jahrhunderts werden zusammengestellt
werden, dürften die Schriften der Wagnerianer die ergiebigste Fundgrube bilden. Mau ist
stets auf die abgeschmacktesten Überschwenglichkeiten gefaßt, wenn ein von Bnyreuth aus inspi-
rirter zur Feder greift. Die widerlichste Schmeichelei und hirnschelligste Dummheit blieb jedoch
einem Münchner Knnstauktionator vorbehalten. In der Vorrede des von I. Maillinger
herausgegebenen Schafferscheu Autvgraphenkatalogs wird ein Waguersches Autograph mit
den Worten angepriesen: Der Unsterblichen unsterblichster R. Waguerl
Epilog zum parsifal.

der Ehre, ihm die Hände küssen zu dürfen. Beschnittene und Unbeschnittcne
berauschen sich in dem Zauber, in dem er sie zu halten, und sonnen sich in der
scheinbaren Gunst, mit der er sie zu fesseln weiß, so lange — er sie braucht.
Hoch und Niedrig, Groß und Klein, sobald sie in seine Kreise treten, sind wie
verhext. Der Veitstanz von Bciyrenth, wenn er wirklich einmal eine unpar¬
teiische, kühle Feder finden sollte, würde eine glänzende Illustration des gesagten
durch überraschende und pikante Anekdoten gewinnen können, die zu rechter Zeit
z» sammeln man nicht versäumen sollte.

Wenn man das Wort Komponiren mit Zusammensetzen verdeutscht, so ist
Wagner gewiß der größte aller Komponisten, denn einen geschickter« Znsammen¬
setzer aus kleinen Tonläppchen, allerdings anch einen eminenteren Jnstrnmentisten,
einen raffiuirtereu Regisseur, eiuen klüger rechnenden und kühner reflektirenden
Tonsetzer hat es nie gegeben. Wenn man aber mit dem in Rede stehenden
Begriffe auch den des genialen, freien Schaffens verbindet, des fessellvsen Anf-
strebeus zur Sonnenhöhe der Kunst, des ewigen NengestaltenS, der Unerschöpf¬
lichkeit der Erfindung, des Ideen- und Gedankenreichtums, der Melvdienfülle,
so steht der Vielgepriesene weit, sehr weit hinter großen Vorgängern zurück und
hat weder ein Recht, fortwährend mit ihnen in Parallele gesetzt, noch als die
höchste, letzte, die Kunst zur Vollendung gebracht habende musikalische Kraft be-
zeichnet zu werden.

Wagner würde vielleicht nicht so maßlos verblendet sein, wenn ihm nicht
die Weihrauchdämpfe, die seit Jahren vor seiner Nase aufsteigen, nud die schamlose,
widerliche Lobhudelei zahlloser in seinein Interesse thätigen Federn, die Gunst
und die Auszeichnungen hoher, höchster und reichster Personen und fortgesetzte
Huldigungen aller Art die Sinne verwirrt hätten.*) Wenn die in Bayreuth
erscheinenden Blätter von Byzantinismus überströmen, so ist das begreiflich, denn
Wagner ist in Wahrheit der größte Wohlthäter, der zweite Gründer der in
Vergessenheit und Lethargie versunken gewesenen Stadt; wenn aber jetzt auch
sonst unabhängige und bis vor sechs Jahren seinem Kultus fremd gebliebene
einflußreiche Blätter, auf deren Objektivität man Vertrauen zu setze» versucht
hatte, mit Sack und Pack in sein Lager übergegangen sind, so zeugt das von dein
mißervrdentlichen Einflusse, deu seine fanatisirten Anhänger und vielleicht auch
geschickt übermittelte Freikarten allerwärts geltend zu machen wußten. Es ist



*) Wenn im nächsten Jahrhundert in Anthologien Perlen aus der humoristischen Like^
ratur und aus der Literatur der Nnrrheit unsers Jahrhunderts werden zusammengestellt
werden, dürften die Schriften der Wagnerianer die ergiebigste Fundgrube bilden. Mau ist
stets auf die abgeschmacktesten Überschwenglichkeiten gefaßt, wenn ein von Bnyreuth aus inspi-
rirter zur Feder greift. Die widerlichste Schmeichelei und hirnschelligste Dummheit blieb jedoch
einem Münchner Knnstauktionator vorbehalten. In der Vorrede des von I. Maillinger
herausgegebenen Schafferscheu Autvgraphenkatalogs wird ein Waguersches Autograph mit
den Worten angepriesen: Der Unsterblichen unsterblichster R. Waguerl
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[0241] Epilog zum parsifal. der Ehre, ihm die Hände küssen zu dürfen. Beschnittene und Unbeschnittcne berauschen sich in dem Zauber, in dem er sie zu halten, und sonnen sich in der scheinbaren Gunst, mit der er sie zu fesseln weiß, so lange — er sie braucht. Hoch und Niedrig, Groß und Klein, sobald sie in seine Kreise treten, sind wie verhext. Der Veitstanz von Bciyrenth, wenn er wirklich einmal eine unpar¬ teiische, kühle Feder finden sollte, würde eine glänzende Illustration des gesagten durch überraschende und pikante Anekdoten gewinnen können, die zu rechter Zeit z» sammeln man nicht versäumen sollte. Wenn man das Wort Komponiren mit Zusammensetzen verdeutscht, so ist Wagner gewiß der größte aller Komponisten, denn einen geschickter« Znsammen¬ setzer aus kleinen Tonläppchen, allerdings anch einen eminenteren Jnstrnmentisten, einen raffiuirtereu Regisseur, eiuen klüger rechnenden und kühner reflektirenden Tonsetzer hat es nie gegeben. Wenn man aber mit dem in Rede stehenden Begriffe auch den des genialen, freien Schaffens verbindet, des fessellvsen Anf- strebeus zur Sonnenhöhe der Kunst, des ewigen NengestaltenS, der Unerschöpf¬ lichkeit der Erfindung, des Ideen- und Gedankenreichtums, der Melvdienfülle, so steht der Vielgepriesene weit, sehr weit hinter großen Vorgängern zurück und hat weder ein Recht, fortwährend mit ihnen in Parallele gesetzt, noch als die höchste, letzte, die Kunst zur Vollendung gebracht habende musikalische Kraft be- zeichnet zu werden. Wagner würde vielleicht nicht so maßlos verblendet sein, wenn ihm nicht die Weihrauchdämpfe, die seit Jahren vor seiner Nase aufsteigen, nud die schamlose, widerliche Lobhudelei zahlloser in seinein Interesse thätigen Federn, die Gunst und die Auszeichnungen hoher, höchster und reichster Personen und fortgesetzte Huldigungen aller Art die Sinne verwirrt hätten.*) Wenn die in Bayreuth erscheinenden Blätter von Byzantinismus überströmen, so ist das begreiflich, denn Wagner ist in Wahrheit der größte Wohlthäter, der zweite Gründer der in Vergessenheit und Lethargie versunken gewesenen Stadt; wenn aber jetzt auch sonst unabhängige und bis vor sechs Jahren seinem Kultus fremd gebliebene einflußreiche Blätter, auf deren Objektivität man Vertrauen zu setze» versucht hatte, mit Sack und Pack in sein Lager übergegangen sind, so zeugt das von dein mißervrdentlichen Einflusse, deu seine fanatisirten Anhänger und vielleicht auch geschickt übermittelte Freikarten allerwärts geltend zu machen wußten. Es ist *) Wenn im nächsten Jahrhundert in Anthologien Perlen aus der humoristischen Like^ ratur und aus der Literatur der Nnrrheit unsers Jahrhunderts werden zusammengestellt werden, dürften die Schriften der Wagnerianer die ergiebigste Fundgrube bilden. Mau ist stets auf die abgeschmacktesten Überschwenglichkeiten gefaßt, wenn ein von Bnyreuth aus inspi- rirter zur Feder greift. Die widerlichste Schmeichelei und hirnschelligste Dummheit blieb jedoch einem Münchner Knnstauktionator vorbehalten. In der Vorrede des von I. Maillinger herausgegebenen Schafferscheu Autvgraphenkatalogs wird ein Waguersches Autograph mit den Worten angepriesen: Der Unsterblichen unsterblichster R. Waguerl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/241>, abgerufen am 29.06.2024.