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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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politische Malerei.

Buntes Gefolge umgiebt die beiden Hauptpersonen, geistliche und weltliche
Würdenträger, Fürsten und Fürstinnen; am Fuße des Gerüstes und an deu
Fenstern der Häuser wimmelt es von Zuschauern; ein klarer Himmel wölbt sich
über der Zeremonie, und lustig flattern das polnische und das preußische Banner.
In den Raum komponirt ist das Bild besser als irgend ein früheres desselben
Künstlers, doch lösen sich die einzelnen Gestalten nicht recht ans dem Gewirr,
und welchen Anteil die verschiedenen Herren an dem Borgange nehmen, würden
wir ohne Maryjan Gorzkowskis "Anleitungen" nimmermehr erfahren.

Dieser Herr wirft zuerst einen Rückblick ans die Beziehungen zwischen Polen
und dem Ordenslnude. Daß er die Dinge vom nativnnlpoluischeu Standpunkt
aus darstellt, wollen wir ihm nicht verübeln und um wenigsten die Ordens-
wirtschnft reinzuwaschen versuchen. Aber gut nimmt es sich in der Zeit der er¬
bitterten Verfolgung des ruthenischen Elementes in Galizien ans, wenn versichert
wird, nicht "Bestechungen oder Aufwiegeleien" hätten die Einmischung der Polen
in die Zwistigkeiten zwischen Kreuzherren und Städten herbeigeführt, die letztern
hätten um Einverleibung in den Staat gebeten, in welchem "Sitten und Ge--
brauche einer jeden einzelnen Provinz, einer jeden Nationalität geehrt werden."
Interessanter freilich ist die Art, wie "der aufs Haupt geschlagene, niederge¬
beugte, mutlose und verzagte und von der Religion abgefallene Mönch und
Großmeister" -- Herzog Albrecht -- eingeführt wird. Beinahe jedes ihm ge¬
widmete Wort ist in Gift getränkt. Und auf ein Publikum speknlireud, welches
mit den historischen Thatsachen wenig vertraut ist, sucht der Verfasser glauben
zu macheu, daß die Großmacht Preußen ihre Existenz der Großmut Polens
verdanke. Vielleicht sind ihm selbst die Verhältnisse unbekannt, welche den Kur¬
fürsten Friedrich III. vou Brandenburg bestimmten, die Königswürde für das
nicht dem deutschen Reiche angehörende Land anzunehmen; aber das muß er
doch wohl wissen, daß aus dem Staate Brandenburg und nicht aus dem Her¬
zogtum Preußen, welches 1618 an jenen fiel, die preußische Monarchie sich ent¬
wickelt hat, sodaß es ein Unsinn ist, zu behaupten, Albrecht habe, indem er
Preußen als erbliches Fürstentum von Polen zu Lehen nahm, "der heutigen
preußischen Monarchie den Anfang gegeben." Das Spiel, welches mit den ver¬
schiedenen Bedeutungen des Wortes preußisch getrieben wird, läßt über die be¬
wußte Absicht zu verwirren keinen Zweifel bestehen: das Herzogtum, dessen ur¬
sprüngliche Bewohner, das Königreich, das Herrscherhaus -- nie ist völlig klar,
was gemeint sei. Und dafür kann die elende Übersetzung des polnischen Orginal-
textes nicht verantwortlich gemacht werdeu. Matejko hat ein Pamphlet gemalt,
und wäre die Macht so groß, wie der böse Wille, so dürfte man eS mit den
Flngschrifte" vergleichen, welche Napoleon III. als Sturmvögel seinen großen
Aktionen voranzuschicken pflegte.

Polen hat von der Überfülle seiner Gnade einen Tropfen auf den "Branden¬
burger" fallen lassen, anstatt Ostpreußen sich einzuverleiben, hat es dasselbe


politische Malerei.

Buntes Gefolge umgiebt die beiden Hauptpersonen, geistliche und weltliche
Würdenträger, Fürsten und Fürstinnen; am Fuße des Gerüstes und an deu
Fenstern der Häuser wimmelt es von Zuschauern; ein klarer Himmel wölbt sich
über der Zeremonie, und lustig flattern das polnische und das preußische Banner.
In den Raum komponirt ist das Bild besser als irgend ein früheres desselben
Künstlers, doch lösen sich die einzelnen Gestalten nicht recht ans dem Gewirr,
und welchen Anteil die verschiedenen Herren an dem Borgange nehmen, würden
wir ohne Maryjan Gorzkowskis „Anleitungen" nimmermehr erfahren.

Dieser Herr wirft zuerst einen Rückblick ans die Beziehungen zwischen Polen
und dem Ordenslnude. Daß er die Dinge vom nativnnlpoluischeu Standpunkt
aus darstellt, wollen wir ihm nicht verübeln und um wenigsten die Ordens-
wirtschnft reinzuwaschen versuchen. Aber gut nimmt es sich in der Zeit der er¬
bitterten Verfolgung des ruthenischen Elementes in Galizien ans, wenn versichert
wird, nicht „Bestechungen oder Aufwiegeleien" hätten die Einmischung der Polen
in die Zwistigkeiten zwischen Kreuzherren und Städten herbeigeführt, die letztern
hätten um Einverleibung in den Staat gebeten, in welchem „Sitten und Ge--
brauche einer jeden einzelnen Provinz, einer jeden Nationalität geehrt werden."
Interessanter freilich ist die Art, wie „der aufs Haupt geschlagene, niederge¬
beugte, mutlose und verzagte und von der Religion abgefallene Mönch und
Großmeister" — Herzog Albrecht — eingeführt wird. Beinahe jedes ihm ge¬
widmete Wort ist in Gift getränkt. Und auf ein Publikum speknlireud, welches
mit den historischen Thatsachen wenig vertraut ist, sucht der Verfasser glauben
zu macheu, daß die Großmacht Preußen ihre Existenz der Großmut Polens
verdanke. Vielleicht sind ihm selbst die Verhältnisse unbekannt, welche den Kur¬
fürsten Friedrich III. vou Brandenburg bestimmten, die Königswürde für das
nicht dem deutschen Reiche angehörende Land anzunehmen; aber das muß er
doch wohl wissen, daß aus dem Staate Brandenburg und nicht aus dem Her¬
zogtum Preußen, welches 1618 an jenen fiel, die preußische Monarchie sich ent¬
wickelt hat, sodaß es ein Unsinn ist, zu behaupten, Albrecht habe, indem er
Preußen als erbliches Fürstentum von Polen zu Lehen nahm, „der heutigen
preußischen Monarchie den Anfang gegeben." Das Spiel, welches mit den ver¬
schiedenen Bedeutungen des Wortes preußisch getrieben wird, läßt über die be¬
wußte Absicht zu verwirren keinen Zweifel bestehen: das Herzogtum, dessen ur¬
sprüngliche Bewohner, das Königreich, das Herrscherhaus — nie ist völlig klar,
was gemeint sei. Und dafür kann die elende Übersetzung des polnischen Orginal-
textes nicht verantwortlich gemacht werdeu. Matejko hat ein Pamphlet gemalt,
und wäre die Macht so groß, wie der böse Wille, so dürfte man eS mit den
Flngschrifte» vergleichen, welche Napoleon III. als Sturmvögel seinen großen
Aktionen voranzuschicken pflegte.

Polen hat von der Überfülle seiner Gnade einen Tropfen auf den „Branden¬
burger" fallen lassen, anstatt Ostpreußen sich einzuverleiben, hat es dasselbe


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[0234] politische Malerei. Buntes Gefolge umgiebt die beiden Hauptpersonen, geistliche und weltliche Würdenträger, Fürsten und Fürstinnen; am Fuße des Gerüstes und an deu Fenstern der Häuser wimmelt es von Zuschauern; ein klarer Himmel wölbt sich über der Zeremonie, und lustig flattern das polnische und das preußische Banner. In den Raum komponirt ist das Bild besser als irgend ein früheres desselben Künstlers, doch lösen sich die einzelnen Gestalten nicht recht ans dem Gewirr, und welchen Anteil die verschiedenen Herren an dem Borgange nehmen, würden wir ohne Maryjan Gorzkowskis „Anleitungen" nimmermehr erfahren. Dieser Herr wirft zuerst einen Rückblick ans die Beziehungen zwischen Polen und dem Ordenslnude. Daß er die Dinge vom nativnnlpoluischeu Standpunkt aus darstellt, wollen wir ihm nicht verübeln und um wenigsten die Ordens- wirtschnft reinzuwaschen versuchen. Aber gut nimmt es sich in der Zeit der er¬ bitterten Verfolgung des ruthenischen Elementes in Galizien ans, wenn versichert wird, nicht „Bestechungen oder Aufwiegeleien" hätten die Einmischung der Polen in die Zwistigkeiten zwischen Kreuzherren und Städten herbeigeführt, die letztern hätten um Einverleibung in den Staat gebeten, in welchem „Sitten und Ge-- brauche einer jeden einzelnen Provinz, einer jeden Nationalität geehrt werden." Interessanter freilich ist die Art, wie „der aufs Haupt geschlagene, niederge¬ beugte, mutlose und verzagte und von der Religion abgefallene Mönch und Großmeister" — Herzog Albrecht — eingeführt wird. Beinahe jedes ihm ge¬ widmete Wort ist in Gift getränkt. Und auf ein Publikum speknlireud, welches mit den historischen Thatsachen wenig vertraut ist, sucht der Verfasser glauben zu macheu, daß die Großmacht Preußen ihre Existenz der Großmut Polens verdanke. Vielleicht sind ihm selbst die Verhältnisse unbekannt, welche den Kur¬ fürsten Friedrich III. vou Brandenburg bestimmten, die Königswürde für das nicht dem deutschen Reiche angehörende Land anzunehmen; aber das muß er doch wohl wissen, daß aus dem Staate Brandenburg und nicht aus dem Her¬ zogtum Preußen, welches 1618 an jenen fiel, die preußische Monarchie sich ent¬ wickelt hat, sodaß es ein Unsinn ist, zu behaupten, Albrecht habe, indem er Preußen als erbliches Fürstentum von Polen zu Lehen nahm, „der heutigen preußischen Monarchie den Anfang gegeben." Das Spiel, welches mit den ver¬ schiedenen Bedeutungen des Wortes preußisch getrieben wird, läßt über die be¬ wußte Absicht zu verwirren keinen Zweifel bestehen: das Herzogtum, dessen ur¬ sprüngliche Bewohner, das Königreich, das Herrscherhaus — nie ist völlig klar, was gemeint sei. Und dafür kann die elende Übersetzung des polnischen Orginal- textes nicht verantwortlich gemacht werdeu. Matejko hat ein Pamphlet gemalt, und wäre die Macht so groß, wie der böse Wille, so dürfte man eS mit den Flngschrifte» vergleichen, welche Napoleon III. als Sturmvögel seinen großen Aktionen voranzuschicken pflegte. Polen hat von der Überfülle seiner Gnade einen Tropfen auf den „Branden¬ burger" fallen lassen, anstatt Ostpreußen sich einzuverleiben, hat es dasselbe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/234>, abgerufen am 29.06.2024.