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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Politische Malerei.

einem deutschen Fürsten und noch dazu einem Protestanten verliehen: ein schweres
Versehen, das aber nicht sein Recht der Revindikation aufhebt. Polen muß
wiederhergestellt werden, und zwar in den Grenzen, welche es in den Tagen
seiner höchsten Macht hatte: das sagt nicht nur das dem Lande Galizien zum
Geschelte gemachte Bild, sondern sogar der Rahmen, aus welchem nnter andern
die Wappen der Fürstentümer Preußen, Moldau, Walachei und Masvwien an¬
gebracht sind. Das Haupthindernis der Erfüllung dieses Wunsches ist das
Reich von Polens Gnaden, jenes Preußen, die Burg der deutschen Tyrannei,
unter welcher die slavischen Völker schmachten. In Österreich bilden sie jenes
Joch abgeschüttelt und rücken nun konzentrisch vor, um alle die Gebiete wieder
zu erobern, von welchen sie nnter habsburgischen Zepter im Laufe der Jahr¬
hunderte verdrängt worden sind. Tschechen und Slovencn blicken froh in die
Zukunft, doch die Polen können sich nicht damit zufrieden geben, überwiegenden
Einfluß auf die Geschicke Österreichs auszuüben, sie haben ein weiteres Ziel.

Da seht den "kreuzritterlicheu Würdenträger, ein Prototyp der ganzen
spätern kalten, strengen, unbeugsamen, systematischem, erwägenden und zugleich
stolzen preußischen Generation." Der bnrtumwallte Kopf der ritterlichen Gestalt
ist, wie der Kommentar berichtet, dem Bilde des letzten Hochmeisters in Marien¬
burg oder (!) dem auf seinen Medaillen ähnlich; allein man flüstert uns zu,
der Maler habe daneben ein lebendes Modell, den Erben der preusnscheu Krone,
gewählt, in welchem Falle er sich als Pvrträtist nicht bewährt haben würde.
^>ehe Albrechts Brüder: der eine "ein großer Schwelger und Trunkenbold," der
andre in "prahlerischer Stellung." Seht den nachmaligen preußischen Kanzler
Kreutzer, auf seinem Gesichte "spielt ein verborgenes süßliches Lächeln," und
den Hnuptbeförderer der "preußischen Huldigung," den Krakauer Wojwodeu
Szydlvwieeki, den "habsüchtigen und fast gänzlich unfähigen Kopf."

Auf der andern Seite, der polnischem, gewahren wir dagegen lauter "wackere,
herrliche, wunderschöne" n. s. w. Männer, die "alle, in sich gekehrt, über diesen
historischen Akt nachzudenken lind von einem gewissen Vorgefühl der traurigen
Folgen erfüllt zu sein scheinen, welche aus diesem Ereignisse nach einigen Jahr¬
hunderten erst erwachsen sind." Doch hat sich hier der Verfasser durch den
Schein täuschen lassen. Denn einige Seiten weiter sagt er voll dem "polnischen
Hamlet," dem Hofnarren Stanezyk, welcher "uns einen tiefern psychischen und
sehr weisen Charakter enthüllt, der jedoch eine ironische Richtung genommen
hat": "Er ist vielleicht der einzige, dessen Geist einen klaren, hellen und rich¬
tigen Begriff von der Lage der Dinge hat. Er ist der einzige unter allen
Gestalten des Bildes, der mit Erwägung vor sich hinblickt, sich durch keine Ein¬
bildung irreführen läßt, und dem es ahnt, daß dieser historische Akt den Aulas;
6" einer: Reihe der größten Verluste in der Zukunft und der empfindlichsten
und verschiedenartigsten Schmerzen unsers Volkes geben wird. Seine Hingebung
'se groß mit sein Antlitz verrät allzudeutlich, daß er trotzdem noch immer mit


Politische Malerei.

einem deutschen Fürsten und noch dazu einem Protestanten verliehen: ein schweres
Versehen, das aber nicht sein Recht der Revindikation aufhebt. Polen muß
wiederhergestellt werden, und zwar in den Grenzen, welche es in den Tagen
seiner höchsten Macht hatte: das sagt nicht nur das dem Lande Galizien zum
Geschelte gemachte Bild, sondern sogar der Rahmen, aus welchem nnter andern
die Wappen der Fürstentümer Preußen, Moldau, Walachei und Masvwien an¬
gebracht sind. Das Haupthindernis der Erfüllung dieses Wunsches ist das
Reich von Polens Gnaden, jenes Preußen, die Burg der deutschen Tyrannei,
unter welcher die slavischen Völker schmachten. In Österreich bilden sie jenes
Joch abgeschüttelt und rücken nun konzentrisch vor, um alle die Gebiete wieder
zu erobern, von welchen sie nnter habsburgischen Zepter im Laufe der Jahr¬
hunderte verdrängt worden sind. Tschechen und Slovencn blicken froh in die
Zukunft, doch die Polen können sich nicht damit zufrieden geben, überwiegenden
Einfluß auf die Geschicke Österreichs auszuüben, sie haben ein weiteres Ziel.

Da seht den „kreuzritterlicheu Würdenträger, ein Prototyp der ganzen
spätern kalten, strengen, unbeugsamen, systematischem, erwägenden und zugleich
stolzen preußischen Generation." Der bnrtumwallte Kopf der ritterlichen Gestalt
ist, wie der Kommentar berichtet, dem Bilde des letzten Hochmeisters in Marien¬
burg oder (!) dem auf seinen Medaillen ähnlich; allein man flüstert uns zu,
der Maler habe daneben ein lebendes Modell, den Erben der preusnscheu Krone,
gewählt, in welchem Falle er sich als Pvrträtist nicht bewährt haben würde.
^>ehe Albrechts Brüder: der eine „ein großer Schwelger und Trunkenbold," der
andre in „prahlerischer Stellung." Seht den nachmaligen preußischen Kanzler
Kreutzer, auf seinem Gesichte „spielt ein verborgenes süßliches Lächeln," und
den Hnuptbeförderer der „preußischen Huldigung," den Krakauer Wojwodeu
Szydlvwieeki, den „habsüchtigen und fast gänzlich unfähigen Kopf."

Auf der andern Seite, der polnischem, gewahren wir dagegen lauter „wackere,
herrliche, wunderschöne" n. s. w. Männer, die „alle, in sich gekehrt, über diesen
historischen Akt nachzudenken lind von einem gewissen Vorgefühl der traurigen
Folgen erfüllt zu sein scheinen, welche aus diesem Ereignisse nach einigen Jahr¬
hunderten erst erwachsen sind." Doch hat sich hier der Verfasser durch den
Schein täuschen lassen. Denn einige Seiten weiter sagt er voll dem „polnischen
Hamlet," dem Hofnarren Stanezyk, welcher „uns einen tiefern psychischen und
sehr weisen Charakter enthüllt, der jedoch eine ironische Richtung genommen
hat": „Er ist vielleicht der einzige, dessen Geist einen klaren, hellen und rich¬
tigen Begriff von der Lage der Dinge hat. Er ist der einzige unter allen
Gestalten des Bildes, der mit Erwägung vor sich hinblickt, sich durch keine Ein¬
bildung irreführen läßt, und dem es ahnt, daß dieser historische Akt den Aulas;
6» einer: Reihe der größten Verluste in der Zukunft und der empfindlichsten
und verschiedenartigsten Schmerzen unsers Volkes geben wird. Seine Hingebung
'se groß mit sein Antlitz verrät allzudeutlich, daß er trotzdem noch immer mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/235>, abgerufen am 29.06.2024.