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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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ficht und bei aller Anerkennung der großen Schwierigkeiten, die sich der Übersetzerin
entgegenstellten und die sie durch Beibehaltung des ursprünglichen Versmaßes,
einer nicht ganz einfachen Strophe, -- unsrer Meinung nach -- unnützerweise
vermehrt hat, müssen wir doch erklären, daß die Freiheiten, die sich die Über¬
setzerin in Bezug auf die Wortstellung nimmt, das Maß des anch in unsrer so
nachsichtigen Sprache erlaubten weit überschreiten, nud daß sie vor allem sich
eine Menge von offenbaren Fehlern zu Schulden kommen läßt, die auf eine
nur mangelhafte Kenntnis des Deutschen schließen lassen. Ihre sprachliche Un¬
sicherheit erklärt sich dnrch ihre Entfernung vom Heimntlande (sie stammt aus
der deutschen Schweiz und lebt in Nizza); aber es wäre dringend rätlich ge¬
wesen, daß sie sich mit einem der Sprache völlig kundigen vereinigt hätte, um-
somehr, als "dnrch einen mit dem Dichter abgeschlossenen Vertrag jede andre
Übersetzung dieses Werkes, sei es in einzelnen Teilen oder als Ganzes, in Versen
oder in Prosa, für den Augenblick durchaus untersagt wird," wie in einer Vor¬
bemerkung zu lesen steht. Wer ein solches Recht für sich so ausschließlich in
Anspruch nimmt, muß zur Ausübung desselben mehr als den guten Willen mit¬
bringen. Gegenüber der Thatsache, daß kaum eine Strophe der vorliegenden
Übersetzung von einem größern oder kleinern Verstoß gegen die Regeln der Be¬
tonung oder der Metrik oder der Wortstellung oder des Sprachgebrauchs oder
der Grammatik frei ist, nimmt sich die Versicherung der Übersetzerin (S. I^XXII
der Vorrede), daß sie die Anzahl und den Umfang der Unvollkommenheiten, die
ihrem Buche anhaften, gar wohl zu kennen glaube, und ihre Erklärung (S. I.XXI II).
daß sie jeden etwaigen Verstoß gegen die Reinheit der deutschen Sprache leb¬
haft bedauere, doch recht seltsam aus.

Da wir nur die Wahl zwischen dieser oder keiner Übersetzung haben, müssen
wir uns freilich daran genügen lassen. Der Inhalt läßt -- wenn auch mit
einiger Mühe -- die UnVollkommenheiten der Form vergessen, und vielleicht
kommt noch der Augenblick, wo entweder ein wirklicher deutscher Dichter sich an
die Ausgabe der Übertragung dieses Epos, das entschieden gekannt zu werden
verdient, machen darf, oder wo doch die vorliegende Übersetzung dnrch eine aus¬
giebige Berichtigung und Verbesserung so hergestellt wird, daß der deutsche Leser
den wertvollen Kern in einer wenigstens annähernd gleich wertvollen Schale
genießen kann.




ficht und bei aller Anerkennung der großen Schwierigkeiten, die sich der Übersetzerin
entgegenstellten und die sie durch Beibehaltung des ursprünglichen Versmaßes,
einer nicht ganz einfachen Strophe, — unsrer Meinung nach — unnützerweise
vermehrt hat, müssen wir doch erklären, daß die Freiheiten, die sich die Über¬
setzerin in Bezug auf die Wortstellung nimmt, das Maß des anch in unsrer so
nachsichtigen Sprache erlaubten weit überschreiten, nud daß sie vor allem sich
eine Menge von offenbaren Fehlern zu Schulden kommen läßt, die auf eine
nur mangelhafte Kenntnis des Deutschen schließen lassen. Ihre sprachliche Un¬
sicherheit erklärt sich dnrch ihre Entfernung vom Heimntlande (sie stammt aus
der deutschen Schweiz und lebt in Nizza); aber es wäre dringend rätlich ge¬
wesen, daß sie sich mit einem der Sprache völlig kundigen vereinigt hätte, um-
somehr, als „dnrch einen mit dem Dichter abgeschlossenen Vertrag jede andre
Übersetzung dieses Werkes, sei es in einzelnen Teilen oder als Ganzes, in Versen
oder in Prosa, für den Augenblick durchaus untersagt wird," wie in einer Vor¬
bemerkung zu lesen steht. Wer ein solches Recht für sich so ausschließlich in
Anspruch nimmt, muß zur Ausübung desselben mehr als den guten Willen mit¬
bringen. Gegenüber der Thatsache, daß kaum eine Strophe der vorliegenden
Übersetzung von einem größern oder kleinern Verstoß gegen die Regeln der Be¬
tonung oder der Metrik oder der Wortstellung oder des Sprachgebrauchs oder
der Grammatik frei ist, nimmt sich die Versicherung der Übersetzerin (S. I^XXII
der Vorrede), daß sie die Anzahl und den Umfang der Unvollkommenheiten, die
ihrem Buche anhaften, gar wohl zu kennen glaube, und ihre Erklärung (S. I.XXI II).
daß sie jeden etwaigen Verstoß gegen die Reinheit der deutschen Sprache leb¬
haft bedauere, doch recht seltsam aus.

Da wir nur die Wahl zwischen dieser oder keiner Übersetzung haben, müssen
wir uns freilich daran genügen lassen. Der Inhalt läßt — wenn auch mit
einiger Mühe — die UnVollkommenheiten der Form vergessen, und vielleicht
kommt noch der Augenblick, wo entweder ein wirklicher deutscher Dichter sich an
die Ausgabe der Übertragung dieses Epos, das entschieden gekannt zu werden
verdient, machen darf, oder wo doch die vorliegende Übersetzung dnrch eine aus¬
giebige Berichtigung und Verbesserung so hergestellt wird, daß der deutsche Leser
den wertvollen Kern in einer wenigstens annähernd gleich wertvollen Schale
genießen kann.




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[0232] ficht und bei aller Anerkennung der großen Schwierigkeiten, die sich der Übersetzerin entgegenstellten und die sie durch Beibehaltung des ursprünglichen Versmaßes, einer nicht ganz einfachen Strophe, — unsrer Meinung nach — unnützerweise vermehrt hat, müssen wir doch erklären, daß die Freiheiten, die sich die Über¬ setzerin in Bezug auf die Wortstellung nimmt, das Maß des anch in unsrer so nachsichtigen Sprache erlaubten weit überschreiten, nud daß sie vor allem sich eine Menge von offenbaren Fehlern zu Schulden kommen läßt, die auf eine nur mangelhafte Kenntnis des Deutschen schließen lassen. Ihre sprachliche Un¬ sicherheit erklärt sich dnrch ihre Entfernung vom Heimntlande (sie stammt aus der deutschen Schweiz und lebt in Nizza); aber es wäre dringend rätlich ge¬ wesen, daß sie sich mit einem der Sprache völlig kundigen vereinigt hätte, um- somehr, als „dnrch einen mit dem Dichter abgeschlossenen Vertrag jede andre Übersetzung dieses Werkes, sei es in einzelnen Teilen oder als Ganzes, in Versen oder in Prosa, für den Augenblick durchaus untersagt wird," wie in einer Vor¬ bemerkung zu lesen steht. Wer ein solches Recht für sich so ausschließlich in Anspruch nimmt, muß zur Ausübung desselben mehr als den guten Willen mit¬ bringen. Gegenüber der Thatsache, daß kaum eine Strophe der vorliegenden Übersetzung von einem größern oder kleinern Verstoß gegen die Regeln der Be¬ tonung oder der Metrik oder der Wortstellung oder des Sprachgebrauchs oder der Grammatik frei ist, nimmt sich die Versicherung der Übersetzerin (S. I^XXII der Vorrede), daß sie die Anzahl und den Umfang der Unvollkommenheiten, die ihrem Buche anhaften, gar wohl zu kennen glaube, und ihre Erklärung (S. I.XXI II). daß sie jeden etwaigen Verstoß gegen die Reinheit der deutschen Sprache leb¬ haft bedauere, doch recht seltsam aus. Da wir nur die Wahl zwischen dieser oder keiner Übersetzung haben, müssen wir uns freilich daran genügen lassen. Der Inhalt läßt — wenn auch mit einiger Mühe — die UnVollkommenheiten der Form vergessen, und vielleicht kommt noch der Augenblick, wo entweder ein wirklicher deutscher Dichter sich an die Ausgabe der Übertragung dieses Epos, das entschieden gekannt zu werden verdient, machen darf, oder wo doch die vorliegende Übersetzung dnrch eine aus¬ giebige Berichtigung und Verbesserung so hergestellt wird, daß der deutsche Leser den wertvollen Kern in einer wenigstens annähernd gleich wertvollen Schale genießen kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/232>, abgerufen am 28.09.2024.