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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Wehrpflicht und Erziehung-

besondre die höhere Schule fordern muß, noch nicht gegeben sei.") Auch wir
glnubeu, daß auch für solche weitere aus den Räumen der Schule und dem
Staube der Stadt hinausgehende leibliche Schulung und Anregung der Jugend
schon wegen des nicht zu umgehenden Zwanges zur Beteiligung nicht so leicht
auf deu Zusammenhang mit der Schule wird verzichtet werden können, so sehr
wir sonst die Jugendabteilungen mancher Turnvereine, wie sie besonders in
Berlin in Blüte stehen, diesem Bedürfnis in bester Zucht und Schulung Rechnung
tragen sehen. Das vorliegende "Handbuch" hat freilich in erster Linie mir die
ihre Schüler auch über das gewöhnliche schulpflichtige Alter hinaus behaltenden
höhern Schulen im Auge. Was der großen Masse der männlichen Jugend in
der Zeit zwischen der Schulpflicht und der Wehrpflicht entsprechendes geboten
werden soll, über diese weit wichtigere Frage schweigt es sich aus. Was den
hier gebotenen Übuugsstvff anlangt, so verhalten wir uns entschieden ablehnend
gegen alles, was diesen Übungen einen bestimmt militärischen Charakter verleiht,
und behaupten, daß die Waffen- und Exerzierübungen in diesen: Buche auf nichts
andres hinauslaufen als auf eine höhere Soldatenspielerei. Denn nichts andres
ist es, wenn mit einem das Gewehr ersetzenden Stecken hier geübt wird: Ger
auf! Ger ab! Faßt deu Ger an! Zur Attacke Ger rechts! Chargirt Fertig!
Legt -- an! Feuer! oder wenn bei "Exerzierfesten," bevor zum "Festmnrsch in
Zügen" angetreten wird, in "Festanfstellung" der Ger präsentirt wird! Während
auf S. XVII des Vorwortes sehr richtig bemerkt wird, daß für solche Jugend¬
übungen schon deshalb andre Kommandos zu wählen seien, weil die Aus¬
führungen von der Jugend nicht so prcizis gemacht würden wie später in der
Armee, so sind doch hier die Kommandos mit geringen Veränderungen, wie
wenn Abteilung für Bataillon und "Trupps" (!) für Sektionen gesagt wird,
genau die militärischen; es werden aus einer Reihe von Knaben "Points" oder
"drei Mann vom linken Flügel" vorgenommen (S. 12 ist von "Flügclknnben"
die Rede!), es wird rechts und links und nach der Mitte "in Kolonne gesetzt,"
"halbe Zngdistanee genommen," "deplvyirt" n. s. w. Meint man, auf diese
Weise dem Unteroffizier seine spätere Aufgabe erleichtern zu müssen? Ihm,
wie jedem streng geschulten Militär wird dies als eine Pfuscherei in sein Hand
Werk erscheinen. Oder meint man, weil Hans denn einmal Soldat werden müsse,
Häuschen schon kriegerisch anhauchen zu müssen? Schade, daß gerade diese Teile
des elementaren Exerzitiums und der Bataillousschule im Kriege so gut wie
außer Verwendung gekommen sind. Meint man aber mit solchen Übungen nur
den sicher höchst ersprießlichen Vorteil zu erlangen, daß schon der Knabe sich
>n einfachen und zusammengesetzten Formen als gefügigen Teil eines Ganzen



*) Vgl. die ebendahingehcnden Bestrebungen des Zentrawercius für Körperpflege nach
d^r Schrift von Hartwich: Woran wir leiden. Freie Betrachtungen und praktische Vor
schlage über unsre moderne Geistes- und Körperpflege in Volk und Schule. Düsseldorf,
V"ß, 1L82.
Wehrpflicht und Erziehung-

besondre die höhere Schule fordern muß, noch nicht gegeben sei.") Auch wir
glnubeu, daß auch für solche weitere aus den Räumen der Schule und dem
Staube der Stadt hinausgehende leibliche Schulung und Anregung der Jugend
schon wegen des nicht zu umgehenden Zwanges zur Beteiligung nicht so leicht
auf deu Zusammenhang mit der Schule wird verzichtet werden können, so sehr
wir sonst die Jugendabteilungen mancher Turnvereine, wie sie besonders in
Berlin in Blüte stehen, diesem Bedürfnis in bester Zucht und Schulung Rechnung
tragen sehen. Das vorliegende „Handbuch" hat freilich in erster Linie mir die
ihre Schüler auch über das gewöhnliche schulpflichtige Alter hinaus behaltenden
höhern Schulen im Auge. Was der großen Masse der männlichen Jugend in
der Zeit zwischen der Schulpflicht und der Wehrpflicht entsprechendes geboten
werden soll, über diese weit wichtigere Frage schweigt es sich aus. Was den
hier gebotenen Übuugsstvff anlangt, so verhalten wir uns entschieden ablehnend
gegen alles, was diesen Übungen einen bestimmt militärischen Charakter verleiht,
und behaupten, daß die Waffen- und Exerzierübungen in diesen: Buche auf nichts
andres hinauslaufen als auf eine höhere Soldatenspielerei. Denn nichts andres
ist es, wenn mit einem das Gewehr ersetzenden Stecken hier geübt wird: Ger
auf! Ger ab! Faßt deu Ger an! Zur Attacke Ger rechts! Chargirt Fertig!
Legt — an! Feuer! oder wenn bei „Exerzierfesten," bevor zum „Festmnrsch in
Zügen" angetreten wird, in „Festanfstellung" der Ger präsentirt wird! Während
auf S. XVII des Vorwortes sehr richtig bemerkt wird, daß für solche Jugend¬
übungen schon deshalb andre Kommandos zu wählen seien, weil die Aus¬
führungen von der Jugend nicht so prcizis gemacht würden wie später in der
Armee, so sind doch hier die Kommandos mit geringen Veränderungen, wie
wenn Abteilung für Bataillon und „Trupps" (!) für Sektionen gesagt wird,
genau die militärischen; es werden aus einer Reihe von Knaben „Points" oder
„drei Mann vom linken Flügel" vorgenommen (S. 12 ist von „Flügclknnben"
die Rede!), es wird rechts und links und nach der Mitte „in Kolonne gesetzt,"
"halbe Zngdistanee genommen," „deplvyirt" n. s. w. Meint man, auf diese
Weise dem Unteroffizier seine spätere Aufgabe erleichtern zu müssen? Ihm,
wie jedem streng geschulten Militär wird dies als eine Pfuscherei in sein Hand
Werk erscheinen. Oder meint man, weil Hans denn einmal Soldat werden müsse,
Häuschen schon kriegerisch anhauchen zu müssen? Schade, daß gerade diese Teile
des elementaren Exerzitiums und der Bataillousschule im Kriege so gut wie
außer Verwendung gekommen sind. Meint man aber mit solchen Übungen nur
den sicher höchst ersprießlichen Vorteil zu erlangen, daß schon der Knabe sich
>n einfachen und zusammengesetzten Formen als gefügigen Teil eines Ganzen



*) Vgl. die ebendahingehcnden Bestrebungen des Zentrawercius für Körperpflege nach
d^r Schrift von Hartwich: Woran wir leiden. Freie Betrachtungen und praktische Vor
schlage über unsre moderne Geistes- und Körperpflege in Volk und Schule. Düsseldorf,
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[0219] Wehrpflicht und Erziehung- besondre die höhere Schule fordern muß, noch nicht gegeben sei.") Auch wir glnubeu, daß auch für solche weitere aus den Räumen der Schule und dem Staube der Stadt hinausgehende leibliche Schulung und Anregung der Jugend schon wegen des nicht zu umgehenden Zwanges zur Beteiligung nicht so leicht auf deu Zusammenhang mit der Schule wird verzichtet werden können, so sehr wir sonst die Jugendabteilungen mancher Turnvereine, wie sie besonders in Berlin in Blüte stehen, diesem Bedürfnis in bester Zucht und Schulung Rechnung tragen sehen. Das vorliegende „Handbuch" hat freilich in erster Linie mir die ihre Schüler auch über das gewöhnliche schulpflichtige Alter hinaus behaltenden höhern Schulen im Auge. Was der großen Masse der männlichen Jugend in der Zeit zwischen der Schulpflicht und der Wehrpflicht entsprechendes geboten werden soll, über diese weit wichtigere Frage schweigt es sich aus. Was den hier gebotenen Übuugsstvff anlangt, so verhalten wir uns entschieden ablehnend gegen alles, was diesen Übungen einen bestimmt militärischen Charakter verleiht, und behaupten, daß die Waffen- und Exerzierübungen in diesen: Buche auf nichts andres hinauslaufen als auf eine höhere Soldatenspielerei. Denn nichts andres ist es, wenn mit einem das Gewehr ersetzenden Stecken hier geübt wird: Ger auf! Ger ab! Faßt deu Ger an! Zur Attacke Ger rechts! Chargirt Fertig! Legt — an! Feuer! oder wenn bei „Exerzierfesten," bevor zum „Festmnrsch in Zügen" angetreten wird, in „Festanfstellung" der Ger präsentirt wird! Während auf S. XVII des Vorwortes sehr richtig bemerkt wird, daß für solche Jugend¬ übungen schon deshalb andre Kommandos zu wählen seien, weil die Aus¬ führungen von der Jugend nicht so prcizis gemacht würden wie später in der Armee, so sind doch hier die Kommandos mit geringen Veränderungen, wie wenn Abteilung für Bataillon und „Trupps" (!) für Sektionen gesagt wird, genau die militärischen; es werden aus einer Reihe von Knaben „Points" oder „drei Mann vom linken Flügel" vorgenommen (S. 12 ist von „Flügclknnben" die Rede!), es wird rechts und links und nach der Mitte „in Kolonne gesetzt," "halbe Zngdistanee genommen," „deplvyirt" n. s. w. Meint man, auf diese Weise dem Unteroffizier seine spätere Aufgabe erleichtern zu müssen? Ihm, wie jedem streng geschulten Militär wird dies als eine Pfuscherei in sein Hand Werk erscheinen. Oder meint man, weil Hans denn einmal Soldat werden müsse, Häuschen schon kriegerisch anhauchen zu müssen? Schade, daß gerade diese Teile des elementaren Exerzitiums und der Bataillousschule im Kriege so gut wie außer Verwendung gekommen sind. Meint man aber mit solchen Übungen nur den sicher höchst ersprießlichen Vorteil zu erlangen, daß schon der Knabe sich >n einfachen und zusammengesetzten Formen als gefügigen Teil eines Ganzen *) Vgl. die ebendahingehcnden Bestrebungen des Zentrawercius für Körperpflege nach d^r Schrift von Hartwich: Woran wir leiden. Freie Betrachtungen und praktische Vor schlage über unsre moderne Geistes- und Körperpflege in Volk und Schule. Düsseldorf, V"ß, 1L82.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/219>, abgerufen am 29.06.2024.