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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Wehrpflicht und (Erziehung.

Von der ja sicher unabweisbaren Anschauung ausgehen, daß einerseits die Jugend¬
erziehung der Ausbildung im Heere in nicht geringem Grade vorarbeiten könne
und ebenso andrerseits die Dienstzeit im Heere von den nachhaltigsten Ein¬
wirkungen aus das Volksleben begleitet sei.

Das Schriftchen von Guhl befaßt sich nicht mit der besondern Frage, wie
die Jugenderziehung leiblich und geistig der militärischen Ausbildung vorarbeiten
könne, wie dies im 116. Hefte der "Zeit- und Streitfragen" (vom Jahre 187i))
eingehend unter dem verwandte:: Titel "Wehrpflicht und Erziehung" erörtert
worden ist, soudern hat sich uur die Aufgabe gestellt, "die Beziehungen zwischen
den Armeeeinrichtnngen und den Unterrichtssystemen auf alleu Stufen gesell¬
schaftlicher Gliederung zur Anschauung zu bringen, die Schulsysteme selbst dabei
eiuer Prüfung zu unterziehen und damit einen Baustein zum Untcrrichtsgesetz
zu liefern." Der Verfasser unterzieht demnach Volksschulen, Mittelschulen und
höhere Schulen einer Besprechung mit Hinblick auf den Dienst, welchen sie den
in ihnen wesentlich vertretenen Schichten der Bevölkerung für Ausfüllung ihres
Platzes im Wehrsystem des Staates zu leisten haben. Er hält für die Volks¬
schule, als diejenige Schulart, welche die große Masse der Heerespflichtigen zu
liefern hat, auch dieser ihrer Aufgabe gegenüber möglichste Beschränkung des
Lehrstoffs für angezeigt und bekämpft nachdrücklich das Streben, den Bildungs¬
grad der Volksschüler über das Bedürfnis des praktischen Lebens hinaus in die
Höhe zu treiben. Hingegen weist er den für den "Bürgerstand" bestimmten
Mittelschulen (nach norddeutscher, uicht süddeutscher Anwendung dieses Aus-
druckes) insofern eine gesteigerte Aufgabe zu, als sie, wie für den Stand der'
Volksschullehrer, so anch für den der Unteroffiziere die Grundlage der Bildung
abgeben sollen. Auf der rudern Seite will er aber auch an deu Besuch dieser
vom Latein durchaus zu entlastende::, aber zum Betreiben zweier lebenden
Sprachen zu verpflichtenden Mittelschulen die Berechtigung zum einjährigen
Dienst und zur Beförderung zum Offizier des Beurlaubtenstandes geknüpft
wissen. Den höhern Schule:: gegeuüber zeigt er sich als entschiedener Vertreter
der Einheitsschule, und zwar hält er -- ein von dieser Seite her bemerkens¬
wertes Zeugnis -- das humanistische Gymnasium für alle zu leitender Stellung
nicht nur ii: den wissenschaftlichen Berufszweigen, sondern auch im Großgrund¬
besitz, Großhandel, in allen Zweigen der Kunst und Technik und auch im Heere
Berufenen für die ersprießlichste Vorschule, bestreitet der Realschule als höheren
Schule eigentlich jede Existenzberechtigung und geißelt scharf die Berechtigung^
jügerei ihrer Lehrerschaft.


1881, von I. I. Müller. Basel, Schweighäuser, 1882. -- Die an dritter Stelle genau'w
Schrift ist schon in Ur. 41 der Grenzboten in dem Aufsatze "Die Erziehung der deutsch"
Jugend zur Wehrhaftigkeit" von andrer Seite in ganz ähnlichem Sinne wie hier besprach"
worden.
Wehrpflicht und (Erziehung.

Von der ja sicher unabweisbaren Anschauung ausgehen, daß einerseits die Jugend¬
erziehung der Ausbildung im Heere in nicht geringem Grade vorarbeiten könne
und ebenso andrerseits die Dienstzeit im Heere von den nachhaltigsten Ein¬
wirkungen aus das Volksleben begleitet sei.

Das Schriftchen von Guhl befaßt sich nicht mit der besondern Frage, wie
die Jugenderziehung leiblich und geistig der militärischen Ausbildung vorarbeiten
könne, wie dies im 116. Hefte der „Zeit- und Streitfragen" (vom Jahre 187i))
eingehend unter dem verwandte:: Titel „Wehrpflicht und Erziehung" erörtert
worden ist, soudern hat sich uur die Aufgabe gestellt, „die Beziehungen zwischen
den Armeeeinrichtnngen und den Unterrichtssystemen auf alleu Stufen gesell¬
schaftlicher Gliederung zur Anschauung zu bringen, die Schulsysteme selbst dabei
eiuer Prüfung zu unterziehen und damit einen Baustein zum Untcrrichtsgesetz
zu liefern." Der Verfasser unterzieht demnach Volksschulen, Mittelschulen und
höhere Schulen einer Besprechung mit Hinblick auf den Dienst, welchen sie den
in ihnen wesentlich vertretenen Schichten der Bevölkerung für Ausfüllung ihres
Platzes im Wehrsystem des Staates zu leisten haben. Er hält für die Volks¬
schule, als diejenige Schulart, welche die große Masse der Heerespflichtigen zu
liefern hat, auch dieser ihrer Aufgabe gegenüber möglichste Beschränkung des
Lehrstoffs für angezeigt und bekämpft nachdrücklich das Streben, den Bildungs¬
grad der Volksschüler über das Bedürfnis des praktischen Lebens hinaus in die
Höhe zu treiben. Hingegen weist er den für den „Bürgerstand" bestimmten
Mittelschulen (nach norddeutscher, uicht süddeutscher Anwendung dieses Aus-
druckes) insofern eine gesteigerte Aufgabe zu, als sie, wie für den Stand der'
Volksschullehrer, so anch für den der Unteroffiziere die Grundlage der Bildung
abgeben sollen. Auf der rudern Seite will er aber auch an deu Besuch dieser
vom Latein durchaus zu entlastende::, aber zum Betreiben zweier lebenden
Sprachen zu verpflichtenden Mittelschulen die Berechtigung zum einjährigen
Dienst und zur Beförderung zum Offizier des Beurlaubtenstandes geknüpft
wissen. Den höhern Schule:: gegeuüber zeigt er sich als entschiedener Vertreter
der Einheitsschule, und zwar hält er — ein von dieser Seite her bemerkens¬
wertes Zeugnis — das humanistische Gymnasium für alle zu leitender Stellung
nicht nur ii: den wissenschaftlichen Berufszweigen, sondern auch im Großgrund¬
besitz, Großhandel, in allen Zweigen der Kunst und Technik und auch im Heere
Berufenen für die ersprießlichste Vorschule, bestreitet der Realschule als höheren
Schule eigentlich jede Existenzberechtigung und geißelt scharf die Berechtigung^
jügerei ihrer Lehrerschaft.


1881, von I. I. Müller. Basel, Schweighäuser, 1882. — Die an dritter Stelle genau'w
Schrift ist schon in Ur. 41 der Grenzboten in dem Aufsatze „Die Erziehung der deutsch"
Jugend zur Wehrhaftigkeit" von andrer Seite in ganz ähnlichem Sinne wie hier besprach"
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[0216] Wehrpflicht und (Erziehung. Von der ja sicher unabweisbaren Anschauung ausgehen, daß einerseits die Jugend¬ erziehung der Ausbildung im Heere in nicht geringem Grade vorarbeiten könne und ebenso andrerseits die Dienstzeit im Heere von den nachhaltigsten Ein¬ wirkungen aus das Volksleben begleitet sei. Das Schriftchen von Guhl befaßt sich nicht mit der besondern Frage, wie die Jugenderziehung leiblich und geistig der militärischen Ausbildung vorarbeiten könne, wie dies im 116. Hefte der „Zeit- und Streitfragen" (vom Jahre 187i)) eingehend unter dem verwandte:: Titel „Wehrpflicht und Erziehung" erörtert worden ist, soudern hat sich uur die Aufgabe gestellt, „die Beziehungen zwischen den Armeeeinrichtnngen und den Unterrichtssystemen auf alleu Stufen gesell¬ schaftlicher Gliederung zur Anschauung zu bringen, die Schulsysteme selbst dabei eiuer Prüfung zu unterziehen und damit einen Baustein zum Untcrrichtsgesetz zu liefern." Der Verfasser unterzieht demnach Volksschulen, Mittelschulen und höhere Schulen einer Besprechung mit Hinblick auf den Dienst, welchen sie den in ihnen wesentlich vertretenen Schichten der Bevölkerung für Ausfüllung ihres Platzes im Wehrsystem des Staates zu leisten haben. Er hält für die Volks¬ schule, als diejenige Schulart, welche die große Masse der Heerespflichtigen zu liefern hat, auch dieser ihrer Aufgabe gegenüber möglichste Beschränkung des Lehrstoffs für angezeigt und bekämpft nachdrücklich das Streben, den Bildungs¬ grad der Volksschüler über das Bedürfnis des praktischen Lebens hinaus in die Höhe zu treiben. Hingegen weist er den für den „Bürgerstand" bestimmten Mittelschulen (nach norddeutscher, uicht süddeutscher Anwendung dieses Aus- druckes) insofern eine gesteigerte Aufgabe zu, als sie, wie für den Stand der' Volksschullehrer, so anch für den der Unteroffiziere die Grundlage der Bildung abgeben sollen. Auf der rudern Seite will er aber auch an deu Besuch dieser vom Latein durchaus zu entlastende::, aber zum Betreiben zweier lebenden Sprachen zu verpflichtenden Mittelschulen die Berechtigung zum einjährigen Dienst und zur Beförderung zum Offizier des Beurlaubtenstandes geknüpft wissen. Den höhern Schule:: gegeuüber zeigt er sich als entschiedener Vertreter der Einheitsschule, und zwar hält er — ein von dieser Seite her bemerkens¬ wertes Zeugnis — das humanistische Gymnasium für alle zu leitender Stellung nicht nur ii: den wissenschaftlichen Berufszweigen, sondern auch im Großgrund¬ besitz, Großhandel, in allen Zweigen der Kunst und Technik und auch im Heere Berufenen für die ersprießlichste Vorschule, bestreitet der Realschule als höheren Schule eigentlich jede Existenzberechtigung und geißelt scharf die Berechtigung^ jügerei ihrer Lehrerschaft. 1881, von I. I. Müller. Basel, Schweighäuser, 1882. — Die an dritter Stelle genau'w Schrift ist schon in Ur. 41 der Grenzboten in dem Aufsatze „Die Erziehung der deutsch" Jugend zur Wehrhaftigkeit" von andrer Seite in ganz ähnlichem Sinne wie hier besprach" worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/216>, abgerufen am 28.09.2024.