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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Von Zeitschriften,

Dacht' ich es sonst wohl, jetzt bin ich anderes Sinnes. Es muß die
Nichtschriftstellernde Welt zum riesigen Wuchse gedieh'n sein,
Mit Untiefen des Magens, unendlichem Freßappetite,
Kauwerkzeugen gigantisch, und dampfkraftschneller Verdauung,
Daß sie von Tage zu Tag, und von Woche zu Monat, deu Reichtum
Zeitschriftfüllender Nahrung vermag mit Genuß zu verspeisen,
Immer die Finger zugleich schon bereit, noch ein Mehr zu ergattern.
Gar nicht bedarf es der kräftigsten Kost, noch verlangt aus dem Vollen,
Oder ein Ganzes, das stets regsame Bedürfnis; am besten
Bruchstückweise zerhackt, und in Schnitzeln vou allerlei Abfall,
Mündel ein bunter Salat, und man fragt uicht nach des Bestandteils
Ursprung, noch nach der Küche, worin er gehackt und gemengt ward,

Freund, schon seh' ich die Brau'n dir gerunzelt! Und strafend beginnst du:
"Aber wie redest du deun? Hast du nicht selbst mit den andern
Reichlich gesündigt und oft novellistisches Zeug und Gedichte
Für das geschmähte Gericht in deu Kessel geworfen? So manchen
Monatschriftlicheu Ballen erblick' ich bedruckt auch mit deinem
Namen!" Nun ja doch! Es muß mitthun, wer heut noch für seines
Schaffens Gebilde sich Leser erhofft und sich weder der Neusten
Einen uoch Modischen weiß. Am gebundenen Buche zu haften
Fehlt die Geduld, doch es greift mit Begierde die Hand nach den: Hefte,
Welches mit hunderterlei das Gelüst anlockt. Du begreifst uicht,
Freund, wie betrübend zugleich solch Wesen, zerbröckelt zu sehen,
Was Ulan als Ganzes gedacht und geschaffen, und was nnr als Ganzes
Ist zu verstehn, zu empfangen. Dazwischen nun gar noch das Bildwerk
Fremdester Art, das sich breit einschickt, und von Festen und Unglück,
Bädern und Moden, mit Reduerpvrträts, Brand, Wasserbeschäd'gnug,
Wühler Zerstreuung huldigt und alles Poetische totschlägt.

Aber von Schlimmerem wüßt' ich zu sagen uoch: Wem, sich die Zeitschrift
Sittlich geberdet und salbungsvoll mit dein Werben hervorrückt,
Für die Familie zu wirken, für Töchter gebildeter Herkunft,
Oder wie sonst sie sich schön ausputzt und gar säuberlich darlegt,
Wie sie den Anstand, ach! den so vielfach geschädigten, wieder
Wünsche zu Ehren zu bringen und kühn zu vertreten! Die "gute
Sache" verlange von nun die Beteiligung smnmtticher "ersten
Kräfte" zum schönsten Gewinn! Das versagt nicht, obgleich man die "gute
Sache" so ziemlich doch kennt und nicht zweifelt, wohin der Gewinn zielt.
Nun wird lieblich gebraut ein supplem, welches am Hanstisch,
Welches im Spielet und auch im Salon Wohl mündet. Was mundet
Nicht, wenn es süß, hold, weich uur und kundig zusammeugespült ist?


Von Zeitschriften,

Dacht' ich es sonst wohl, jetzt bin ich anderes Sinnes. Es muß die
Nichtschriftstellernde Welt zum riesigen Wuchse gedieh'n sein,
Mit Untiefen des Magens, unendlichem Freßappetite,
Kauwerkzeugen gigantisch, und dampfkraftschneller Verdauung,
Daß sie von Tage zu Tag, und von Woche zu Monat, deu Reichtum
Zeitschriftfüllender Nahrung vermag mit Genuß zu verspeisen,
Immer die Finger zugleich schon bereit, noch ein Mehr zu ergattern.
Gar nicht bedarf es der kräftigsten Kost, noch verlangt aus dem Vollen,
Oder ein Ganzes, das stets regsame Bedürfnis; am besten
Bruchstückweise zerhackt, und in Schnitzeln vou allerlei Abfall,
Mündel ein bunter Salat, und man fragt uicht nach des Bestandteils
Ursprung, noch nach der Küche, worin er gehackt und gemengt ward,

Freund, schon seh' ich die Brau'n dir gerunzelt! Und strafend beginnst du:
„Aber wie redest du deun? Hast du nicht selbst mit den andern
Reichlich gesündigt und oft novellistisches Zeug und Gedichte
Für das geschmähte Gericht in deu Kessel geworfen? So manchen
Monatschriftlicheu Ballen erblick' ich bedruckt auch mit deinem
Namen!" Nun ja doch! Es muß mitthun, wer heut noch für seines
Schaffens Gebilde sich Leser erhofft und sich weder der Neusten
Einen uoch Modischen weiß. Am gebundenen Buche zu haften
Fehlt die Geduld, doch es greift mit Begierde die Hand nach den: Hefte,
Welches mit hunderterlei das Gelüst anlockt. Du begreifst uicht,
Freund, wie betrübend zugleich solch Wesen, zerbröckelt zu sehen,
Was Ulan als Ganzes gedacht und geschaffen, und was nnr als Ganzes
Ist zu verstehn, zu empfangen. Dazwischen nun gar noch das Bildwerk
Fremdester Art, das sich breit einschickt, und von Festen und Unglück,
Bädern und Moden, mit Reduerpvrträts, Brand, Wasserbeschäd'gnug,
Wühler Zerstreuung huldigt und alles Poetische totschlägt.

Aber von Schlimmerem wüßt' ich zu sagen uoch: Wem, sich die Zeitschrift
Sittlich geberdet und salbungsvoll mit dein Werben hervorrückt,
Für die Familie zu wirken, für Töchter gebildeter Herkunft,
Oder wie sonst sie sich schön ausputzt und gar säuberlich darlegt,
Wie sie den Anstand, ach! den so vielfach geschädigten, wieder
Wünsche zu Ehren zu bringen und kühn zu vertreten! Die „gute
Sache" verlange von nun die Beteiligung smnmtticher „ersten
Kräfte" zum schönsten Gewinn! Das versagt nicht, obgleich man die „gute
Sache" so ziemlich doch kennt und nicht zweifelt, wohin der Gewinn zielt.
Nun wird lieblich gebraut ein supplem, welches am Hanstisch,
Welches im Spielet und auch im Salon Wohl mündet. Was mundet
Nicht, wenn es süß, hold, weich uur und kundig zusammeugespült ist?


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[0214] Von Zeitschriften, Dacht' ich es sonst wohl, jetzt bin ich anderes Sinnes. Es muß die Nichtschriftstellernde Welt zum riesigen Wuchse gedieh'n sein, Mit Untiefen des Magens, unendlichem Freßappetite, Kauwerkzeugen gigantisch, und dampfkraftschneller Verdauung, Daß sie von Tage zu Tag, und von Woche zu Monat, deu Reichtum Zeitschriftfüllender Nahrung vermag mit Genuß zu verspeisen, Immer die Finger zugleich schon bereit, noch ein Mehr zu ergattern. Gar nicht bedarf es der kräftigsten Kost, noch verlangt aus dem Vollen, Oder ein Ganzes, das stets regsame Bedürfnis; am besten Bruchstückweise zerhackt, und in Schnitzeln vou allerlei Abfall, Mündel ein bunter Salat, und man fragt uicht nach des Bestandteils Ursprung, noch nach der Küche, worin er gehackt und gemengt ward, Freund, schon seh' ich die Brau'n dir gerunzelt! Und strafend beginnst du: „Aber wie redest du deun? Hast du nicht selbst mit den andern Reichlich gesündigt und oft novellistisches Zeug und Gedichte Für das geschmähte Gericht in deu Kessel geworfen? So manchen Monatschriftlicheu Ballen erblick' ich bedruckt auch mit deinem Namen!" Nun ja doch! Es muß mitthun, wer heut noch für seines Schaffens Gebilde sich Leser erhofft und sich weder der Neusten Einen uoch Modischen weiß. Am gebundenen Buche zu haften Fehlt die Geduld, doch es greift mit Begierde die Hand nach den: Hefte, Welches mit hunderterlei das Gelüst anlockt. Du begreifst uicht, Freund, wie betrübend zugleich solch Wesen, zerbröckelt zu sehen, Was Ulan als Ganzes gedacht und geschaffen, und was nnr als Ganzes Ist zu verstehn, zu empfangen. Dazwischen nun gar noch das Bildwerk Fremdester Art, das sich breit einschickt, und von Festen und Unglück, Bädern und Moden, mit Reduerpvrträts, Brand, Wasserbeschäd'gnug, Wühler Zerstreuung huldigt und alles Poetische totschlägt. Aber von Schlimmerem wüßt' ich zu sagen uoch: Wem, sich die Zeitschrift Sittlich geberdet und salbungsvoll mit dein Werben hervorrückt, Für die Familie zu wirken, für Töchter gebildeter Herkunft, Oder wie sonst sie sich schön ausputzt und gar säuberlich darlegt, Wie sie den Anstand, ach! den so vielfach geschädigten, wieder Wünsche zu Ehren zu bringen und kühn zu vertreten! Die „gute Sache" verlange von nun die Beteiligung smnmtticher „ersten Kräfte" zum schönsten Gewinn! Das versagt nicht, obgleich man die „gute Sache" so ziemlich doch kennt und nicht zweifelt, wohin der Gewinn zielt. Nun wird lieblich gebraut ein supplem, welches am Hanstisch, Welches im Spielet und auch im Salon Wohl mündet. Was mundet Nicht, wenn es süß, hold, weich uur und kundig zusammeugespült ist?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/214>, abgerufen am 29.06.2024.