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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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stimmen; zur Annahme sind dann aber zwei Drittel der Voden erforderlich. Um
Gesetz zu werden, hat der Entwurf dann noch die Sanktion des Königs nötig,
fassen jedoch drei aufeinander folgende Storthiugs denselben Beschluß, so erlangt
er auch ohne die königliche Genehmigung gesetzliche Giltigkeit, Die Presse ist
vollkommen frei. Monopole und Privilegien dürfen nicht verliehen werden.

Schon nach der Thronbesteigung Karl Johanns schlug die Regierung Ab¬
änderungen dieser, wie mau sieht, entschieden demokratischen Verfassung vor, und
als das Storthiug drei Jahre später zum drittenmale die Aufhebung des Adels-
standeS beschlossen hatte, traf der König militärische Maßregeln, die wie Vor¬
bereitungen zu einem Staatsstreiche aussahen. Indeß blieb das Storthing fest,
und die Forderungen der Regierung, die hauptsächlich das absolute Veto für
den König betrafen, wurden abgelehnt. Der letztere kam später auf dieselben
zurück, aber stets ohne Erfolg, da er sich uicht entschließen konnte, sie dnrch
Genialtschritte zu unterstützen. Als der schwedische Statthalter Graf Platen
1829 gegen die ihm und dem König verhaßte Feier des Konstitntionsfestes mit
Militär einschritt, erregte das große Entrüstung im Lande, und das Storthiug
saßte den Beschluß, das Statthalternmt für aufgehoben zu erklären. Später
waren es besonders Fragen in Betreff der Selbständigkeit Norwegens, welche,
indem diese zu Gunsten einer engern Union mit Schweden beschränkt werden
sollte, allgemeine Erbitterung hervorriefen. Diese erreichte den höchsten Grad
im Jahre 18W, wo das Storthiug wegen hartnäckiger und vielfach kleinlicher
Opposition gegen die Unionspläue der Regierung aufgelöst wurde, bevor es die
ordentlichen Steuern bewilligt hatte. Mau klagte darauf hiu den Minister
Löveuskjold, weil er gegen die Auflösung uicht protestirt hatte, vor dem Reichs¬
gerichte an, und er wurde zu einer schweren Geldstrafe verurteilt. Der König
nahm das sehr übel ans und beschloß, wieder einen Statthalter zu ernennen.
Doch siel seine Wahl diesmal ans einen Norweger, den Grafen Wedel, und
diesem gelang es, die Gemüter zu beruhigen und ein besseres Verhältnis zwischen
dem Volke und seinem Monarchen herzustellen, das sich während eines längeren
Aufenthaltes des letzteren in Christiania befestigte. Auch erfolgten von jetzt an
uuter diesem Könige keine Anträge anf Verfassungsänderungen mehr, und der
Nachfolger Karl Johanns gewährte einen großen Teil der nationalen Wünsche
Norwegens und suchte mit der unbequemer Konstitution so gut zu regieren, als es
eben ging. Die Bestrebungen der skandinavischen Partei trugen ihrerseits dazu bei,
die Abneigung der Norweger gegen die Schweden zu mildern und ein besseres Ver¬
hältnis der beiden unter der Dynastie Vernadotte vereinigten Nationen anzu¬
bahnen. Die französische Revolution von 1848 wirkte auf Norwegen nicht ein.
Das Storthing erwies sich, als der König eine erhebliche Summe zur Unter¬
stützung Dänemarks in seinem Streite mit Deutschland verlangte, gefällig und
stellte ihm zu seinem Zwecke die norwegische Land- und Seemacht zur Verfügung.
Ohne diesen guten Willen hätte er in dieser Beziehung nichts erreichen können;


stimmen; zur Annahme sind dann aber zwei Drittel der Voden erforderlich. Um
Gesetz zu werden, hat der Entwurf dann noch die Sanktion des Königs nötig,
fassen jedoch drei aufeinander folgende Storthiugs denselben Beschluß, so erlangt
er auch ohne die königliche Genehmigung gesetzliche Giltigkeit, Die Presse ist
vollkommen frei. Monopole und Privilegien dürfen nicht verliehen werden.

Schon nach der Thronbesteigung Karl Johanns schlug die Regierung Ab¬
änderungen dieser, wie mau sieht, entschieden demokratischen Verfassung vor, und
als das Storthiug drei Jahre später zum drittenmale die Aufhebung des Adels-
standeS beschlossen hatte, traf der König militärische Maßregeln, die wie Vor¬
bereitungen zu einem Staatsstreiche aussahen. Indeß blieb das Storthing fest,
und die Forderungen der Regierung, die hauptsächlich das absolute Veto für
den König betrafen, wurden abgelehnt. Der letztere kam später auf dieselben
zurück, aber stets ohne Erfolg, da er sich uicht entschließen konnte, sie dnrch
Genialtschritte zu unterstützen. Als der schwedische Statthalter Graf Platen
1829 gegen die ihm und dem König verhaßte Feier des Konstitntionsfestes mit
Militär einschritt, erregte das große Entrüstung im Lande, und das Storthiug
saßte den Beschluß, das Statthalternmt für aufgehoben zu erklären. Später
waren es besonders Fragen in Betreff der Selbständigkeit Norwegens, welche,
indem diese zu Gunsten einer engern Union mit Schweden beschränkt werden
sollte, allgemeine Erbitterung hervorriefen. Diese erreichte den höchsten Grad
im Jahre 18W, wo das Storthiug wegen hartnäckiger und vielfach kleinlicher
Opposition gegen die Unionspläue der Regierung aufgelöst wurde, bevor es die
ordentlichen Steuern bewilligt hatte. Mau klagte darauf hiu den Minister
Löveuskjold, weil er gegen die Auflösung uicht protestirt hatte, vor dem Reichs¬
gerichte an, und er wurde zu einer schweren Geldstrafe verurteilt. Der König
nahm das sehr übel ans und beschloß, wieder einen Statthalter zu ernennen.
Doch siel seine Wahl diesmal ans einen Norweger, den Grafen Wedel, und
diesem gelang es, die Gemüter zu beruhigen und ein besseres Verhältnis zwischen
dem Volke und seinem Monarchen herzustellen, das sich während eines längeren
Aufenthaltes des letzteren in Christiania befestigte. Auch erfolgten von jetzt an
uuter diesem Könige keine Anträge anf Verfassungsänderungen mehr, und der
Nachfolger Karl Johanns gewährte einen großen Teil der nationalen Wünsche
Norwegens und suchte mit der unbequemer Konstitution so gut zu regieren, als es
eben ging. Die Bestrebungen der skandinavischen Partei trugen ihrerseits dazu bei,
die Abneigung der Norweger gegen die Schweden zu mildern und ein besseres Ver¬
hältnis der beiden unter der Dynastie Vernadotte vereinigten Nationen anzu¬
bahnen. Die französische Revolution von 1848 wirkte auf Norwegen nicht ein.
Das Storthing erwies sich, als der König eine erhebliche Summe zur Unter¬
stützung Dänemarks in seinem Streite mit Deutschland verlangte, gefällig und
stellte ihm zu seinem Zwecke die norwegische Land- und Seemacht zur Verfügung.
Ohne diesen guten Willen hätte er in dieser Beziehung nichts erreichen können;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/59>, abgerufen am 03.07.2024.