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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Konflikt in Norwegen,

willigung der Steuern hängt ganz von der Volksvertretung ab. Die Richter
werden zwar vom König ernannt, sind aber unabsetzbar. Dnsselbe gilt von vielen
andern Beamten, die somit von der Regierung abhängig sind. Das parlamen¬
tarische Regiernngsprinzip oder das der Majoritätsregieruug ist nicht vorhanden.
Die Minister, in Norwegen Staatsräte genannt, haben nicht das Recht, an den
Verhandlungen des Stvrthings teilzunehmen lind ihre Vorschläge und Ma߬
regeln in dieser Versammlung zu erklären, zu empfehlen lind zu verteidigen. Sie
sind im Gegeuteile aller Verantwortlichkeit sür eiuen königlichen Beschluß ledig,
wenn sie mir nicht versäumen, ihren Protest dagegen rechtzeitig zu Protokoll
zu geben. So aber haben sie auch keine moralische Verpflichtung, zurückzutreten,
wenn die Mehrheit der Volksrepräsentanten die von ihnen empfohlenen Gesetz¬
entwürfe ablehnt. Eine solche Verpflichtung würde früher mich keine praktische
Folge gehabt haben, weil das Stvrthing sich bloß alle drei Jahre versammelte,
und weil eine Auflösung desselben vor Ablauf der gesetzlichem dreijährigen Wahl¬
periode keine Appellation an das Volk herbeiführen konnte. Dies ist mit dem
alljährliche" Zusammentritt wenig geändert worden. Mit andern Worten: Neu¬
wahlen würden uicht sofort vorgenommen werden können, sondern es müßten,
falls ein neues, außerordentliches Storthing einberufen würde, die Mitglieder
des aufgelösten sich wieder eiiifiudeu. Die Münster müssen norwegische Staats¬
angehörige sein. Der König kann sich durch einen Vizekönig vertreten lassen,
der aber immer der Kronprinz sein muß. Der König kann auch Verordnungen
in Betreff von Handels-, Zoll-, Gewerbe- und Polizeisachen erlassen, doch dürfen
dieselben der Verfassung und den vom Storthing gegebenen Gesetzen nicht zu-
widerlaufen, und sie haben Giltigkeit mir bis zum nächsten Zusammentritt der
Landesvertretung. welche die Befugnis hat, sie aufzuheben. Die Wahlen sind
indirekte. Wählbar sind nnr stimmberechtigte Bürger, die dreißig Jahre alt und
zehn Jahre im Lande ansässig sind. stimmberechtigt ist jeder Einwohner, der
ein Alter von fiuifnndzwanzig Jahren und fünf davon in Norwegen verlebt hat,
sich im Besitz der biirgerlichen Ehrenrechte befindet, entweder Beamter ist oder
gewesen ist oder Eigentümer einer Bauernstelle ist oder eine solche ans länger als
fünf Jahre gepachtet hat oder Bürger einer Kanfstadt ist oder in einer solchen
Grund und Boden im Werte von wenigstens anderthalbhundert Speziesthalern
innehat. Die Landdistrikte wählen 74, die größeren Städte 37 Vertreter, wes¬
halb mau das norwegische Parlament als Bauernparlament bezeichnet hat.
Diese Bolksbvteu erhalten Diäten. Sobald dieselben ihre Verhandlungen er¬
öffnet haben, scheidet die Versammlung ein Viertel ihrer Mitglieder ans, die
dann eine Art erste Kammer, das Lngthing, bilden, die übrigen arbeiten für sich
als Odelsthing. Alle Gesetzentwürfe gehen zunächst dem letzteren zu und erst,
wenn sie hier angenommen worden sind, dem andern Hanse. Verwirft dieses
den Vorschlag, so hat ihn das Odelsthing nochmals zu erwägen, lind lehnt dieses
ihn wieder ub, so tritt das gesammte Storthing zur Abstimmung über ihn zu-


Der Konflikt in Norwegen,

willigung der Steuern hängt ganz von der Volksvertretung ab. Die Richter
werden zwar vom König ernannt, sind aber unabsetzbar. Dnsselbe gilt von vielen
andern Beamten, die somit von der Regierung abhängig sind. Das parlamen¬
tarische Regiernngsprinzip oder das der Majoritätsregieruug ist nicht vorhanden.
Die Minister, in Norwegen Staatsräte genannt, haben nicht das Recht, an den
Verhandlungen des Stvrthings teilzunehmen lind ihre Vorschläge und Ma߬
regeln in dieser Versammlung zu erklären, zu empfehlen lind zu verteidigen. Sie
sind im Gegeuteile aller Verantwortlichkeit sür eiuen königlichen Beschluß ledig,
wenn sie mir nicht versäumen, ihren Protest dagegen rechtzeitig zu Protokoll
zu geben. So aber haben sie auch keine moralische Verpflichtung, zurückzutreten,
wenn die Mehrheit der Volksrepräsentanten die von ihnen empfohlenen Gesetz¬
entwürfe ablehnt. Eine solche Verpflichtung würde früher mich keine praktische
Folge gehabt haben, weil das Stvrthing sich bloß alle drei Jahre versammelte,
und weil eine Auflösung desselben vor Ablauf der gesetzlichem dreijährigen Wahl¬
periode keine Appellation an das Volk herbeiführen konnte. Dies ist mit dem
alljährliche» Zusammentritt wenig geändert worden. Mit andern Worten: Neu¬
wahlen würden uicht sofort vorgenommen werden können, sondern es müßten,
falls ein neues, außerordentliches Storthing einberufen würde, die Mitglieder
des aufgelösten sich wieder eiiifiudeu. Die Münster müssen norwegische Staats¬
angehörige sein. Der König kann sich durch einen Vizekönig vertreten lassen,
der aber immer der Kronprinz sein muß. Der König kann auch Verordnungen
in Betreff von Handels-, Zoll-, Gewerbe- und Polizeisachen erlassen, doch dürfen
dieselben der Verfassung und den vom Storthing gegebenen Gesetzen nicht zu-
widerlaufen, und sie haben Giltigkeit mir bis zum nächsten Zusammentritt der
Landesvertretung. welche die Befugnis hat, sie aufzuheben. Die Wahlen sind
indirekte. Wählbar sind nnr stimmberechtigte Bürger, die dreißig Jahre alt und
zehn Jahre im Lande ansässig sind. stimmberechtigt ist jeder Einwohner, der
ein Alter von fiuifnndzwanzig Jahren und fünf davon in Norwegen verlebt hat,
sich im Besitz der biirgerlichen Ehrenrechte befindet, entweder Beamter ist oder
gewesen ist oder Eigentümer einer Bauernstelle ist oder eine solche ans länger als
fünf Jahre gepachtet hat oder Bürger einer Kanfstadt ist oder in einer solchen
Grund und Boden im Werte von wenigstens anderthalbhundert Speziesthalern
innehat. Die Landdistrikte wählen 74, die größeren Städte 37 Vertreter, wes¬
halb mau das norwegische Parlament als Bauernparlament bezeichnet hat.
Diese Bolksbvteu erhalten Diäten. Sobald dieselben ihre Verhandlungen er¬
öffnet haben, scheidet die Versammlung ein Viertel ihrer Mitglieder ans, die
dann eine Art erste Kammer, das Lngthing, bilden, die übrigen arbeiten für sich
als Odelsthing. Alle Gesetzentwürfe gehen zunächst dem letzteren zu und erst,
wenn sie hier angenommen worden sind, dem andern Hanse. Verwirft dieses
den Vorschlag, so hat ihn das Odelsthing nochmals zu erwägen, lind lehnt dieses
ihn wieder ub, so tritt das gesammte Storthing zur Abstimmung über ihn zu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/58>, abgerufen am 03.07.2024.