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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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C. V. Noordens Europäische Geschichte im achtzehnten
Jahrhundert.

on Carl von Noordens "Europäischer Geschichte" liegt seit kurzem
der dritte Bund vor, der die Geschichte des spanischen Erbfoige-
lrieges bis zum Jahre 1710 fuhrt.*) Ein vierter Band, dessen
Erscheinen, wie der Verfasser hofft, nicht allzulange aus sich
warten lassen soll, wird die Epoche dieses Krieges und damit die
erste Abteilung des ganzes Wertes zum Abschluß bringen.

Es ist eine weit angelegte Aufgabe, die Carl von Noorden sich gestellt hat.
Freilich lag ihm, wie er ausdrücklich selbst betont, nichts ferner als die Absicht,
in handbuchartiger Stoffgruppirung die übersichtliche Geschichte Europas im
achtzehnten Jahrhundert zu behandeln. Vielmehr geht sein Plan dahin, "die
leitenden Ereignisse der europäischen Politik während der erstell vierzig Jahre
des achtzehnten Jahrhunderts im Zusammenhange darzustellen." In dieser Be¬
schränkung liegt zugleich eine Vertiefung der Aufgabe. Nicht ein Handbuch,
auch nicht eine Kulturgeschichte -- oder beides zusammen wie einst Schlosser --
wollte Noorden liefern, sondern eine Geschichte der europäische" Politik.

Ein Vergleich, angestellt zwischen Novrdens Werk und Schlossers Geschichte
des achtzehnten Jahrhunderts wird mit dieser Verschiedenheit der Anlage zu
rechnen haben. F. C. Schlossers Geschichtschreibung gehört der Vergangenheit
an. Er sah "Wert und Nutzen eines Werkes über so bekannte Geschichten, wie
die des vorigen Jahrhunderts sind, weniger in der Forschung als in der Aus¬
wahl und Stellung der Thatsachen." Seine Hauptbcmühuug wandte er der
Darstellung des geistige" Lebens der Völker und seiner Entwicklung zu. So
kam es, daß er der "Bildungsgeschichte" einen unverhältnismäßig großen Raum
muaß, dagegen im Charakter historischer Kompendien die Darstellung der poli¬
tischen Geschichte in einer Weise andeutend und zusammenfassend behandelte,
welche ihm z. B. ermöglichte, den spanischen Erbfolgekrieg, der bei Noorden nun
schon drei stattliche Bände füllt und noch einen vierten fülle" wird, auf kam"
hundert Seiten abzuhandeln. Von archivalischer Forschung sind dementsprechend
bei Schlosser nur die dürftigsten Anfänge Vorhäute". Gerade nach dieser Seite
aber liegt der Schwerpunkt der Noordenscheu Arbeit. In solchem Unterschiede
der Methode und der Anlage verbirgt sich der tiefgreifende Unterschied zweier



*) Europäische Geschichte im achtzehnten Jahrhundert von Carl von
Noorden. Erste Abteilung. Der spanische Erbfolgekrieg. Dritter Band. Leipzig, Duncker
und Humblot, 1882.
C. V. Noordens Europäische Geschichte im achtzehnten
Jahrhundert.

on Carl von Noordens „Europäischer Geschichte" liegt seit kurzem
der dritte Bund vor, der die Geschichte des spanischen Erbfoige-
lrieges bis zum Jahre 1710 fuhrt.*) Ein vierter Band, dessen
Erscheinen, wie der Verfasser hofft, nicht allzulange aus sich
warten lassen soll, wird die Epoche dieses Krieges und damit die
erste Abteilung des ganzes Wertes zum Abschluß bringen.

Es ist eine weit angelegte Aufgabe, die Carl von Noorden sich gestellt hat.
Freilich lag ihm, wie er ausdrücklich selbst betont, nichts ferner als die Absicht,
in handbuchartiger Stoffgruppirung die übersichtliche Geschichte Europas im
achtzehnten Jahrhundert zu behandeln. Vielmehr geht sein Plan dahin, „die
leitenden Ereignisse der europäischen Politik während der erstell vierzig Jahre
des achtzehnten Jahrhunderts im Zusammenhange darzustellen." In dieser Be¬
schränkung liegt zugleich eine Vertiefung der Aufgabe. Nicht ein Handbuch,
auch nicht eine Kulturgeschichte — oder beides zusammen wie einst Schlosser —
wollte Noorden liefern, sondern eine Geschichte der europäische« Politik.

Ein Vergleich, angestellt zwischen Novrdens Werk und Schlossers Geschichte
des achtzehnten Jahrhunderts wird mit dieser Verschiedenheit der Anlage zu
rechnen haben. F. C. Schlossers Geschichtschreibung gehört der Vergangenheit
an. Er sah „Wert und Nutzen eines Werkes über so bekannte Geschichten, wie
die des vorigen Jahrhunderts sind, weniger in der Forschung als in der Aus¬
wahl und Stellung der Thatsachen." Seine Hauptbcmühuug wandte er der
Darstellung des geistige« Lebens der Völker und seiner Entwicklung zu. So
kam es, daß er der „Bildungsgeschichte" einen unverhältnismäßig großen Raum
muaß, dagegen im Charakter historischer Kompendien die Darstellung der poli¬
tischen Geschichte in einer Weise andeutend und zusammenfassend behandelte,
welche ihm z. B. ermöglichte, den spanischen Erbfolgekrieg, der bei Noorden nun
schon drei stattliche Bände füllt und noch einen vierten fülle« wird, auf kam«
hundert Seiten abzuhandeln. Von archivalischer Forschung sind dementsprechend
bei Schlosser nur die dürftigsten Anfänge Vorhäute«. Gerade nach dieser Seite
aber liegt der Schwerpunkt der Noordenscheu Arbeit. In solchem Unterschiede
der Methode und der Anlage verbirgt sich der tiefgreifende Unterschied zweier



*) Europäische Geschichte im achtzehnten Jahrhundert von Carl von
Noorden. Erste Abteilung. Der spanische Erbfolgekrieg. Dritter Band. Leipzig, Duncker
und Humblot, 1882.
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[0552] C. V. Noordens Europäische Geschichte im achtzehnten Jahrhundert. on Carl von Noordens „Europäischer Geschichte" liegt seit kurzem der dritte Bund vor, der die Geschichte des spanischen Erbfoige- lrieges bis zum Jahre 1710 fuhrt.*) Ein vierter Band, dessen Erscheinen, wie der Verfasser hofft, nicht allzulange aus sich warten lassen soll, wird die Epoche dieses Krieges und damit die erste Abteilung des ganzes Wertes zum Abschluß bringen. Es ist eine weit angelegte Aufgabe, die Carl von Noorden sich gestellt hat. Freilich lag ihm, wie er ausdrücklich selbst betont, nichts ferner als die Absicht, in handbuchartiger Stoffgruppirung die übersichtliche Geschichte Europas im achtzehnten Jahrhundert zu behandeln. Vielmehr geht sein Plan dahin, „die leitenden Ereignisse der europäischen Politik während der erstell vierzig Jahre des achtzehnten Jahrhunderts im Zusammenhange darzustellen." In dieser Be¬ schränkung liegt zugleich eine Vertiefung der Aufgabe. Nicht ein Handbuch, auch nicht eine Kulturgeschichte — oder beides zusammen wie einst Schlosser — wollte Noorden liefern, sondern eine Geschichte der europäische« Politik. Ein Vergleich, angestellt zwischen Novrdens Werk und Schlossers Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts wird mit dieser Verschiedenheit der Anlage zu rechnen haben. F. C. Schlossers Geschichtschreibung gehört der Vergangenheit an. Er sah „Wert und Nutzen eines Werkes über so bekannte Geschichten, wie die des vorigen Jahrhunderts sind, weniger in der Forschung als in der Aus¬ wahl und Stellung der Thatsachen." Seine Hauptbcmühuug wandte er der Darstellung des geistige« Lebens der Völker und seiner Entwicklung zu. So kam es, daß er der „Bildungsgeschichte" einen unverhältnismäßig großen Raum muaß, dagegen im Charakter historischer Kompendien die Darstellung der poli¬ tischen Geschichte in einer Weise andeutend und zusammenfassend behandelte, welche ihm z. B. ermöglichte, den spanischen Erbfolgekrieg, der bei Noorden nun schon drei stattliche Bände füllt und noch einen vierten fülle« wird, auf kam« hundert Seiten abzuhandeln. Von archivalischer Forschung sind dementsprechend bei Schlosser nur die dürftigsten Anfänge Vorhäute«. Gerade nach dieser Seite aber liegt der Schwerpunkt der Noordenscheu Arbeit. In solchem Unterschiede der Methode und der Anlage verbirgt sich der tiefgreifende Unterschied zweier *) Europäische Geschichte im achtzehnten Jahrhundert von Carl von Noorden. Erste Abteilung. Der spanische Erbfolgekrieg. Dritter Band. Leipzig, Duncker und Humblot, 1882.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/552>, abgerufen am 22.07.2024.