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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Börse und Publikum.

Freilich die Anzeigen in "berühmten" Zeitungen gingen ununterbrochen
weiter; sie dienten vielleicht zur Beruhigung für viele, die schon ansingen, ängstlich
zu werden, bestimmten sie wohl gar, noch abzuwarten. Die meisten der Ge¬
schädigten beriefen sich darauf, daß sie nicht hätten glauben können, daß die
Zeitungen derartige Anzeigen bringen würden, wenn dieselben baarer Schwindel
wären!

Wenn man auch oft genug vou den Zeitungen sagen hört: Sie lügen alle,
so befindet sich doch das Publikum ihnen gegenüber in derselben naiven An¬
schauung wie gegenüber der Börse und den "Bankiers"; daß insbesondre die
Finanzblütter und diejenigen, welche große politische Prätensionen nur als Deck¬
mantel für den finanziellen Raub benutzen, ausschließlich für die Börse arbeiten,
davon hat das Publikum gar keine Ahnung; es steht derart im Banne der Re¬
klame, daß jeder, der dieselbe nnr mit der gehörigen Ausdauer betreibt, ein Ge¬
schäft damit machen wird, "inklinire" er nun für "Voßsche Katarrhpillen" oder
für schwindelhafte "Sachssche Pfandbriefe."

Wer die Notwendigkeit, den politischen und insbesondre den finanziellen
Blättern das Recht der Jnsercitcnaufnahme zu entziehen, noch bezweifeln wollte,
durch die Ergebnisse der Affäre Sachs ist diese Notwendigkeit schlagend dar¬
gethan worden. Wenigstens ist es unbedingt geboten, eine materielle Verpflichtung
der Blätter, welche schwindelhafte Anzeigen bringen, zum eventuellen Schaden¬
ersatz gesetzlich festzustellen. Denn dem Schaden, den jene Blätter dnrch ihre
Übeln Manipulationen zum Zwecke der Geldschneiderei anrichten, steht kein Nutzen
für das Publikum gegenüber. Weder die Gebrüder Sachs noch Herr Levenstein
sind gestürzt worden durch die Finanzpresse. Beide kamen -- und wir machen
nochmals darauf aufmerksam -- zum Sturz in dem Augenblicke, wo sie für sich
selbst vom Publikum Geld verlangten, wo sie ihre Vermittler-, ihre "Bankiers"-
Rolle, der gemäß sie nur Geldanlagen "besorgten" und damit nur dem Publikum
"dienten," abstreiften, um ihren persönlichen Kredit zu erproben.

Die Idee der Gebrüder Sachs, endlich einmal auf ihrem persönlichen Kredit
zu reiten, war in ihrer Ausführung gelungen genug. Die Schwindler trauten
offenbar diesem Persönlichen Kredit noch nicht so ganz und hielten es für nötig,
demselben einen Mantel umzuhängen. Sie ließen also förmliche Obligationen
mit Kupons und auf abgerundete Beträge lautend drucken. Die Erfahrungen,
welche sie bisher mit dem Publikum gemacht hatten, versprachen ihnen auch jetzt
die besten Erfolge. Aber da kamen sie schön an. Kaum daß sie einige solche
Obligationen ins Publikum geschmuggelt hatten und kaum daß die Betreffenden
lasen, daß Sachs u. Co. hier in optiing, tornr-z. als Schuldner auftraten, da
wurden sie stutzig und verlangten sofort ihr Geld zurück. Dieselben Leute also,
welche ohne weiteres ihr Eigentum in die Hände der "Bankiers" gegeben hatten,
solange diese ihnen einen Schwindel vorgemacht, wollten nichts mehr von ihnen
wissen, sobald dieselben begannen, ihnen etwas reineren Wein einzuschenken!


Börse und Publikum.

Freilich die Anzeigen in „berühmten" Zeitungen gingen ununterbrochen
weiter; sie dienten vielleicht zur Beruhigung für viele, die schon ansingen, ängstlich
zu werden, bestimmten sie wohl gar, noch abzuwarten. Die meisten der Ge¬
schädigten beriefen sich darauf, daß sie nicht hätten glauben können, daß die
Zeitungen derartige Anzeigen bringen würden, wenn dieselben baarer Schwindel
wären!

Wenn man auch oft genug vou den Zeitungen sagen hört: Sie lügen alle,
so befindet sich doch das Publikum ihnen gegenüber in derselben naiven An¬
schauung wie gegenüber der Börse und den „Bankiers"; daß insbesondre die
Finanzblütter und diejenigen, welche große politische Prätensionen nur als Deck¬
mantel für den finanziellen Raub benutzen, ausschließlich für die Börse arbeiten,
davon hat das Publikum gar keine Ahnung; es steht derart im Banne der Re¬
klame, daß jeder, der dieselbe nnr mit der gehörigen Ausdauer betreibt, ein Ge¬
schäft damit machen wird, „inklinire" er nun für „Voßsche Katarrhpillen" oder
für schwindelhafte „Sachssche Pfandbriefe."

Wer die Notwendigkeit, den politischen und insbesondre den finanziellen
Blättern das Recht der Jnsercitcnaufnahme zu entziehen, noch bezweifeln wollte,
durch die Ergebnisse der Affäre Sachs ist diese Notwendigkeit schlagend dar¬
gethan worden. Wenigstens ist es unbedingt geboten, eine materielle Verpflichtung
der Blätter, welche schwindelhafte Anzeigen bringen, zum eventuellen Schaden¬
ersatz gesetzlich festzustellen. Denn dem Schaden, den jene Blätter dnrch ihre
Übeln Manipulationen zum Zwecke der Geldschneiderei anrichten, steht kein Nutzen
für das Publikum gegenüber. Weder die Gebrüder Sachs noch Herr Levenstein
sind gestürzt worden durch die Finanzpresse. Beide kamen — und wir machen
nochmals darauf aufmerksam — zum Sturz in dem Augenblicke, wo sie für sich
selbst vom Publikum Geld verlangten, wo sie ihre Vermittler-, ihre „Bankiers"-
Rolle, der gemäß sie nur Geldanlagen „besorgten" und damit nur dem Publikum
„dienten," abstreiften, um ihren persönlichen Kredit zu erproben.

Die Idee der Gebrüder Sachs, endlich einmal auf ihrem persönlichen Kredit
zu reiten, war in ihrer Ausführung gelungen genug. Die Schwindler trauten
offenbar diesem Persönlichen Kredit noch nicht so ganz und hielten es für nötig,
demselben einen Mantel umzuhängen. Sie ließen also förmliche Obligationen
mit Kupons und auf abgerundete Beträge lautend drucken. Die Erfahrungen,
welche sie bisher mit dem Publikum gemacht hatten, versprachen ihnen auch jetzt
die besten Erfolge. Aber da kamen sie schön an. Kaum daß sie einige solche
Obligationen ins Publikum geschmuggelt hatten und kaum daß die Betreffenden
lasen, daß Sachs u. Co. hier in optiing, tornr-z. als Schuldner auftraten, da
wurden sie stutzig und verlangten sofort ihr Geld zurück. Dieselben Leute also,
welche ohne weiteres ihr Eigentum in die Hände der „Bankiers" gegeben hatten,
solange diese ihnen einen Schwindel vorgemacht, wollten nichts mehr von ihnen
wissen, sobald dieselben begannen, ihnen etwas reineren Wein einzuschenken!


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[0548] Börse und Publikum. Freilich die Anzeigen in „berühmten" Zeitungen gingen ununterbrochen weiter; sie dienten vielleicht zur Beruhigung für viele, die schon ansingen, ängstlich zu werden, bestimmten sie wohl gar, noch abzuwarten. Die meisten der Ge¬ schädigten beriefen sich darauf, daß sie nicht hätten glauben können, daß die Zeitungen derartige Anzeigen bringen würden, wenn dieselben baarer Schwindel wären! Wenn man auch oft genug vou den Zeitungen sagen hört: Sie lügen alle, so befindet sich doch das Publikum ihnen gegenüber in derselben naiven An¬ schauung wie gegenüber der Börse und den „Bankiers"; daß insbesondre die Finanzblütter und diejenigen, welche große politische Prätensionen nur als Deck¬ mantel für den finanziellen Raub benutzen, ausschließlich für die Börse arbeiten, davon hat das Publikum gar keine Ahnung; es steht derart im Banne der Re¬ klame, daß jeder, der dieselbe nnr mit der gehörigen Ausdauer betreibt, ein Ge¬ schäft damit machen wird, „inklinire" er nun für „Voßsche Katarrhpillen" oder für schwindelhafte „Sachssche Pfandbriefe." Wer die Notwendigkeit, den politischen und insbesondre den finanziellen Blättern das Recht der Jnsercitcnaufnahme zu entziehen, noch bezweifeln wollte, durch die Ergebnisse der Affäre Sachs ist diese Notwendigkeit schlagend dar¬ gethan worden. Wenigstens ist es unbedingt geboten, eine materielle Verpflichtung der Blätter, welche schwindelhafte Anzeigen bringen, zum eventuellen Schaden¬ ersatz gesetzlich festzustellen. Denn dem Schaden, den jene Blätter dnrch ihre Übeln Manipulationen zum Zwecke der Geldschneiderei anrichten, steht kein Nutzen für das Publikum gegenüber. Weder die Gebrüder Sachs noch Herr Levenstein sind gestürzt worden durch die Finanzpresse. Beide kamen — und wir machen nochmals darauf aufmerksam — zum Sturz in dem Augenblicke, wo sie für sich selbst vom Publikum Geld verlangten, wo sie ihre Vermittler-, ihre „Bankiers"- Rolle, der gemäß sie nur Geldanlagen „besorgten" und damit nur dem Publikum „dienten," abstreiften, um ihren persönlichen Kredit zu erproben. Die Idee der Gebrüder Sachs, endlich einmal auf ihrem persönlichen Kredit zu reiten, war in ihrer Ausführung gelungen genug. Die Schwindler trauten offenbar diesem Persönlichen Kredit noch nicht so ganz und hielten es für nötig, demselben einen Mantel umzuhängen. Sie ließen also förmliche Obligationen mit Kupons und auf abgerundete Beträge lautend drucken. Die Erfahrungen, welche sie bisher mit dem Publikum gemacht hatten, versprachen ihnen auch jetzt die besten Erfolge. Aber da kamen sie schön an. Kaum daß sie einige solche Obligationen ins Publikum geschmuggelt hatten und kaum daß die Betreffenden lasen, daß Sachs u. Co. hier in optiing, tornr-z. als Schuldner auftraten, da wurden sie stutzig und verlangten sofort ihr Geld zurück. Dieselben Leute also, welche ohne weiteres ihr Eigentum in die Hände der „Bankiers" gegeben hatten, solange diese ihnen einen Schwindel vorgemacht, wollten nichts mehr von ihnen wissen, sobald dieselben begannen, ihnen etwas reineren Wein einzuschenken!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/548>, abgerufen am 23.07.2024.