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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Börse und Publikum.

Sachssche Netz gelockt lvorden. Nachdem er sein Vermögen diesen "Bankiers"
in die Hände gegeben hatte und dnrch das Gefahren derselben wohl hätte auf¬
merksam werden können, ließ er sich gar noch verleiten, seine Verwandten zu
veranlasse!?, ihre Sparpfennige den Grünem anzuvertrauen und war dann wie
vom Donner gerührt, als er aus denselben Zeitungen, deren Anzeigen ihn ge¬
fangen hatten, die Flucht der Gebrüder Sachs erfuhr. Und die Gebrüder Sachs
hatten sich bei diesem Fang nicht einmal sonderliche Mühe gegeben. Als sie
die Pfandbriefe, wegen deren "unentgeltlichen" Umtausch (da sie ausgelost
waren) sich der Pfarrer an die Gebrüder gewandt hatte, einmal in Besitz und
selbstverständlich auch sofort versilbert oder einem "ehrlichen Makler" in Pfand
gegeben hatten, machten sie dem Pfarrer weis;, daß er das Erträgnis seines
Besitztums außerordentlich vermehren könnte (obgleich es sich, wie der Pfarrer
ausrechnen konnte, um nur wenige Mark um Zinsen handelte), wenn er, anstatt
neue Pfandbriefe zu kaufen, "Russen" nehmen würde. Da aber die Russen
augenblicklich sehr hoch im Kurs seien, so wollten sie gern das Geld einstweilen
in clexosito nehmen (wie freundlich und gefällig!) und -- damit der Geschäfts¬
freund ja keinen Verlust erleide -- sogar mit fünf Prozent verzinsen, um einen
günstigen Zeitpunkt zum Ankauf der "Russen" abzuwarten. Der Pfarrer ist
natürlich von solcher Freundlichkeit ganz gerührt. Als dann freilich die Zeit
bis zum günstigen Russenkurs sich sehr in die Länge zu ziehen droht, erfolgt
eine schüchterne Anfrage, auf die es heißt, die "Firma" habe "selbstverständlich"
die Sache "fortwährend im Auge" gehabt, indeß sei jetzt die Lage so, daß sie
die Russen in nächster Zeit kaufen zu können hoffe; leider runde sich die em¬
pfangene Summe uicht gut ab; es empfehle sich daher womöglich noch eine
Geldsendung. Und da war es denn, wo der Pfarrer seine Verwandten ver¬
anlaßte, much ihre Sparpfennige flüssig zu machen!

Es ist wirklich ein grotesker Zug, der sich in dieser Vertrauensseligkeit
gegen deu "Vermittler" -- die ja auch auf andern Gebieten die erstaunlichsten
Blüten treibt -- geltend macht, während andrerseits fast alles Vertrauen im
direkten Verkehr verschwunden ist. Denn der angeführte Fall ist thatsächlich
nur ein Beispiel, das sich dutzendfach wiederholt. Von den 108 Gläubigern,
die sich zur Sachsschen Konkursmasse angemeldet hatten, waren nur einige wenige
gleich beim ersten Geschäft klug geworden, obgleich die Gebrüder Sachs ziemlich
plump vorgingen und da, wo neue Kupons zu besorgen waren, stets auch die
Obligationen verlangten, die in der Regel nicht nötig sind. Da, wo größere Fänge
zu machen waren -- die Betrügereien, welche insgesammt den Betrag von nahezu
zwei Millionen Mark erreichten, stiegen in einzelnen Fällen auf 50 000 Mark
und mehr --, ging man vorsichtiger vor, zahlte unter Umständen anch etwas
zurück. Immer aber blieb das Geschäftsgebahren plump, und die Absicht, den
Leuten nur das Geld abzunehmen, tritt stets so stark hervor, daß es keines be¬
sondern Scharfsinnes bedurft hätte, um sie zu durchschauen.


Börse und Publikum.

Sachssche Netz gelockt lvorden. Nachdem er sein Vermögen diesen „Bankiers"
in die Hände gegeben hatte und dnrch das Gefahren derselben wohl hätte auf¬
merksam werden können, ließ er sich gar noch verleiten, seine Verwandten zu
veranlasse!?, ihre Sparpfennige den Grünem anzuvertrauen und war dann wie
vom Donner gerührt, als er aus denselben Zeitungen, deren Anzeigen ihn ge¬
fangen hatten, die Flucht der Gebrüder Sachs erfuhr. Und die Gebrüder Sachs
hatten sich bei diesem Fang nicht einmal sonderliche Mühe gegeben. Als sie
die Pfandbriefe, wegen deren „unentgeltlichen" Umtausch (da sie ausgelost
waren) sich der Pfarrer an die Gebrüder gewandt hatte, einmal in Besitz und
selbstverständlich auch sofort versilbert oder einem „ehrlichen Makler" in Pfand
gegeben hatten, machten sie dem Pfarrer weis;, daß er das Erträgnis seines
Besitztums außerordentlich vermehren könnte (obgleich es sich, wie der Pfarrer
ausrechnen konnte, um nur wenige Mark um Zinsen handelte), wenn er, anstatt
neue Pfandbriefe zu kaufen, „Russen" nehmen würde. Da aber die Russen
augenblicklich sehr hoch im Kurs seien, so wollten sie gern das Geld einstweilen
in clexosito nehmen (wie freundlich und gefällig!) und — damit der Geschäfts¬
freund ja keinen Verlust erleide — sogar mit fünf Prozent verzinsen, um einen
günstigen Zeitpunkt zum Ankauf der „Russen" abzuwarten. Der Pfarrer ist
natürlich von solcher Freundlichkeit ganz gerührt. Als dann freilich die Zeit
bis zum günstigen Russenkurs sich sehr in die Länge zu ziehen droht, erfolgt
eine schüchterne Anfrage, auf die es heißt, die „Firma" habe „selbstverständlich"
die Sache „fortwährend im Auge" gehabt, indeß sei jetzt die Lage so, daß sie
die Russen in nächster Zeit kaufen zu können hoffe; leider runde sich die em¬
pfangene Summe uicht gut ab; es empfehle sich daher womöglich noch eine
Geldsendung. Und da war es denn, wo der Pfarrer seine Verwandten ver¬
anlaßte, much ihre Sparpfennige flüssig zu machen!

Es ist wirklich ein grotesker Zug, der sich in dieser Vertrauensseligkeit
gegen deu „Vermittler" — die ja auch auf andern Gebieten die erstaunlichsten
Blüten treibt — geltend macht, während andrerseits fast alles Vertrauen im
direkten Verkehr verschwunden ist. Denn der angeführte Fall ist thatsächlich
nur ein Beispiel, das sich dutzendfach wiederholt. Von den 108 Gläubigern,
die sich zur Sachsschen Konkursmasse angemeldet hatten, waren nur einige wenige
gleich beim ersten Geschäft klug geworden, obgleich die Gebrüder Sachs ziemlich
plump vorgingen und da, wo neue Kupons zu besorgen waren, stets auch die
Obligationen verlangten, die in der Regel nicht nötig sind. Da, wo größere Fänge
zu machen waren — die Betrügereien, welche insgesammt den Betrag von nahezu
zwei Millionen Mark erreichten, stiegen in einzelnen Fällen auf 50 000 Mark
und mehr —, ging man vorsichtiger vor, zahlte unter Umständen anch etwas
zurück. Immer aber blieb das Geschäftsgebahren plump, und die Absicht, den
Leuten nur das Geld abzunehmen, tritt stets so stark hervor, daß es keines be¬
sondern Scharfsinnes bedurft hätte, um sie zu durchschauen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/547>, abgerufen am 23.07.2024.