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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Börse und Publikum.

Typisch fiir derartige Vorgänge, welche zunächst nur durch das unbegreif¬
liche Zutrauen des Publikums möglich sind, ist und bleibt der Fall Sachs u. Co.,
der zugleich den Umfang des Einflusses der Presse auf das große Publikum in
erstaunlicher Weise zum Ausdruck bringt. Der "publizistische" Grundsatz, daß
stetige Wiederholung ein und derselben Sache und ein und desselben Namens
in der Presse wirksam sein müsse, hat sich hier in wahrhaft erschreckender Weise
bewahrheitet. Fast in allen Vetrngsfüllen bei Sachs u, Co. konnte die Geschäfts¬
anknüpfung der einzelnen Personen mit den Frankfurter "Bankiers" auf die Wir¬
kung der Anzeige", welche sechs Jahre lang sich in den gelesensten Blättern
unausgesetzt wiederholten, zurückgeführt werden, und dasselbe wird die Unter¬
suchung auch Hinsichtlich des Berliner Falles Levenstein konstatiren.

In finanziellen Dingen wird dies umso gefährlicher, als das Publikum
der Wahrnehmung derselben mit einer wahrhaft unverbesserlichen Naivetät gegen¬
übersteht. Sobald es sich um Anlegung von Geldern handelt, sind die meisten
Menschen stets geneigt, sich dem ersten besten, wenn derselbe nnr glaubhaft zu
machen versteht, daß er nicht selbst das Geld brauche, sondern dessen "vorteil¬
hafte Anlegung" nur vermitteln wolle, blindlings in die Hände zu geben. Das
ungeheure Umsichgreifen des Kommissivns- lind Agentenwesens hat für unsern
Geschäfts- und insbesondre auch für den Kapitalverkehr einen förmlichen Nebel
geschaffen; und mir vermöge dieses Nebels sind Dinge, wie sie die Gebrüder
Suess in Frankfurt, Levensteiu und Konsorten in Berlin vollbracht haben,
möglich.

Sicher hätte niemand den Gebrüdern Sachs einen Pfennig geborgt, wenn
sie angezeigt hätten: Wir brauchen Geld für unsre Spekulationen und suchen
solches zu leihen. Denn dann hätte sicher jeder Geldbesitzer die genauesten Nach¬
forschungen nach ihnen angestellt, und er Hütte bald erfahren, daß jene erst nach
Frankfurt gekommen waren, nachdem sie im Wiener Krach ebenfalls mit zusammen¬
gebrochen waren. Ebensowenig hätte Herr Levenstein in Berlin auf dem Wege
des Darlehusgesuchs irgend einen nennenswerten Erfolg gehabt. Aber den Ge¬
brüdern Sachs fiel es nicht ein, Geld bei den Leuten leihen zu wolle": sie
erboten sich lediglich als Sachs u. Co. z"r Besorgung von Geldgeschäften --
und zwar unentgeltlicher Besorgung.

Erstaunlich muß es dennoch erscheinen, daß ans einen solchen Köder ein
so kolossaler Fischzug gemacht werden konnte. Aber much hier sehen wir nnr
einen allgemein bemerklichen Zug der Zeit sich grotesk äußern -- den Zug,
der darauf hinausläuft, alle Arbeit möglichst schlecht, am liebsten gnr nicht zu
bezahle". A"es bei Besorgung finanzieller Geschäfte handelt es sich um mancherlei
Geschäfte, die Zeit und Aufwand, also Geld kosten, und die darum von den
Interessenten zu bezahlen sind. Gerade darum aber glückte es so mit dem Köder
der unentgeltlichen Besorgung. Um "Ersparung" eines kleinen Betrages willen,
denn es handelt sich in der That bei finanziellen Besorgungen meist um ver-


Grenzbowi III. 1882. 08
Börse und Publikum.

Typisch fiir derartige Vorgänge, welche zunächst nur durch das unbegreif¬
liche Zutrauen des Publikums möglich sind, ist und bleibt der Fall Sachs u. Co.,
der zugleich den Umfang des Einflusses der Presse auf das große Publikum in
erstaunlicher Weise zum Ausdruck bringt. Der „publizistische" Grundsatz, daß
stetige Wiederholung ein und derselben Sache und ein und desselben Namens
in der Presse wirksam sein müsse, hat sich hier in wahrhaft erschreckender Weise
bewahrheitet. Fast in allen Vetrngsfüllen bei Sachs u, Co. konnte die Geschäfts¬
anknüpfung der einzelnen Personen mit den Frankfurter „Bankiers" auf die Wir¬
kung der Anzeige», welche sechs Jahre lang sich in den gelesensten Blättern
unausgesetzt wiederholten, zurückgeführt werden, und dasselbe wird die Unter¬
suchung auch Hinsichtlich des Berliner Falles Levenstein konstatiren.

In finanziellen Dingen wird dies umso gefährlicher, als das Publikum
der Wahrnehmung derselben mit einer wahrhaft unverbesserlichen Naivetät gegen¬
übersteht. Sobald es sich um Anlegung von Geldern handelt, sind die meisten
Menschen stets geneigt, sich dem ersten besten, wenn derselbe nnr glaubhaft zu
machen versteht, daß er nicht selbst das Geld brauche, sondern dessen „vorteil¬
hafte Anlegung" nur vermitteln wolle, blindlings in die Hände zu geben. Das
ungeheure Umsichgreifen des Kommissivns- lind Agentenwesens hat für unsern
Geschäfts- und insbesondre auch für den Kapitalverkehr einen förmlichen Nebel
geschaffen; und mir vermöge dieses Nebels sind Dinge, wie sie die Gebrüder
Suess in Frankfurt, Levensteiu und Konsorten in Berlin vollbracht haben,
möglich.

Sicher hätte niemand den Gebrüdern Sachs einen Pfennig geborgt, wenn
sie angezeigt hätten: Wir brauchen Geld für unsre Spekulationen und suchen
solches zu leihen. Denn dann hätte sicher jeder Geldbesitzer die genauesten Nach¬
forschungen nach ihnen angestellt, und er Hütte bald erfahren, daß jene erst nach
Frankfurt gekommen waren, nachdem sie im Wiener Krach ebenfalls mit zusammen¬
gebrochen waren. Ebensowenig hätte Herr Levenstein in Berlin auf dem Wege
des Darlehusgesuchs irgend einen nennenswerten Erfolg gehabt. Aber den Ge¬
brüdern Sachs fiel es nicht ein, Geld bei den Leuten leihen zu wolle»: sie
erboten sich lediglich als Sachs u. Co. z»r Besorgung von Geldgeschäften —
und zwar unentgeltlicher Besorgung.

Erstaunlich muß es dennoch erscheinen, daß ans einen solchen Köder ein
so kolossaler Fischzug gemacht werden konnte. Aber much hier sehen wir nnr
einen allgemein bemerklichen Zug der Zeit sich grotesk äußern — den Zug,
der darauf hinausläuft, alle Arbeit möglichst schlecht, am liebsten gnr nicht zu
bezahle». A»es bei Besorgung finanzieller Geschäfte handelt es sich um mancherlei
Geschäfte, die Zeit und Aufwand, also Geld kosten, und die darum von den
Interessenten zu bezahlen sind. Gerade darum aber glückte es so mit dem Köder
der unentgeltlichen Besorgung. Um „Ersparung" eines kleinen Betrages willen,
denn es handelt sich in der That bei finanziellen Besorgungen meist um ver-


Grenzbowi III. 1882. 08
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[0545] Börse und Publikum. Typisch fiir derartige Vorgänge, welche zunächst nur durch das unbegreif¬ liche Zutrauen des Publikums möglich sind, ist und bleibt der Fall Sachs u. Co., der zugleich den Umfang des Einflusses der Presse auf das große Publikum in erstaunlicher Weise zum Ausdruck bringt. Der „publizistische" Grundsatz, daß stetige Wiederholung ein und derselben Sache und ein und desselben Namens in der Presse wirksam sein müsse, hat sich hier in wahrhaft erschreckender Weise bewahrheitet. Fast in allen Vetrngsfüllen bei Sachs u, Co. konnte die Geschäfts¬ anknüpfung der einzelnen Personen mit den Frankfurter „Bankiers" auf die Wir¬ kung der Anzeige», welche sechs Jahre lang sich in den gelesensten Blättern unausgesetzt wiederholten, zurückgeführt werden, und dasselbe wird die Unter¬ suchung auch Hinsichtlich des Berliner Falles Levenstein konstatiren. In finanziellen Dingen wird dies umso gefährlicher, als das Publikum der Wahrnehmung derselben mit einer wahrhaft unverbesserlichen Naivetät gegen¬ übersteht. Sobald es sich um Anlegung von Geldern handelt, sind die meisten Menschen stets geneigt, sich dem ersten besten, wenn derselbe nnr glaubhaft zu machen versteht, daß er nicht selbst das Geld brauche, sondern dessen „vorteil¬ hafte Anlegung" nur vermitteln wolle, blindlings in die Hände zu geben. Das ungeheure Umsichgreifen des Kommissivns- lind Agentenwesens hat für unsern Geschäfts- und insbesondre auch für den Kapitalverkehr einen förmlichen Nebel geschaffen; und mir vermöge dieses Nebels sind Dinge, wie sie die Gebrüder Suess in Frankfurt, Levensteiu und Konsorten in Berlin vollbracht haben, möglich. Sicher hätte niemand den Gebrüdern Sachs einen Pfennig geborgt, wenn sie angezeigt hätten: Wir brauchen Geld für unsre Spekulationen und suchen solches zu leihen. Denn dann hätte sicher jeder Geldbesitzer die genauesten Nach¬ forschungen nach ihnen angestellt, und er Hütte bald erfahren, daß jene erst nach Frankfurt gekommen waren, nachdem sie im Wiener Krach ebenfalls mit zusammen¬ gebrochen waren. Ebensowenig hätte Herr Levenstein in Berlin auf dem Wege des Darlehusgesuchs irgend einen nennenswerten Erfolg gehabt. Aber den Ge¬ brüdern Sachs fiel es nicht ein, Geld bei den Leuten leihen zu wolle»: sie erboten sich lediglich als Sachs u. Co. z»r Besorgung von Geldgeschäften — und zwar unentgeltlicher Besorgung. Erstaunlich muß es dennoch erscheinen, daß ans einen solchen Köder ein so kolossaler Fischzug gemacht werden konnte. Aber much hier sehen wir nnr einen allgemein bemerklichen Zug der Zeit sich grotesk äußern — den Zug, der darauf hinausläuft, alle Arbeit möglichst schlecht, am liebsten gnr nicht zu bezahle». A»es bei Besorgung finanzieller Geschäfte handelt es sich um mancherlei Geschäfte, die Zeit und Aufwand, also Geld kosten, und die darum von den Interessenten zu bezahlen sind. Gerade darum aber glückte es so mit dem Köder der unentgeltlichen Besorgung. Um „Ersparung" eines kleinen Betrages willen, denn es handelt sich in der That bei finanziellen Besorgungen meist um ver- Grenzbowi III. 1882. 08

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/545>, abgerufen am 03.07.2024.