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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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daß der Beistand unsrer Soldaten für England höchst wertvoll gewesen wäre;
wir sehen aber anch, daß wir, indem wir ihm behilflich waren im Oriente vor¬
zudringen, es ihm erleichterten, für den Occident gleichgültig zu bleibell. Wenn
jetzt Verwicklungen am Rhein einträten, was kümmerte das England, welches
jetzt seinen Suezkanal und Ägypten und die Straße nach Indien Hütte? Es würde
sich zurückziehen, oder nnr platonische Verwahrung dagegen einlegen. Wir haben
somit nicht den geringsten Grund, ihm bei seinen Eroberungen förderlich zu sein,
und bei ernsten Konjunkturen wird es uns niemals nützen. . . . Wenn die Furcht
vor Deutschland uns blindlings in die Arme Englands getrieben hätte, so hätten
wir unsern Lohn für diese naive Gefälligkeit dahin gehabt. Das zweite Kaiser¬
reich hat hunderttausend Soldaten und sechzehnhundert Millionen Franks ge¬
opfert, um in der Krim zu verhindern, was jetzt in Ägypten unvermeidlich er¬
scheint; welchen Gewinn hat es daraus gezogen? Wir werden also fortan nnr
zur Verteidigung einer rein französischen Sache ins Feld rücken. . . . Nur in
diesen Grenzen will die Nation Kosten und Gefahren ans sich nehmen, und was
die Aufgeregten auch thun mögen, die über den Verfall unsers nationalen
Mutes jammern, sie werden bei dem praktisch gewordenen Volke nichts andres
durchsetzen." Hoffen wir das, es wird anch Frankreich wohl bekommen.

Über die Zukunft Ägyptens zu reden oder gar auf einem Kongreß zu be¬
schließen, wäre es übrigeus heute wohl uoch zu früh. Die Nürnberger henken
keinen, sie hätten ihn denn zuvor. Die Engländer haben die erstrebte Beute
noch nicht und werden sie dem Anscheine nach auch in dieser und der nächsten
Woche noch nicht gewinnen. Am 12. September hofften ihre Offiziere in Kairo
zu sein, aber sie haben hente, zwei Tage vor diesem Termin, noch nicht den
einen entscheidenden Schlag führen können, der sie dahin führen sollte. Bona¬
partes rascher Sieg über die ägyptischen Türken scheint sich nicht wiederholen
zu wollen. Arabi hat weit mehr Truppen zur Verfügung, als die Pforte bei
Abukir und unter den Pyramiden hatte, und wenn die Qualität seiner Soldaten,
besonders die der aus den Fellahiu rekrntirten, nicht so gut ist als die der Türken,
welche die Mameluken gegen die Heerschnaren der ersten französischen Republik
ins Feld führte", so wird er dafür durch andre Umstände begünstigt. Die
Ägypter unternahmen 1875 und 1876 Feldzüge gegen die Abessinier. Der erste,
mit viertausend Mann unternommen, wurde mit einem einzigen gewaltigen
Streiche beendigt, d. h. das ägyptische Heer wurde in der ersten Schlacht bei-
nahe bis auf deu letzten Mann zusammengchnnen. Ismail entsandte darauf eine
fast dreimal so starke Armee gegen das tapfere Bergvolk, aber dieselbe wurde
im offnen Felde kläglich geschlagen, dann in einem verschanzten Lager eingeschlossen,
und wenn sie schließlich mit geringen Verlusten sich nach Massaua rettete, so
dankte sie das nnr dem Umstände, daß die Mehrzahl ihrer Gegner nach Ablauf
ihrer Verpflichtungen zum Kriegsdienste auseinanderlief und in die Heimat zurück¬
kehrte. Endlich haben sich die ägyptischen Truppen 1877 und 1878 in Bill-


daß der Beistand unsrer Soldaten für England höchst wertvoll gewesen wäre;
wir sehen aber anch, daß wir, indem wir ihm behilflich waren im Oriente vor¬
zudringen, es ihm erleichterten, für den Occident gleichgültig zu bleibell. Wenn
jetzt Verwicklungen am Rhein einträten, was kümmerte das England, welches
jetzt seinen Suezkanal und Ägypten und die Straße nach Indien Hütte? Es würde
sich zurückziehen, oder nnr platonische Verwahrung dagegen einlegen. Wir haben
somit nicht den geringsten Grund, ihm bei seinen Eroberungen förderlich zu sein,
und bei ernsten Konjunkturen wird es uns niemals nützen. . . . Wenn die Furcht
vor Deutschland uns blindlings in die Arme Englands getrieben hätte, so hätten
wir unsern Lohn für diese naive Gefälligkeit dahin gehabt. Das zweite Kaiser¬
reich hat hunderttausend Soldaten und sechzehnhundert Millionen Franks ge¬
opfert, um in der Krim zu verhindern, was jetzt in Ägypten unvermeidlich er¬
scheint; welchen Gewinn hat es daraus gezogen? Wir werden also fortan nnr
zur Verteidigung einer rein französischen Sache ins Feld rücken. . . . Nur in
diesen Grenzen will die Nation Kosten und Gefahren ans sich nehmen, und was
die Aufgeregten auch thun mögen, die über den Verfall unsers nationalen
Mutes jammern, sie werden bei dem praktisch gewordenen Volke nichts andres
durchsetzen." Hoffen wir das, es wird anch Frankreich wohl bekommen.

Über die Zukunft Ägyptens zu reden oder gar auf einem Kongreß zu be¬
schließen, wäre es übrigeus heute wohl uoch zu früh. Die Nürnberger henken
keinen, sie hätten ihn denn zuvor. Die Engländer haben die erstrebte Beute
noch nicht und werden sie dem Anscheine nach auch in dieser und der nächsten
Woche noch nicht gewinnen. Am 12. September hofften ihre Offiziere in Kairo
zu sein, aber sie haben hente, zwei Tage vor diesem Termin, noch nicht den
einen entscheidenden Schlag führen können, der sie dahin führen sollte. Bona¬
partes rascher Sieg über die ägyptischen Türken scheint sich nicht wiederholen
zu wollen. Arabi hat weit mehr Truppen zur Verfügung, als die Pforte bei
Abukir und unter den Pyramiden hatte, und wenn die Qualität seiner Soldaten,
besonders die der aus den Fellahiu rekrntirten, nicht so gut ist als die der Türken,
welche die Mameluken gegen die Heerschnaren der ersten französischen Republik
ins Feld führte», so wird er dafür durch andre Umstände begünstigt. Die
Ägypter unternahmen 1875 und 1876 Feldzüge gegen die Abessinier. Der erste,
mit viertausend Mann unternommen, wurde mit einem einzigen gewaltigen
Streiche beendigt, d. h. das ägyptische Heer wurde in der ersten Schlacht bei-
nahe bis auf deu letzten Mann zusammengchnnen. Ismail entsandte darauf eine
fast dreimal so starke Armee gegen das tapfere Bergvolk, aber dieselbe wurde
im offnen Felde kläglich geschlagen, dann in einem verschanzten Lager eingeschlossen,
und wenn sie schließlich mit geringen Verlusten sich nach Massaua rettete, so
dankte sie das nnr dem Umstände, daß die Mehrzahl ihrer Gegner nach Ablauf
ihrer Verpflichtungen zum Kriegsdienste auseinanderlief und in die Heimat zurück¬
kehrte. Endlich haben sich die ägyptischen Truppen 1877 und 1878 in Bill-


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[0541] daß der Beistand unsrer Soldaten für England höchst wertvoll gewesen wäre; wir sehen aber anch, daß wir, indem wir ihm behilflich waren im Oriente vor¬ zudringen, es ihm erleichterten, für den Occident gleichgültig zu bleibell. Wenn jetzt Verwicklungen am Rhein einträten, was kümmerte das England, welches jetzt seinen Suezkanal und Ägypten und die Straße nach Indien Hütte? Es würde sich zurückziehen, oder nnr platonische Verwahrung dagegen einlegen. Wir haben somit nicht den geringsten Grund, ihm bei seinen Eroberungen förderlich zu sein, und bei ernsten Konjunkturen wird es uns niemals nützen. . . . Wenn die Furcht vor Deutschland uns blindlings in die Arme Englands getrieben hätte, so hätten wir unsern Lohn für diese naive Gefälligkeit dahin gehabt. Das zweite Kaiser¬ reich hat hunderttausend Soldaten und sechzehnhundert Millionen Franks ge¬ opfert, um in der Krim zu verhindern, was jetzt in Ägypten unvermeidlich er¬ scheint; welchen Gewinn hat es daraus gezogen? Wir werden also fortan nnr zur Verteidigung einer rein französischen Sache ins Feld rücken. . . . Nur in diesen Grenzen will die Nation Kosten und Gefahren ans sich nehmen, und was die Aufgeregten auch thun mögen, die über den Verfall unsers nationalen Mutes jammern, sie werden bei dem praktisch gewordenen Volke nichts andres durchsetzen." Hoffen wir das, es wird anch Frankreich wohl bekommen. Über die Zukunft Ägyptens zu reden oder gar auf einem Kongreß zu be¬ schließen, wäre es übrigeus heute wohl uoch zu früh. Die Nürnberger henken keinen, sie hätten ihn denn zuvor. Die Engländer haben die erstrebte Beute noch nicht und werden sie dem Anscheine nach auch in dieser und der nächsten Woche noch nicht gewinnen. Am 12. September hofften ihre Offiziere in Kairo zu sein, aber sie haben hente, zwei Tage vor diesem Termin, noch nicht den einen entscheidenden Schlag führen können, der sie dahin führen sollte. Bona¬ partes rascher Sieg über die ägyptischen Türken scheint sich nicht wiederholen zu wollen. Arabi hat weit mehr Truppen zur Verfügung, als die Pforte bei Abukir und unter den Pyramiden hatte, und wenn die Qualität seiner Soldaten, besonders die der aus den Fellahiu rekrntirten, nicht so gut ist als die der Türken, welche die Mameluken gegen die Heerschnaren der ersten französischen Republik ins Feld führte», so wird er dafür durch andre Umstände begünstigt. Die Ägypter unternahmen 1875 und 1876 Feldzüge gegen die Abessinier. Der erste, mit viertausend Mann unternommen, wurde mit einem einzigen gewaltigen Streiche beendigt, d. h. das ägyptische Heer wurde in der ersten Schlacht bei- nahe bis auf deu letzten Mann zusammengchnnen. Ismail entsandte darauf eine fast dreimal so starke Armee gegen das tapfere Bergvolk, aber dieselbe wurde im offnen Felde kläglich geschlagen, dann in einem verschanzten Lager eingeschlossen, und wenn sie schließlich mit geringen Verlusten sich nach Massaua rettete, so dankte sie das nnr dem Umstände, daß die Mehrzahl ihrer Gegner nach Ablauf ihrer Verpflichtungen zum Kriegsdienste auseinanderlief und in die Heimat zurück¬ kehrte. Endlich haben sich die ägyptischen Truppen 1877 und 1878 in Bill-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/541>, abgerufen am 03.07.2024.