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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Regen.

trug der Sonne den Hut ablegt, hat die Luft wenig mehr als 9 Grad, was man
beobachten kaun, wenn man das Thermometer in den Schatten stellt. Ja noch
mehr, die direkt fallenden und von den Schneeflächen noch mehrmals zurück¬
geworfenen Sonnenstrahlen ziehen die Haut in Blasen, als wäre sie mit heißem
Wasser verbrannt, während der Schnee unter den Füßen kaum thaut und die
Luft 1 Grad Wärme hat.

Da nun die warme Lust leichter ist als die kalte, so steigt die am Erd¬
boden erwärmte Luft empor. Demnach würde sich allmählich die ganze über
der Erde lagernde Luftschicht erwärmen, ähnlich wie ein an dein Boden er¬
wärmtes Wassergefüß zuletzt die Temperatur der heißesten Stelle annimmt,
wenn nicht die emporsteigende, unter geringern Druck gelangende Luft die Wärme
verschluckte, also sich abkühlte. Enthält nun diese Luft Wnsserdampf, so kon-
densirt sich derselbe in gewisser Hohe und bildet Wolken und Regen.

Daß sich das Luft- nud Wassermeer um ihren beiderseitigen Berührungs¬
flächen gegenseitig nbsvrbirt, ist bereits oben erwähnt. Wie stark jedoch die
Fähigkeit der Luft ist, Wasserdampf, richtiger: Wasfergns in sich aufzunehmen,
möge noch hinzugefügt werden. In Cumana, einer Stadt, die in Südamerika
in der Nähe der Orinoevnuindnngen und 10 Grad nördlicher Breite liegt, ist
die jährliche Verdunstung des Meeres gleich einer Wasserschicht von 3^ Meter.
In Madeira beträgt sie 2,0, in Marseille 2.3, in der Nordsee 0,6--0,8 Meter
im Jahre. Es ist kaum möglich, sich eine Vorstellung von dieser ungeheuren
Wassermasse zu machen. Es leuchtet aber ein, daß die Menge des Wassers,
die in den Land- nud Weltströmeu der ganzen Erde dem Meere zuströmt, nur
ein geringer Teil dieser Verdunstnngsmasse ist.

Doch nicht die Wasserflüche allein, auch alle feuchten Gegenstände lassen
ihren Wassergehalt verdunsten, umsomehr, je mehr sie selbst Feuchtigkeit besitzen
und je mehr sie Fläche darbieten. nasses Gras läßt die Feuchtigkeit schneller
verdunsten als nasse Erde. Selbst Schnee verdunstet. Der Landmann, welcher
oft Gelegenheit hat, das allmähliche Verschwinden des Schnees zu sehen, ohne
daß die Thautemperntur erreicht wäre, sagt ganz zutreffend: die Sonne hat ihn
weggeleckt.

Die Fähigkeit der Luft, Wassergas aufzuuehiueu, ist abhängig von ihrer
Temperatur und der Quantität des Wassers, welche sie bereits aufgelöst ent¬
hält. Denken wir uns eine Waschküche von 50 Kubikmeter Inhalt. Hat dieser
Raum 22 Grad Wärme und ist mit Wassergas völlig gesättigt, so enthält er
in luftförmigcr Gestalt gerade ein Kilograimn Wasser. Man sieht vou diesem
Wassergehalte nicht das geringste, bis die Thür aufgeht und die nüchstgelegenen
-- nehmen wir ein 10 -- Kubikmeter Luft auf 15 Grad abgekühlt werden. Bei
dieser Temperatur kann aber die Luft eine solche Quantität Wasser nicht mehr
tragen und scheidet 70 Gramm Wasser aus. Dies geschieht in Form von
Wasserbläschen; wir sehen eine in der Nähe der geöffneten Thür sich bildende


Der Regen.

trug der Sonne den Hut ablegt, hat die Luft wenig mehr als 9 Grad, was man
beobachten kaun, wenn man das Thermometer in den Schatten stellt. Ja noch
mehr, die direkt fallenden und von den Schneeflächen noch mehrmals zurück¬
geworfenen Sonnenstrahlen ziehen die Haut in Blasen, als wäre sie mit heißem
Wasser verbrannt, während der Schnee unter den Füßen kaum thaut und die
Luft 1 Grad Wärme hat.

Da nun die warme Lust leichter ist als die kalte, so steigt die am Erd¬
boden erwärmte Luft empor. Demnach würde sich allmählich die ganze über
der Erde lagernde Luftschicht erwärmen, ähnlich wie ein an dein Boden er¬
wärmtes Wassergefüß zuletzt die Temperatur der heißesten Stelle annimmt,
wenn nicht die emporsteigende, unter geringern Druck gelangende Luft die Wärme
verschluckte, also sich abkühlte. Enthält nun diese Luft Wnsserdampf, so kon-
densirt sich derselbe in gewisser Hohe und bildet Wolken und Regen.

Daß sich das Luft- nud Wassermeer um ihren beiderseitigen Berührungs¬
flächen gegenseitig nbsvrbirt, ist bereits oben erwähnt. Wie stark jedoch die
Fähigkeit der Luft ist, Wasserdampf, richtiger: Wasfergns in sich aufzunehmen,
möge noch hinzugefügt werden. In Cumana, einer Stadt, die in Südamerika
in der Nähe der Orinoevnuindnngen und 10 Grad nördlicher Breite liegt, ist
die jährliche Verdunstung des Meeres gleich einer Wasserschicht von 3^ Meter.
In Madeira beträgt sie 2,0, in Marseille 2.3, in der Nordsee 0,6—0,8 Meter
im Jahre. Es ist kaum möglich, sich eine Vorstellung von dieser ungeheuren
Wassermasse zu machen. Es leuchtet aber ein, daß die Menge des Wassers,
die in den Land- nud Weltströmeu der ganzen Erde dem Meere zuströmt, nur
ein geringer Teil dieser Verdunstnngsmasse ist.

Doch nicht die Wasserflüche allein, auch alle feuchten Gegenstände lassen
ihren Wassergehalt verdunsten, umsomehr, je mehr sie selbst Feuchtigkeit besitzen
und je mehr sie Fläche darbieten. nasses Gras läßt die Feuchtigkeit schneller
verdunsten als nasse Erde. Selbst Schnee verdunstet. Der Landmann, welcher
oft Gelegenheit hat, das allmähliche Verschwinden des Schnees zu sehen, ohne
daß die Thautemperntur erreicht wäre, sagt ganz zutreffend: die Sonne hat ihn
weggeleckt.

Die Fähigkeit der Luft, Wassergas aufzuuehiueu, ist abhängig von ihrer
Temperatur und der Quantität des Wassers, welche sie bereits aufgelöst ent¬
hält. Denken wir uns eine Waschküche von 50 Kubikmeter Inhalt. Hat dieser
Raum 22 Grad Wärme und ist mit Wassergas völlig gesättigt, so enthält er
in luftförmigcr Gestalt gerade ein Kilograimn Wasser. Man sieht vou diesem
Wassergehalte nicht das geringste, bis die Thür aufgeht und die nüchstgelegenen
— nehmen wir ein 10 — Kubikmeter Luft auf 15 Grad abgekühlt werden. Bei
dieser Temperatur kann aber die Luft eine solche Quantität Wasser nicht mehr
tragen und scheidet 70 Gramm Wasser aus. Dies geschieht in Form von
Wasserbläschen; wir sehen eine in der Nähe der geöffneten Thür sich bildende


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[0466] Der Regen. trug der Sonne den Hut ablegt, hat die Luft wenig mehr als 9 Grad, was man beobachten kaun, wenn man das Thermometer in den Schatten stellt. Ja noch mehr, die direkt fallenden und von den Schneeflächen noch mehrmals zurück¬ geworfenen Sonnenstrahlen ziehen die Haut in Blasen, als wäre sie mit heißem Wasser verbrannt, während der Schnee unter den Füßen kaum thaut und die Luft 1 Grad Wärme hat. Da nun die warme Lust leichter ist als die kalte, so steigt die am Erd¬ boden erwärmte Luft empor. Demnach würde sich allmählich die ganze über der Erde lagernde Luftschicht erwärmen, ähnlich wie ein an dein Boden er¬ wärmtes Wassergefüß zuletzt die Temperatur der heißesten Stelle annimmt, wenn nicht die emporsteigende, unter geringern Druck gelangende Luft die Wärme verschluckte, also sich abkühlte. Enthält nun diese Luft Wnsserdampf, so kon- densirt sich derselbe in gewisser Hohe und bildet Wolken und Regen. Daß sich das Luft- nud Wassermeer um ihren beiderseitigen Berührungs¬ flächen gegenseitig nbsvrbirt, ist bereits oben erwähnt. Wie stark jedoch die Fähigkeit der Luft ist, Wasserdampf, richtiger: Wasfergns in sich aufzunehmen, möge noch hinzugefügt werden. In Cumana, einer Stadt, die in Südamerika in der Nähe der Orinoevnuindnngen und 10 Grad nördlicher Breite liegt, ist die jährliche Verdunstung des Meeres gleich einer Wasserschicht von 3^ Meter. In Madeira beträgt sie 2,0, in Marseille 2.3, in der Nordsee 0,6—0,8 Meter im Jahre. Es ist kaum möglich, sich eine Vorstellung von dieser ungeheuren Wassermasse zu machen. Es leuchtet aber ein, daß die Menge des Wassers, die in den Land- nud Weltströmeu der ganzen Erde dem Meere zuströmt, nur ein geringer Teil dieser Verdunstnngsmasse ist. Doch nicht die Wasserflüche allein, auch alle feuchten Gegenstände lassen ihren Wassergehalt verdunsten, umsomehr, je mehr sie selbst Feuchtigkeit besitzen und je mehr sie Fläche darbieten. nasses Gras läßt die Feuchtigkeit schneller verdunsten als nasse Erde. Selbst Schnee verdunstet. Der Landmann, welcher oft Gelegenheit hat, das allmähliche Verschwinden des Schnees zu sehen, ohne daß die Thautemperntur erreicht wäre, sagt ganz zutreffend: die Sonne hat ihn weggeleckt. Die Fähigkeit der Luft, Wassergas aufzuuehiueu, ist abhängig von ihrer Temperatur und der Quantität des Wassers, welche sie bereits aufgelöst ent¬ hält. Denken wir uns eine Waschküche von 50 Kubikmeter Inhalt. Hat dieser Raum 22 Grad Wärme und ist mit Wassergas völlig gesättigt, so enthält er in luftförmigcr Gestalt gerade ein Kilograimn Wasser. Man sieht vou diesem Wassergehalte nicht das geringste, bis die Thür aufgeht und die nüchstgelegenen — nehmen wir ein 10 — Kubikmeter Luft auf 15 Grad abgekühlt werden. Bei dieser Temperatur kann aber die Luft eine solche Quantität Wasser nicht mehr tragen und scheidet 70 Gramm Wasser aus. Dies geschieht in Form von Wasserbläschen; wir sehen eine in der Nähe der geöffneten Thür sich bildende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/466>, abgerufen am 03.07.2024.