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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Regen.

afrikanische Temperatur bis in die Thäler der Alpen mitbringe. Aber während
der Föhn heiß im tieferen Thale weht, ist es auf dem Gebirgskamme, den doch
der Wind übersteigt, bitter kalt, und es herrscht das schönste Schneegestöber. Auch
ist zu bemerken, daß der Föhn am heftigsten in den steil vom Hauptknunne
niedersteigenden Thälern weht, während er, in der Ebene angekommen, sogleich
verschwindet. Die den Alpenwall übersteigende Luft stürzt sich uümlich jenseits
in die tiefeingeschnittenen abschüssigen Thäler, kommt dabei schnell nnter erheblich
größeren Druck und erwärmt sich dadurch um 20 und mehr Grad. Da, wo
der Absturz ein Ende hat, hat anch die Erwärmung ein Ende, und der Föhn
verschwindet.

Um allem Zweifel ein Ende zu machen, erscheint der Föhn anch in Grön¬
land, wohin ein vorgewärmter afrikanischer Wind unmöglich gelangen kann.
Dieser warme Wind tritt vielmehr dort an der Westküste mit östlicher und süd¬
östlicher Strömung ans, also mit Winden, die direkt ans dein vereisten Innern
des Landes kommen. Es tritt aber derselbe Vorgang wie in den Alpen ein.
Ein vom Ozean einströmender Südwind, welcher das 2000 Meter hohe Innere
des Landes zu übersteigen gezwungen ist, verliert aufsteigend 10 Grad und ge¬
winnt niedersteigend an der entgegengesetzten Küste 20 Grad, eine Differenz, die
sich später erklären wird. Es kaun also geschehen und geschieht wirklich, daß an
der Westküste Winde, die aus dem eisigen Innern herauswehen, dennoch eine
Temperatur von 16 Grad haben.

Die entgegengesetzte Erscheinung, daß nämlich aufsteigende Luft in dem Maße,
als sie in geringeren Druck kommt und sich also auflockere, Wärme verzehrt, läßt
sich täglich beobachten. Sie ist die Voraussetzung der Wolkenbildung über¬
haupt.

Die frühere Meinung ging dahin: Die Sonnenstrahlen erwärmen die Luft,
und zwar nach dem Verhältnisse ihrer Dichtigkeit; je dünner die Luft ist, desto
weniger Wärmcstrcchleu kaun sie aufnehmen, daher die Kälte in den höheren
Regionen. Der Gegenbeweis gegen diese Annahme ist leicht zu führen. Man
braucht uur ein Thermometer nnter die luftleer gemachten Glocken einer Luft¬
pumpe zu stelle" und zu beobachten, daß das Thermometer dieselbe Wärme an¬
zeigt wie ein außerhalb befindliches. Die Sonnenstrahlen gehen vielmehr dnrch
die Luft hindurch, fast ohne sie zu erwärmen, treffen den Boden, erwärmen den¬
selben und als dunkle Wärmestrahlen zurückkehrend auch die Luft. Die Luft
wird also durch die Sonne nicht direkt, sondern erst indirekt erwärmt. Die
Wärmequelle liegt nicht oben, sondern unter. Man kann höchst auffallende
dahin gehörige Beobachtungen uns hohen Bergen machen. Wenn man, um bei
einer Hvchalpentour zu rasten, eine der rotbraunen Klippen aufsucht, die hie
und da aus dem Firnschnee anfragen, so findet man bisweilen eine ganz behag¬
liche Temperatur. Der Stein faßt sich beinahe heiß an. Dennoch thaut der
unmittelbar daneben gelegene Schnee nicht. Während man in direkter Ausdruk,


Grenzboten Hi. 1882. 58
Der Regen.

afrikanische Temperatur bis in die Thäler der Alpen mitbringe. Aber während
der Föhn heiß im tieferen Thale weht, ist es auf dem Gebirgskamme, den doch
der Wind übersteigt, bitter kalt, und es herrscht das schönste Schneegestöber. Auch
ist zu bemerken, daß der Föhn am heftigsten in den steil vom Hauptknunne
niedersteigenden Thälern weht, während er, in der Ebene angekommen, sogleich
verschwindet. Die den Alpenwall übersteigende Luft stürzt sich uümlich jenseits
in die tiefeingeschnittenen abschüssigen Thäler, kommt dabei schnell nnter erheblich
größeren Druck und erwärmt sich dadurch um 20 und mehr Grad. Da, wo
der Absturz ein Ende hat, hat anch die Erwärmung ein Ende, und der Föhn
verschwindet.

Um allem Zweifel ein Ende zu machen, erscheint der Föhn anch in Grön¬
land, wohin ein vorgewärmter afrikanischer Wind unmöglich gelangen kann.
Dieser warme Wind tritt vielmehr dort an der Westküste mit östlicher und süd¬
östlicher Strömung ans, also mit Winden, die direkt ans dein vereisten Innern
des Landes kommen. Es tritt aber derselbe Vorgang wie in den Alpen ein.
Ein vom Ozean einströmender Südwind, welcher das 2000 Meter hohe Innere
des Landes zu übersteigen gezwungen ist, verliert aufsteigend 10 Grad und ge¬
winnt niedersteigend an der entgegengesetzten Küste 20 Grad, eine Differenz, die
sich später erklären wird. Es kaun also geschehen und geschieht wirklich, daß an
der Westküste Winde, die aus dem eisigen Innern herauswehen, dennoch eine
Temperatur von 16 Grad haben.

Die entgegengesetzte Erscheinung, daß nämlich aufsteigende Luft in dem Maße,
als sie in geringeren Druck kommt und sich also auflockere, Wärme verzehrt, läßt
sich täglich beobachten. Sie ist die Voraussetzung der Wolkenbildung über¬
haupt.

Die frühere Meinung ging dahin: Die Sonnenstrahlen erwärmen die Luft,
und zwar nach dem Verhältnisse ihrer Dichtigkeit; je dünner die Luft ist, desto
weniger Wärmcstrcchleu kaun sie aufnehmen, daher die Kälte in den höheren
Regionen. Der Gegenbeweis gegen diese Annahme ist leicht zu führen. Man
braucht uur ein Thermometer nnter die luftleer gemachten Glocken einer Luft¬
pumpe zu stelle« und zu beobachten, daß das Thermometer dieselbe Wärme an¬
zeigt wie ein außerhalb befindliches. Die Sonnenstrahlen gehen vielmehr dnrch
die Luft hindurch, fast ohne sie zu erwärmen, treffen den Boden, erwärmen den¬
selben und als dunkle Wärmestrahlen zurückkehrend auch die Luft. Die Luft
wird also durch die Sonne nicht direkt, sondern erst indirekt erwärmt. Die
Wärmequelle liegt nicht oben, sondern unter. Man kann höchst auffallende
dahin gehörige Beobachtungen uns hohen Bergen machen. Wenn man, um bei
einer Hvchalpentour zu rasten, eine der rotbraunen Klippen aufsucht, die hie
und da aus dem Firnschnee anfragen, so findet man bisweilen eine ganz behag¬
liche Temperatur. Der Stein faßt sich beinahe heiß an. Dennoch thaut der
unmittelbar daneben gelegene Schnee nicht. Während man in direkter Ausdruk,


Grenzboten Hi. 1882. 58
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[0465] Der Regen. afrikanische Temperatur bis in die Thäler der Alpen mitbringe. Aber während der Föhn heiß im tieferen Thale weht, ist es auf dem Gebirgskamme, den doch der Wind übersteigt, bitter kalt, und es herrscht das schönste Schneegestöber. Auch ist zu bemerken, daß der Föhn am heftigsten in den steil vom Hauptknunne niedersteigenden Thälern weht, während er, in der Ebene angekommen, sogleich verschwindet. Die den Alpenwall übersteigende Luft stürzt sich uümlich jenseits in die tiefeingeschnittenen abschüssigen Thäler, kommt dabei schnell nnter erheblich größeren Druck und erwärmt sich dadurch um 20 und mehr Grad. Da, wo der Absturz ein Ende hat, hat anch die Erwärmung ein Ende, und der Föhn verschwindet. Um allem Zweifel ein Ende zu machen, erscheint der Föhn anch in Grön¬ land, wohin ein vorgewärmter afrikanischer Wind unmöglich gelangen kann. Dieser warme Wind tritt vielmehr dort an der Westküste mit östlicher und süd¬ östlicher Strömung ans, also mit Winden, die direkt ans dein vereisten Innern des Landes kommen. Es tritt aber derselbe Vorgang wie in den Alpen ein. Ein vom Ozean einströmender Südwind, welcher das 2000 Meter hohe Innere des Landes zu übersteigen gezwungen ist, verliert aufsteigend 10 Grad und ge¬ winnt niedersteigend an der entgegengesetzten Küste 20 Grad, eine Differenz, die sich später erklären wird. Es kaun also geschehen und geschieht wirklich, daß an der Westküste Winde, die aus dem eisigen Innern herauswehen, dennoch eine Temperatur von 16 Grad haben. Die entgegengesetzte Erscheinung, daß nämlich aufsteigende Luft in dem Maße, als sie in geringeren Druck kommt und sich also auflockere, Wärme verzehrt, läßt sich täglich beobachten. Sie ist die Voraussetzung der Wolkenbildung über¬ haupt. Die frühere Meinung ging dahin: Die Sonnenstrahlen erwärmen die Luft, und zwar nach dem Verhältnisse ihrer Dichtigkeit; je dünner die Luft ist, desto weniger Wärmcstrcchleu kaun sie aufnehmen, daher die Kälte in den höheren Regionen. Der Gegenbeweis gegen diese Annahme ist leicht zu führen. Man braucht uur ein Thermometer nnter die luftleer gemachten Glocken einer Luft¬ pumpe zu stelle« und zu beobachten, daß das Thermometer dieselbe Wärme an¬ zeigt wie ein außerhalb befindliches. Die Sonnenstrahlen gehen vielmehr dnrch die Luft hindurch, fast ohne sie zu erwärmen, treffen den Boden, erwärmen den¬ selben und als dunkle Wärmestrahlen zurückkehrend auch die Luft. Die Luft wird also durch die Sonne nicht direkt, sondern erst indirekt erwärmt. Die Wärmequelle liegt nicht oben, sondern unter. Man kann höchst auffallende dahin gehörige Beobachtungen uns hohen Bergen machen. Wenn man, um bei einer Hvchalpentour zu rasten, eine der rotbraunen Klippen aufsucht, die hie und da aus dem Firnschnee anfragen, so findet man bisweilen eine ganz behag¬ liche Temperatur. Der Stein faßt sich beinahe heiß an. Dennoch thaut der unmittelbar daneben gelegene Schnee nicht. Während man in direkter Ausdruk, Grenzboten Hi. 1882. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/465>, abgerufen am 22.07.2024.