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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Her Regen.

Dampfwolke und beobachten im kleinen dasselbe, was im großen bei jeder
Wolkenbildung stattfindet.

Nehmen wir an, über einer gewissen Gegend habe die Luft 22 Grad Wärme
lind sei zur Hälfte gesättigt, enthalte also auf deu Kubikmeter 9,7 Gramm Wasser.
Die aufsteigende Luft kühlt sich bei je 101 Meter Aufstieg um I. Grad ab.
Hat die Luft 1111 Meter Höhe erreicht, so kauu sie deu Wassergehalt eben
noch tragen; steigt sie höher, so scheidet sie deu Überschuß als Wolke aus. Der
Temperaturpnnkt, bei dem dies geschieht, wird als Thaupunkt bezeichnet. An
warmen Sommertagen, an denen "Gewitter nicht ausgeschlossen" sind, kann
man den Vorgang sehr deutlich beobachten. Mitten im blauen Himmel erscheint
eine weißliche Stelle, die sich zu einer lichten Wolke ausbildet. Mau pflegt
Wolken als fertige Dinge zu betrachten, als Rcgenmngazine, die irgend woher
kommen und an Wasserinhnlt unerschöpflich sind. Wie unrichtig das ist, zeigt
uns der eben beobachtete Vorgang. Unsre Wolke dehnt sich ans; während sie
nach unten eine glatt abgeschnittene Grenze hat, wächst sie säulenförmig empor,
soweit als der mehrfach erwähnte warme Luftstrom in die Region oberhalb der
Grenze des Thaupunktes vordringt und Feuchtigkeit abzugeben hat. So ist die
Wolke die Haube eines feuchten warmen Luftstromes, der auf der Erde ruht oder
über deu Thaupunkt hinausragt. Sie bildet sich in jedem Augenblicke neu, sinkt und
steigt und behält uur scheinbar dieselbe Höhe und den unteren scharfbegrenzten Ab¬
schnitt, denn in Wirklichkeit ist dieser Abschnitt nnr die Sichtbarkeitsgrenze der Wolke.

Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß sich bei der Verdichtung des Wasser¬
gases zu Wasserdampf dieselbe Erscheinung geltend macht, die wir bei der Luft
bemerkten, wenn dieselbe eine dichtere Gruppirung der kleinsten Teilchen anzu¬
nehmen gezwungen wird. Die gebundene Wärme wird frei. Hier also wirkt
dasselbe Gesetz zweimal, und zwar die Wirkung des einen Falles dem andern
entgegengesetzt. Die Luft steigt empor, kühlt sich dadurch ub und scheidet Wasser¬
dampf aus; dieser ausgeschiedene Wasserdampf aber giebt Wärme frei, welche
wieder die Luft erwärmt. Demnach vollzieht sich faktisch die Abkühlung der
Luft der Höhe uach langsamer als vorhin angegeben wurde. Die Zahl der
.101 Meter wird größer, und zwar umsomehr, je mehr die Luft Feuchtigkeit
enthielt. Nachfolgende Zahlen geben die richtigen Größen an: Die Temperatur
sei 20 Grad, die Luft sei gesättigt, enthalte also auf deu Kubikmeter 17,1 Gramm
Wasser in Gasform. Steigt die Luft 3500 Meter hoch, so beträgt der Druck
"ur noch ^/., von vorhin, das Volumen ist anderthalbmal so groß, die Tem¬
peratur -j-4 Grad geworden. Hier ist sie nur noch imstande, ",4 Gramm
Wasser zu tragen; der Nest wird als Wolke und Regen ausgeschieden. Also
hält die Luft in

Z500 Meter Höhe -j- 4 Grad, ",6 Gramm Wasser n"d scheidet aus 7,5 Gramm,
4200 " " 0 " 4,9 " " als Schnee 1,2
3500 " " --28 " 0,8 " " " 6,4

Her Regen.

Dampfwolke und beobachten im kleinen dasselbe, was im großen bei jeder
Wolkenbildung stattfindet.

Nehmen wir an, über einer gewissen Gegend habe die Luft 22 Grad Wärme
lind sei zur Hälfte gesättigt, enthalte also auf deu Kubikmeter 9,7 Gramm Wasser.
Die aufsteigende Luft kühlt sich bei je 101 Meter Aufstieg um I. Grad ab.
Hat die Luft 1111 Meter Höhe erreicht, so kauu sie deu Wassergehalt eben
noch tragen; steigt sie höher, so scheidet sie deu Überschuß als Wolke aus. Der
Temperaturpnnkt, bei dem dies geschieht, wird als Thaupunkt bezeichnet. An
warmen Sommertagen, an denen „Gewitter nicht ausgeschlossen" sind, kann
man den Vorgang sehr deutlich beobachten. Mitten im blauen Himmel erscheint
eine weißliche Stelle, die sich zu einer lichten Wolke ausbildet. Mau pflegt
Wolken als fertige Dinge zu betrachten, als Rcgenmngazine, die irgend woher
kommen und an Wasserinhnlt unerschöpflich sind. Wie unrichtig das ist, zeigt
uns der eben beobachtete Vorgang. Unsre Wolke dehnt sich ans; während sie
nach unten eine glatt abgeschnittene Grenze hat, wächst sie säulenförmig empor,
soweit als der mehrfach erwähnte warme Luftstrom in die Region oberhalb der
Grenze des Thaupunktes vordringt und Feuchtigkeit abzugeben hat. So ist die
Wolke die Haube eines feuchten warmen Luftstromes, der auf der Erde ruht oder
über deu Thaupunkt hinausragt. Sie bildet sich in jedem Augenblicke neu, sinkt und
steigt und behält uur scheinbar dieselbe Höhe und den unteren scharfbegrenzten Ab¬
schnitt, denn in Wirklichkeit ist dieser Abschnitt nnr die Sichtbarkeitsgrenze der Wolke.

Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß sich bei der Verdichtung des Wasser¬
gases zu Wasserdampf dieselbe Erscheinung geltend macht, die wir bei der Luft
bemerkten, wenn dieselbe eine dichtere Gruppirung der kleinsten Teilchen anzu¬
nehmen gezwungen wird. Die gebundene Wärme wird frei. Hier also wirkt
dasselbe Gesetz zweimal, und zwar die Wirkung des einen Falles dem andern
entgegengesetzt. Die Luft steigt empor, kühlt sich dadurch ub und scheidet Wasser¬
dampf aus; dieser ausgeschiedene Wasserdampf aber giebt Wärme frei, welche
wieder die Luft erwärmt. Demnach vollzieht sich faktisch die Abkühlung der
Luft der Höhe uach langsamer als vorhin angegeben wurde. Die Zahl der
.101 Meter wird größer, und zwar umsomehr, je mehr die Luft Feuchtigkeit
enthielt. Nachfolgende Zahlen geben die richtigen Größen an: Die Temperatur
sei 20 Grad, die Luft sei gesättigt, enthalte also auf deu Kubikmeter 17,1 Gramm
Wasser in Gasform. Steigt die Luft 3500 Meter hoch, so beträgt der Druck
»ur noch ^/., von vorhin, das Volumen ist anderthalbmal so groß, die Tem¬
peratur -j-4 Grad geworden. Hier ist sie nur noch imstande, »,4 Gramm
Wasser zu tragen; der Nest wird als Wolke und Regen ausgeschieden. Also
hält die Luft in

Z500 Meter Höhe -j- 4 Grad, »,6 Gramm Wasser n»d scheidet aus 7,5 Gramm,
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[0467] Her Regen. Dampfwolke und beobachten im kleinen dasselbe, was im großen bei jeder Wolkenbildung stattfindet. Nehmen wir an, über einer gewissen Gegend habe die Luft 22 Grad Wärme lind sei zur Hälfte gesättigt, enthalte also auf deu Kubikmeter 9,7 Gramm Wasser. Die aufsteigende Luft kühlt sich bei je 101 Meter Aufstieg um I. Grad ab. Hat die Luft 1111 Meter Höhe erreicht, so kauu sie deu Wassergehalt eben noch tragen; steigt sie höher, so scheidet sie deu Überschuß als Wolke aus. Der Temperaturpnnkt, bei dem dies geschieht, wird als Thaupunkt bezeichnet. An warmen Sommertagen, an denen „Gewitter nicht ausgeschlossen" sind, kann man den Vorgang sehr deutlich beobachten. Mitten im blauen Himmel erscheint eine weißliche Stelle, die sich zu einer lichten Wolke ausbildet. Mau pflegt Wolken als fertige Dinge zu betrachten, als Rcgenmngazine, die irgend woher kommen und an Wasserinhnlt unerschöpflich sind. Wie unrichtig das ist, zeigt uns der eben beobachtete Vorgang. Unsre Wolke dehnt sich ans; während sie nach unten eine glatt abgeschnittene Grenze hat, wächst sie säulenförmig empor, soweit als der mehrfach erwähnte warme Luftstrom in die Region oberhalb der Grenze des Thaupunktes vordringt und Feuchtigkeit abzugeben hat. So ist die Wolke die Haube eines feuchten warmen Luftstromes, der auf der Erde ruht oder über deu Thaupunkt hinausragt. Sie bildet sich in jedem Augenblicke neu, sinkt und steigt und behält uur scheinbar dieselbe Höhe und den unteren scharfbegrenzten Ab¬ schnitt, denn in Wirklichkeit ist dieser Abschnitt nnr die Sichtbarkeitsgrenze der Wolke. Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß sich bei der Verdichtung des Wasser¬ gases zu Wasserdampf dieselbe Erscheinung geltend macht, die wir bei der Luft bemerkten, wenn dieselbe eine dichtere Gruppirung der kleinsten Teilchen anzu¬ nehmen gezwungen wird. Die gebundene Wärme wird frei. Hier also wirkt dasselbe Gesetz zweimal, und zwar die Wirkung des einen Falles dem andern entgegengesetzt. Die Luft steigt empor, kühlt sich dadurch ub und scheidet Wasser¬ dampf aus; dieser ausgeschiedene Wasserdampf aber giebt Wärme frei, welche wieder die Luft erwärmt. Demnach vollzieht sich faktisch die Abkühlung der Luft der Höhe uach langsamer als vorhin angegeben wurde. Die Zahl der .101 Meter wird größer, und zwar umsomehr, je mehr die Luft Feuchtigkeit enthielt. Nachfolgende Zahlen geben die richtigen Größen an: Die Temperatur sei 20 Grad, die Luft sei gesättigt, enthalte also auf deu Kubikmeter 17,1 Gramm Wasser in Gasform. Steigt die Luft 3500 Meter hoch, so beträgt der Druck »ur noch ^/., von vorhin, das Volumen ist anderthalbmal so groß, die Tem¬ peratur -j-4 Grad geworden. Hier ist sie nur noch imstande, »,4 Gramm Wasser zu tragen; der Nest wird als Wolke und Regen ausgeschieden. Also hält die Luft in Z500 Meter Höhe -j- 4 Grad, »,6 Gramm Wasser n»d scheidet aus 7,5 Gramm, 4200 „ „ 0 „ 4,9 „ „ als Schnee 1,2 3500 „ „ —28 „ 0,8 „ „ „ 6,4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/467>, abgerufen am 01.07.2024.