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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Regen.

Während jedoch das Wasser völlig unelastisch ist, also much nicht im ge¬
ringsten zusammengedrängt und im Volumen verkleinert werden kann, ist die
Luft in hohem Grade elastisch, sie läßt sich durch mechanischen Druck leicht zu¬
sammenpressen und dehnt sich ebenso leicht Mieder aus, wenn der Druck beseitigt
ist. Dieser Druck aber wird -- vom physikalischen Experimente abgesehen --
durch die eigue Schwere der Luft ausgeübt. Während das Wasser, dem Drucke
weichend, eine Woge bildet, haben wir bei der Luft gleichsam intensive Wellen,
Verdichtungen und Verdummungen der Masse, die, sich gegenseitig ausgleichend,
Strömungen, also den Wind, verursachen. Hierbei ist eine eigentümliche Tem¬
peraturerscheinung von besonderen Interesse: die sich verdünnende Luft verliert,
die sich verdichtende Luft gewinnt an spürbarer Wärme.

Wir müssen uns die Wärme als Bewegung, die Wärmequelle als bewegende
Kraft denken. Je größer die Wärme, desto größer der Beweguugsrnum. Die
einzelnen Teile eiues erwürmteu Gegenstandes rücken um soweit auseinander,
als ihre Oscillativnsweite beträgt. Damit wäre die Ausdehnung der Körper
dnrch die Wärme erklärt. Hier hat also die Wärme nur eiuen gruppirenden,
keinen effektiven Wert. Diesen gewinnt sie, wenn das Körperteilchen zugleich
mit der größeren kleinere schnellere Oscillationen ausführt. Man kann sich die
Bewegung wie die des Mondes vorstellen, der die Sonne umkreist, zugleich aber
auch zwölf kleinere Oscillationen ausführt. Oder uoch schematischer. Ich nehme
zehn aus Wolle gewickelte Bällchen, lasse von jedem zehn Centimeter Faden frei
und hänge so einen an den andern. Die Bällchen stellen die Körperteilchen, die
Fäden die gruppirende Wärme dar. Das Ganze hat eine Länge von einem
Meter. Soll jetzt die Kette ans die halbe Länge gebracht werden so behalte
ich je fünf Centimeter Faden übrig, den ich um die Vällcheu wickle, welche
dadurch vergrößert werden. Umgekehrt wickle ich von den Bällchen fünf Centi¬
meter ab, vergrößere die Gesnmmtlänge, aber verkleinere die Bällchen. Nicht
im Bilde zu reden: Grnppirende Wärme wird verbraucht und von den er¬
wärmten Teilchen genommen, wenn diese Teilchen weiter auseinander rücken,
ebensolche Wärme wird frei und von spürbarem Effekt, wenn die Teilchen näher
zusammenrücken. Dieses Auseinander- und Zusammenrücken kann dnrch Ab-
uud Zunahme von Wärme, aber auch durch mechanischen Druck und durch Auf¬
hebung desselben bewirkt werden.

So nimmt mechanisch komprimirte Luft eine sehr hohe Temperatur an.
Die zu den Tunnelbanten nenerdings verwendete komprimirte Luft wird unter
einem Drucke von 7 Atmosphären auf deu achten Teil des ursprünglichen Raumes
zusammengepreßt; sie würde dabei auf 500 Grad Wärme steigen, wenn nicht
eine stete Abkühlung durch kaltes Wasser stattfände.

Auch in der Natur kaun durch mechanische Verdichtung der Luft erhebliche
Wärme erzeugt werden. Am auffallendsten geschieht dies beim Wehen des Föhn¬
windes. Man hat diesen Wind als einen Wüstenwind ansehen wollen, der


Der Regen.

Während jedoch das Wasser völlig unelastisch ist, also much nicht im ge¬
ringsten zusammengedrängt und im Volumen verkleinert werden kann, ist die
Luft in hohem Grade elastisch, sie läßt sich durch mechanischen Druck leicht zu¬
sammenpressen und dehnt sich ebenso leicht Mieder aus, wenn der Druck beseitigt
ist. Dieser Druck aber wird — vom physikalischen Experimente abgesehen —
durch die eigue Schwere der Luft ausgeübt. Während das Wasser, dem Drucke
weichend, eine Woge bildet, haben wir bei der Luft gleichsam intensive Wellen,
Verdichtungen und Verdummungen der Masse, die, sich gegenseitig ausgleichend,
Strömungen, also den Wind, verursachen. Hierbei ist eine eigentümliche Tem¬
peraturerscheinung von besonderen Interesse: die sich verdünnende Luft verliert,
die sich verdichtende Luft gewinnt an spürbarer Wärme.

Wir müssen uns die Wärme als Bewegung, die Wärmequelle als bewegende
Kraft denken. Je größer die Wärme, desto größer der Beweguugsrnum. Die
einzelnen Teile eiues erwürmteu Gegenstandes rücken um soweit auseinander,
als ihre Oscillativnsweite beträgt. Damit wäre die Ausdehnung der Körper
dnrch die Wärme erklärt. Hier hat also die Wärme nur eiuen gruppirenden,
keinen effektiven Wert. Diesen gewinnt sie, wenn das Körperteilchen zugleich
mit der größeren kleinere schnellere Oscillationen ausführt. Man kann sich die
Bewegung wie die des Mondes vorstellen, der die Sonne umkreist, zugleich aber
auch zwölf kleinere Oscillationen ausführt. Oder uoch schematischer. Ich nehme
zehn aus Wolle gewickelte Bällchen, lasse von jedem zehn Centimeter Faden frei
und hänge so einen an den andern. Die Bällchen stellen die Körperteilchen, die
Fäden die gruppirende Wärme dar. Das Ganze hat eine Länge von einem
Meter. Soll jetzt die Kette ans die halbe Länge gebracht werden so behalte
ich je fünf Centimeter Faden übrig, den ich um die Vällcheu wickle, welche
dadurch vergrößert werden. Umgekehrt wickle ich von den Bällchen fünf Centi¬
meter ab, vergrößere die Gesnmmtlänge, aber verkleinere die Bällchen. Nicht
im Bilde zu reden: Grnppirende Wärme wird verbraucht und von den er¬
wärmten Teilchen genommen, wenn diese Teilchen weiter auseinander rücken,
ebensolche Wärme wird frei und von spürbarem Effekt, wenn die Teilchen näher
zusammenrücken. Dieses Auseinander- und Zusammenrücken kann dnrch Ab-
uud Zunahme von Wärme, aber auch durch mechanischen Druck und durch Auf¬
hebung desselben bewirkt werden.

So nimmt mechanisch komprimirte Luft eine sehr hohe Temperatur an.
Die zu den Tunnelbanten nenerdings verwendete komprimirte Luft wird unter
einem Drucke von 7 Atmosphären auf deu achten Teil des ursprünglichen Raumes
zusammengepreßt; sie würde dabei auf 500 Grad Wärme steigen, wenn nicht
eine stete Abkühlung durch kaltes Wasser stattfände.

Auch in der Natur kaun durch mechanische Verdichtung der Luft erhebliche
Wärme erzeugt werden. Am auffallendsten geschieht dies beim Wehen des Föhn¬
windes. Man hat diesen Wind als einen Wüstenwind ansehen wollen, der


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[0464] Der Regen. Während jedoch das Wasser völlig unelastisch ist, also much nicht im ge¬ ringsten zusammengedrängt und im Volumen verkleinert werden kann, ist die Luft in hohem Grade elastisch, sie läßt sich durch mechanischen Druck leicht zu¬ sammenpressen und dehnt sich ebenso leicht Mieder aus, wenn der Druck beseitigt ist. Dieser Druck aber wird — vom physikalischen Experimente abgesehen — durch die eigue Schwere der Luft ausgeübt. Während das Wasser, dem Drucke weichend, eine Woge bildet, haben wir bei der Luft gleichsam intensive Wellen, Verdichtungen und Verdummungen der Masse, die, sich gegenseitig ausgleichend, Strömungen, also den Wind, verursachen. Hierbei ist eine eigentümliche Tem¬ peraturerscheinung von besonderen Interesse: die sich verdünnende Luft verliert, die sich verdichtende Luft gewinnt an spürbarer Wärme. Wir müssen uns die Wärme als Bewegung, die Wärmequelle als bewegende Kraft denken. Je größer die Wärme, desto größer der Beweguugsrnum. Die einzelnen Teile eiues erwürmteu Gegenstandes rücken um soweit auseinander, als ihre Oscillativnsweite beträgt. Damit wäre die Ausdehnung der Körper dnrch die Wärme erklärt. Hier hat also die Wärme nur eiuen gruppirenden, keinen effektiven Wert. Diesen gewinnt sie, wenn das Körperteilchen zugleich mit der größeren kleinere schnellere Oscillationen ausführt. Man kann sich die Bewegung wie die des Mondes vorstellen, der die Sonne umkreist, zugleich aber auch zwölf kleinere Oscillationen ausführt. Oder uoch schematischer. Ich nehme zehn aus Wolle gewickelte Bällchen, lasse von jedem zehn Centimeter Faden frei und hänge so einen an den andern. Die Bällchen stellen die Körperteilchen, die Fäden die gruppirende Wärme dar. Das Ganze hat eine Länge von einem Meter. Soll jetzt die Kette ans die halbe Länge gebracht werden so behalte ich je fünf Centimeter Faden übrig, den ich um die Vällcheu wickle, welche dadurch vergrößert werden. Umgekehrt wickle ich von den Bällchen fünf Centi¬ meter ab, vergrößere die Gesnmmtlänge, aber verkleinere die Bällchen. Nicht im Bilde zu reden: Grnppirende Wärme wird verbraucht und von den er¬ wärmten Teilchen genommen, wenn diese Teilchen weiter auseinander rücken, ebensolche Wärme wird frei und von spürbarem Effekt, wenn die Teilchen näher zusammenrücken. Dieses Auseinander- und Zusammenrücken kann dnrch Ab- uud Zunahme von Wärme, aber auch durch mechanischen Druck und durch Auf¬ hebung desselben bewirkt werden. So nimmt mechanisch komprimirte Luft eine sehr hohe Temperatur an. Die zu den Tunnelbanten nenerdings verwendete komprimirte Luft wird unter einem Drucke von 7 Atmosphären auf deu achten Teil des ursprünglichen Raumes zusammengepreßt; sie würde dabei auf 500 Grad Wärme steigen, wenn nicht eine stete Abkühlung durch kaltes Wasser stattfände. Auch in der Natur kaun durch mechanische Verdichtung der Luft erhebliche Wärme erzeugt werden. Am auffallendsten geschieht dies beim Wehen des Föhn¬ windes. Man hat diesen Wind als einen Wüstenwind ansehen wollen, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/464>, abgerufen am 22.07.2024.