Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.Der jüngste Tag. El Kind, was machst du hier? Du bist wohl nicht recht bei Trost, und Ich bin wohl bei Troste, Cyuthy Ami, und ich will nicht in meine Stube Was giebts denn, Julchen? sagte Cynthy, indem sie sich ans das Bett Julia faud es jetzt, wo sie ihren Entschluß, eine Unterhaltung zu erzwingen, O Cynthy Ann, mir ist so elend zu Mute. Ja, ich sagte deiner Mutter diesen Morgen, daß dn elend aussähest, und O, aber Cyuthy, das ist es ja nicht. Ich fühle mich elend im Gemüt. Ich dachte, du hättest dich schon entschlossen. Deine Mutter sagte mir, du Ich habe mich nicht mit ihm verlobt, und ich hasse ihn. Er brachte mich Na, nein, obschon ich über niemanden zu Gerichte sitzen will. Aber ich *) Konventikel der Methodisten, die sich nach Klassen oder Unterabteilungen der Ge¬
meinde zu frommen Gesprächen versammeln. Der jüngste Tag. El Kind, was machst du hier? Du bist wohl nicht recht bei Trost, und Ich bin wohl bei Troste, Cyuthy Ami, und ich will nicht in meine Stube Was giebts denn, Julchen? sagte Cynthy, indem sie sich ans das Bett Julia faud es jetzt, wo sie ihren Entschluß, eine Unterhaltung zu erzwingen, O Cynthy Ann, mir ist so elend zu Mute. Ja, ich sagte deiner Mutter diesen Morgen, daß dn elend aussähest, und O, aber Cyuthy, das ist es ja nicht. Ich fühle mich elend im Gemüt. Ich dachte, du hättest dich schon entschlossen. Deine Mutter sagte mir, du Ich habe mich nicht mit ihm verlobt, und ich hasse ihn. Er brachte mich Na, nein, obschon ich über niemanden zu Gerichte sitzen will. Aber ich *) Konventikel der Methodisten, die sich nach Klassen oder Unterabteilungen der Ge¬
meinde zu frommen Gesprächen versammeln. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193780"/> <fw type="header" place="top"> Der jüngste Tag.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1473"> El Kind, was machst du hier? Du bist wohl nicht recht bei Trost, und<lb/> du mußt auf der Stelle in deine Stube zurückgehen. Und Cynthy war auf¬<lb/> gestanden und zog Julien bereits um Arme.</p><lb/> <p xml:id="ID_1474"> Ich bin wohl bei Troste, Cyuthy Ami, und ich will nicht in meine Stube<lb/> zurück, wenigstens nicht eher, als bis ich mit dir gesprochen habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1475"> Was giebts denn, Julchen? sagte Cynthy, indem sie sich ans das Bett<lb/> setzte und sich anschickte, ihren alten Kampf zwischen Pflicht und Neigung wieder<lb/> zu beginnen. Cynthy erwartete immer eine Versuchung. Sie hatte oft im<lb/> Claßmeeting gesagt, daß Versuchungen aller Orten in der Luft schwebten, und<lb/> sobald Julia ihr gesagt, daß sie ihr eine Mitteilung zu machen habe, war Cynthy<lb/> sicher, sie werde darin eine Versuchung des Teufels finden, etwas zu thun, was<lb/> sie nach der Bibel oder nach strenger Deutung der methodistischen Disziplin<lb/> nicht thun dürfe. Und Cynthy war eine sehr strenge Ausdeuterin.</p><lb/> <p xml:id="ID_1476"> Julia faud es jetzt, wo sie ihren Entschluß, eine Unterhaltung zu erzwingen,<lb/> angekündigt, und wo ihre ZuHörerin wartete, nicht so leicht, etwas zu sagen.<lb/> Es ist der schlechteste Anfang von der Welt, wenn man eine Unterhaltung damit<lb/> beginnt, daß man sagt, man beabsichtige sich zu unterhalten. Wenn ein Indianer<lb/> seine Absicht angekündigt hat, ein „langes Gespräch" zu haben, so zündet er<lb/> augenblicklich seine Pfeife an und versinkt in Schweigen, bis das lange Gespräch<lb/> zufällig und natürlich losgeht. Aber Julia, die weder die Pfeife noch die<lb/> Stumpfheit des Indianers besaß, sah sich genötigt, rasch zu beginnen. Jede<lb/> Minute des Zögerns verschlimmerte ihre Position; denn jede Minute verstärkte<lb/> ihren Zweifel an der Sympathie Cynthy Anns.</p><lb/> <p xml:id="ID_1477"> O Cynthy Ann, mir ist so elend zu Mute.</p><lb/> <p xml:id="ID_1478"> Ja, ich sagte deiner Mutter diesen Morgen, daß dn elend aussähest, und<lb/> daß sie dir Sassafras eingeben sollte, um das Blut zu reinigen, aber deine<lb/> Mutter ist so eingenommen für das Dottern mit Dampf, daß sie an nichts glaubt<lb/> als an Schwitzbäder und solches Zeug.</p><lb/> <p xml:id="ID_1479"> O, aber Cyuthy, das ist es ja nicht. Ich fühle mich elend im Gemüt.<lb/> Ich wollte, ich wüßte, was ich thun soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_1480"> Ich dachte, du hättest dich schon entschlossen. Deine Mutter sagte mir, du<lb/> hättest dich mit Herrn Hnmphreys verlobt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1481"> Ich habe mich nicht mit ihm verlobt, und ich hasse ihn. Er brachte mich<lb/> dahin, sozusagen, als ich von Sinnen war, und ich glaube, er hat es angelegt,<lb/> was mich fast von Sinnen bringt. Denkst du, daß er el» guter Mann ist,<lb/> Cynthy Ann?</p><lb/> <p xml:id="ID_1482" next="#ID_1483"> Na, nein, obschon ich über niemanden zu Gerichte sitzen will. Aber ich<lb/> kann nicht begreifen, wie er gut sein soll, wo er all das köstliche Geschmeide</p><lb/> <note xml:id="FID_35" place="foot"> *) Konventikel der Methodisten, die sich nach Klassen oder Unterabteilungen der Ge¬<lb/> meinde zu frommen Gesprächen versammeln.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0439]
Der jüngste Tag.
El Kind, was machst du hier? Du bist wohl nicht recht bei Trost, und
du mußt auf der Stelle in deine Stube zurückgehen. Und Cynthy war auf¬
gestanden und zog Julien bereits um Arme.
Ich bin wohl bei Troste, Cyuthy Ami, und ich will nicht in meine Stube
zurück, wenigstens nicht eher, als bis ich mit dir gesprochen habe.
Was giebts denn, Julchen? sagte Cynthy, indem sie sich ans das Bett
setzte und sich anschickte, ihren alten Kampf zwischen Pflicht und Neigung wieder
zu beginnen. Cynthy erwartete immer eine Versuchung. Sie hatte oft im
Claßmeeting gesagt, daß Versuchungen aller Orten in der Luft schwebten, und
sobald Julia ihr gesagt, daß sie ihr eine Mitteilung zu machen habe, war Cynthy
sicher, sie werde darin eine Versuchung des Teufels finden, etwas zu thun, was
sie nach der Bibel oder nach strenger Deutung der methodistischen Disziplin
nicht thun dürfe. Und Cynthy war eine sehr strenge Ausdeuterin.
Julia faud es jetzt, wo sie ihren Entschluß, eine Unterhaltung zu erzwingen,
angekündigt, und wo ihre ZuHörerin wartete, nicht so leicht, etwas zu sagen.
Es ist der schlechteste Anfang von der Welt, wenn man eine Unterhaltung damit
beginnt, daß man sagt, man beabsichtige sich zu unterhalten. Wenn ein Indianer
seine Absicht angekündigt hat, ein „langes Gespräch" zu haben, so zündet er
augenblicklich seine Pfeife an und versinkt in Schweigen, bis das lange Gespräch
zufällig und natürlich losgeht. Aber Julia, die weder die Pfeife noch die
Stumpfheit des Indianers besaß, sah sich genötigt, rasch zu beginnen. Jede
Minute des Zögerns verschlimmerte ihre Position; denn jede Minute verstärkte
ihren Zweifel an der Sympathie Cynthy Anns.
O Cynthy Ann, mir ist so elend zu Mute.
Ja, ich sagte deiner Mutter diesen Morgen, daß dn elend aussähest, und
daß sie dir Sassafras eingeben sollte, um das Blut zu reinigen, aber deine
Mutter ist so eingenommen für das Dottern mit Dampf, daß sie an nichts glaubt
als an Schwitzbäder und solches Zeug.
O, aber Cyuthy, das ist es ja nicht. Ich fühle mich elend im Gemüt.
Ich wollte, ich wüßte, was ich thun soll.
Ich dachte, du hättest dich schon entschlossen. Deine Mutter sagte mir, du
hättest dich mit Herrn Hnmphreys verlobt.
Ich habe mich nicht mit ihm verlobt, und ich hasse ihn. Er brachte mich
dahin, sozusagen, als ich von Sinnen war, und ich glaube, er hat es angelegt,
was mich fast von Sinnen bringt. Denkst du, daß er el» guter Mann ist,
Cynthy Ann?
Na, nein, obschon ich über niemanden zu Gerichte sitzen will. Aber ich
kann nicht begreifen, wie er gut sein soll, wo er all das köstliche Geschmeide
*) Konventikel der Methodisten, die sich nach Klassen oder Unterabteilungen der Ge¬
meinde zu frommen Gesprächen versammeln.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |