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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Rasche du, Fremdling? Was ziehst du, Unseliger, mit dir die Jungfrau?
Ruf' eine andere dir und laß von meinem Gewand ab!
Fürchte den Zorn der daheim mir in Reichtum wohnenden Eltern!
Fort hier! Nimmer geziemt's, an die Khprisgeweihte zu rühren,
Und ein Unmögliches ist's, zu gelviunen das Lager der Jungfrau.

Aber Leander hört leicht aus ihre" Worten heraus, daß diese Drohung nicht
ernst genieint ist, und bittet in überschwenglichen Worten um ihre Liebe:


Erhöre
Gnädig mein Flehn und erbarme dich meiner verzehrenden Sehnsucht.
Kypris' Priesterin du, vollbring' auch die Werke der Kypris,
Nuf und feire geheim hochzeitlich die Bräuche der Göttin.
Nimmer geziemt es siirwahr, Aphroditen zu dienen als Jungfrau,
Nimmer auf Jungfraun blickt Aphrodite gefällig..........
Nimm mich als Flehenden an, und sobald dn es wünschest, als Gattin.

Er vergleicht sich dem Herkules, wie er zur Omphale kam, als Knecht ihr zu
dienen, und warnt sie vor dem Schicksal der Atalante, die, fliehend vor ihrem
Werber, dann von Liebesglut für denselben verzehrt ward.


Aber die Jungfrau schwieg und senkte die Blicke zu Boden,
Heiß erglühend vor Scham und bemüht, zu verbergen ihr Antlitz.
Leichi nur spielte verwirrt nuf dein Voden ihr Fuß und verschämt zog
Wieder und wieder sie fest das Gewand um die schimmernden Schultern.



Doch schon empfand sie die Qualen, die schmerzlich süßen, der Liebe,
Wonniges Feuer durchfloß die erschauernde Seele der Jungfrau
Und sie beflaumte mit Bangen die Schönheit des herrlichen Jünglings.

Den Blick zu Boden senkend, antwortet sie endlich, die Thräne der Scham im
heißerglühenden Antlitz:


Wehe! wer brachte dich mir hierher in den Frieden der Heimat?
Aber dn sprachst das alles umsonst. Wie sollte ein Fremdling,
Unflat, ohne Gewähr, mir je sich gesellen in Liebe?

Öffentliche Vermählung wiirdeu die Eltern uiemnls zugeben und als Fremdling
in der Stadt weilend könne er nicht ihr heimlicher Gatte sein. Doch möge er
vor allem Namen und Heimat nennen; sie selbst heiße Hero, und wohne fern
von Gespielinnen auf einsamem Thurme am Strande. Als sie dann, bewältigt
von Schau,, schweigt, ruft Leander aus, aus Liebe zu ihr wolle er das brausende
Meer durchschwimmen; er fürchte uicht die Schrecken des Winters, nicht den
Donner des Meeres, wenn er sie besitzen könne. Nur möge sie eine Fackel aus
dem Thurme als Leitstern für ihn anzünden. So beschließen sie, sich heimlich
zu vermählen und geloben sich,

Sie, zu halten die Fackel, und er, durch die Fluten zu dringen.

Dann trennen sie sich.


Grenzboten 111. 1882. 58
Rasche du, Fremdling? Was ziehst du, Unseliger, mit dir die Jungfrau?
Ruf' eine andere dir und laß von meinem Gewand ab!
Fürchte den Zorn der daheim mir in Reichtum wohnenden Eltern!
Fort hier! Nimmer geziemt's, an die Khprisgeweihte zu rühren,
Und ein Unmögliches ist's, zu gelviunen das Lager der Jungfrau.

Aber Leander hört leicht aus ihre» Worten heraus, daß diese Drohung nicht
ernst genieint ist, und bittet in überschwenglichen Worten um ihre Liebe:


Erhöre
Gnädig mein Flehn und erbarme dich meiner verzehrenden Sehnsucht.
Kypris' Priesterin du, vollbring' auch die Werke der Kypris,
Nuf und feire geheim hochzeitlich die Bräuche der Göttin.
Nimmer geziemt es siirwahr, Aphroditen zu dienen als Jungfrau,
Nimmer auf Jungfraun blickt Aphrodite gefällig..........
Nimm mich als Flehenden an, und sobald dn es wünschest, als Gattin.

Er vergleicht sich dem Herkules, wie er zur Omphale kam, als Knecht ihr zu
dienen, und warnt sie vor dem Schicksal der Atalante, die, fliehend vor ihrem
Werber, dann von Liebesglut für denselben verzehrt ward.


Aber die Jungfrau schwieg und senkte die Blicke zu Boden,
Heiß erglühend vor Scham und bemüht, zu verbergen ihr Antlitz.
Leichi nur spielte verwirrt nuf dein Voden ihr Fuß und verschämt zog
Wieder und wieder sie fest das Gewand um die schimmernden Schultern.



Doch schon empfand sie die Qualen, die schmerzlich süßen, der Liebe,
Wonniges Feuer durchfloß die erschauernde Seele der Jungfrau
Und sie beflaumte mit Bangen die Schönheit des herrlichen Jünglings.

Den Blick zu Boden senkend, antwortet sie endlich, die Thräne der Scham im
heißerglühenden Antlitz:


Wehe! wer brachte dich mir hierher in den Frieden der Heimat?
Aber dn sprachst das alles umsonst. Wie sollte ein Fremdling,
Unflat, ohne Gewähr, mir je sich gesellen in Liebe?

Öffentliche Vermählung wiirdeu die Eltern uiemnls zugeben und als Fremdling
in der Stadt weilend könne er nicht ihr heimlicher Gatte sein. Doch möge er
vor allem Namen und Heimat nennen; sie selbst heiße Hero, und wohne fern
von Gespielinnen auf einsamem Thurme am Strande. Als sie dann, bewältigt
von Schau,, schweigt, ruft Leander aus, aus Liebe zu ihr wolle er das brausende
Meer durchschwimmen; er fürchte uicht die Schrecken des Winters, nicht den
Donner des Meeres, wenn er sie besitzen könne. Nur möge sie eine Fackel aus
dem Thurme als Leitstern für ihn anzünden. So beschließen sie, sich heimlich
zu vermählen und geloben sich,

Sie, zu halten die Fackel, und er, durch die Fluten zu dringen.

Dann trennen sie sich.


Grenzboten 111. 1882. 58
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[0425] Rasche du, Fremdling? Was ziehst du, Unseliger, mit dir die Jungfrau? Ruf' eine andere dir und laß von meinem Gewand ab! Fürchte den Zorn der daheim mir in Reichtum wohnenden Eltern! Fort hier! Nimmer geziemt's, an die Khprisgeweihte zu rühren, Und ein Unmögliches ist's, zu gelviunen das Lager der Jungfrau. Aber Leander hört leicht aus ihre» Worten heraus, daß diese Drohung nicht ernst genieint ist, und bittet in überschwenglichen Worten um ihre Liebe: Erhöre Gnädig mein Flehn und erbarme dich meiner verzehrenden Sehnsucht. Kypris' Priesterin du, vollbring' auch die Werke der Kypris, Nuf und feire geheim hochzeitlich die Bräuche der Göttin. Nimmer geziemt es siirwahr, Aphroditen zu dienen als Jungfrau, Nimmer auf Jungfraun blickt Aphrodite gefällig.......... Nimm mich als Flehenden an, und sobald dn es wünschest, als Gattin. Er vergleicht sich dem Herkules, wie er zur Omphale kam, als Knecht ihr zu dienen, und warnt sie vor dem Schicksal der Atalante, die, fliehend vor ihrem Werber, dann von Liebesglut für denselben verzehrt ward. Aber die Jungfrau schwieg und senkte die Blicke zu Boden, Heiß erglühend vor Scham und bemüht, zu verbergen ihr Antlitz. Leichi nur spielte verwirrt nuf dein Voden ihr Fuß und verschämt zog Wieder und wieder sie fest das Gewand um die schimmernden Schultern. Doch schon empfand sie die Qualen, die schmerzlich süßen, der Liebe, Wonniges Feuer durchfloß die erschauernde Seele der Jungfrau Und sie beflaumte mit Bangen die Schönheit des herrlichen Jünglings. Den Blick zu Boden senkend, antwortet sie endlich, die Thräne der Scham im heißerglühenden Antlitz: Wehe! wer brachte dich mir hierher in den Frieden der Heimat? Aber dn sprachst das alles umsonst. Wie sollte ein Fremdling, Unflat, ohne Gewähr, mir je sich gesellen in Liebe? Öffentliche Vermählung wiirdeu die Eltern uiemnls zugeben und als Fremdling in der Stadt weilend könne er nicht ihr heimlicher Gatte sein. Doch möge er vor allem Namen und Heimat nennen; sie selbst heiße Hero, und wohne fern von Gespielinnen auf einsamem Thurme am Strande. Als sie dann, bewältigt von Schau,, schweigt, ruft Leander aus, aus Liebe zu ihr wolle er das brausende Meer durchschwimmen; er fürchte uicht die Schrecken des Winters, nicht den Donner des Meeres, wenn er sie besitzen könne. Nur möge sie eine Fackel aus dem Thurme als Leitstern für ihn anzünden. So beschließen sie, sich heimlich zu vermählen und geloben sich, Sie, zu halten die Fackel, und er, durch die Fluten zu dringen. Dann trennen sie sich. Grenzboten 111. 1882. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/425>, abgerufen am 24.08.2024.