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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Hero und Leander.

Als das Dunkel der Nacht herbeikommt, blickt er sehnsüchtig nach der Fackel.
Da erscheint sie, und er tritt an die Meerflut; als er dnmvfhallend den Donner
der rasenden Wogen vernimmt, bebt er erst, dann aber spricht er selbst sich
Mut zu:


Schrecklich ist Eros, das Meer unerbittlich; aber nur Wasser
Wallet im Meer, doch das Feuer des Eros durchlodert die Brust mir.
Fürchte das Feuer, o Herz, nicht fürchte das tobende Wasser.
Auf, zur Geliebte" hinüber! Was kümmert dich länger die Brandung?
Weise du denn nicht, daß den Tiefen des Meers Aphrodite entstammt ist?

Mit diesen Worten stürzt er sich in die Fluten,


Selbst sein Ruderer sich, sein Pilot, sich selber sein Fahrzeug.

Hero hält die Fackel und schützt sie vor dem Erlöschen, bis Leander endlich,
nach vielerlei Drangsal, an den Strand steigt.


Und nun führte hinauf sie zum Thurm ihn; doch vor dem Eingang
Preßte sie stumm an das Herz den tiesaufatmeuden Jüngling,
Den: aus den triefenden Locke", die Schäume des Meeres noch rannen,
Schritt ihm voraus in deu bräutlichen Nnuiu der jungfräulichen Wohnung,
Wusch ihm deu Leib, und, die Haut mit roseuduftigeu Ölen
Sorglich dann, salbend, vertrieb deu Geruch sie der salzigen Meerflut.
Jetzt den immer noch tiefaufalmeudeu Jüngling mit beiden
Armen umschlingend ans schwellendem Pfühl rief zärtlich sie also:

,,Liebster, wie vieles ertrugst du, was nie ein Verlobter erduldet!
Liebster, wie vieles ertrugst du! Genug nun des salzigen Wassers
Und deS Fischegeruchs aus dein tiefaufrauschenden Meere!"




Und sie begingen die Bräuche der Mühsal heilenden Kypris.
Hochzeit war, doch kein Tanz, und Brautnacht, aber kein Brantsang;
Nicht pries jauchzend ein Sänger die Ehestisterin Here,
Nicht umglänzte der Strahl hochzeitlicher Fackeln das Lager,
Niemand schwang sich im Takt des vielverschlungenen Reigeus,
Weder der Bater sang, noch die würdige Mutter, das Brautlied,
Sondern es schloß, sür der Hochzeit Stunden das Lager bereitend,
Schweigsamkeit das Gemach, und die Finsternis schmückte die Jungfrau.

Vor Beginn des Morgens schwimmt er zurück, und niemals sah der Tag
Leander ans dem Thurme in Schlof; erst zur Nachtzeit kehrt er wieder zur
Geliebten. Doch mir kurze Zeit datiert ihr Glück. Der Winter kommt und
mit ihm die Stürme, die das Meer aufwühlen. Aber während der Schiffer
sein Boot vor den Stoßen des Orkans birgt, wagt es Leander auch jetzt, sich
in die Brandung zu stürzen:


Es rief dich die Fackel,
Tückisch und mitleidlos. O der unglückseligen Jungfrau!
Hätte sie doch dem. Geliebten entsagt in deu Schrecken des Winters!
Aber Verlangen nud Schicksal entschiede". Vom Zauber befangen
Hob sie die Fackel des Todes und nicht mehr jene der Liebe.

Hero und Leander.

Als das Dunkel der Nacht herbeikommt, blickt er sehnsüchtig nach der Fackel.
Da erscheint sie, und er tritt an die Meerflut; als er dnmvfhallend den Donner
der rasenden Wogen vernimmt, bebt er erst, dann aber spricht er selbst sich
Mut zu:


Schrecklich ist Eros, das Meer unerbittlich; aber nur Wasser
Wallet im Meer, doch das Feuer des Eros durchlodert die Brust mir.
Fürchte das Feuer, o Herz, nicht fürchte das tobende Wasser.
Auf, zur Geliebte» hinüber! Was kümmert dich länger die Brandung?
Weise du denn nicht, daß den Tiefen des Meers Aphrodite entstammt ist?

Mit diesen Worten stürzt er sich in die Fluten,


Selbst sein Ruderer sich, sein Pilot, sich selber sein Fahrzeug.

Hero hält die Fackel und schützt sie vor dem Erlöschen, bis Leander endlich,
nach vielerlei Drangsal, an den Strand steigt.


Und nun führte hinauf sie zum Thurm ihn; doch vor dem Eingang
Preßte sie stumm an das Herz den tiesaufatmeuden Jüngling,
Den: aus den triefenden Locke«, die Schäume des Meeres noch rannen,
Schritt ihm voraus in deu bräutlichen Nnuiu der jungfräulichen Wohnung,
Wusch ihm deu Leib, und, die Haut mit roseuduftigeu Ölen
Sorglich dann, salbend, vertrieb deu Geruch sie der salzigen Meerflut.
Jetzt den immer noch tiefaufalmeudeu Jüngling mit beiden
Armen umschlingend ans schwellendem Pfühl rief zärtlich sie also:

,,Liebster, wie vieles ertrugst du, was nie ein Verlobter erduldet!
Liebster, wie vieles ertrugst du! Genug nun des salzigen Wassers
Und deS Fischegeruchs aus dein tiefaufrauschenden Meere!"




Und sie begingen die Bräuche der Mühsal heilenden Kypris.
Hochzeit war, doch kein Tanz, und Brautnacht, aber kein Brantsang;
Nicht pries jauchzend ein Sänger die Ehestisterin Here,
Nicht umglänzte der Strahl hochzeitlicher Fackeln das Lager,
Niemand schwang sich im Takt des vielverschlungenen Reigeus,
Weder der Bater sang, noch die würdige Mutter, das Brautlied,
Sondern es schloß, sür der Hochzeit Stunden das Lager bereitend,
Schweigsamkeit das Gemach, und die Finsternis schmückte die Jungfrau.

Vor Beginn des Morgens schwimmt er zurück, und niemals sah der Tag
Leander ans dem Thurme in Schlof; erst zur Nachtzeit kehrt er wieder zur
Geliebten. Doch mir kurze Zeit datiert ihr Glück. Der Winter kommt und
mit ihm die Stürme, die das Meer aufwühlen. Aber während der Schiffer
sein Boot vor den Stoßen des Orkans birgt, wagt es Leander auch jetzt, sich
in die Brandung zu stürzen:


Es rief dich die Fackel,
Tückisch und mitleidlos. O der unglückseligen Jungfrau!
Hätte sie doch dem. Geliebten entsagt in deu Schrecken des Winters!
Aber Verlangen nud Schicksal entschiede». Vom Zauber befangen
Hob sie die Fackel des Todes und nicht mehr jene der Liebe.

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[0426] Hero und Leander. Als das Dunkel der Nacht herbeikommt, blickt er sehnsüchtig nach der Fackel. Da erscheint sie, und er tritt an die Meerflut; als er dnmvfhallend den Donner der rasenden Wogen vernimmt, bebt er erst, dann aber spricht er selbst sich Mut zu: Schrecklich ist Eros, das Meer unerbittlich; aber nur Wasser Wallet im Meer, doch das Feuer des Eros durchlodert die Brust mir. Fürchte das Feuer, o Herz, nicht fürchte das tobende Wasser. Auf, zur Geliebte» hinüber! Was kümmert dich länger die Brandung? Weise du denn nicht, daß den Tiefen des Meers Aphrodite entstammt ist? Mit diesen Worten stürzt er sich in die Fluten, Selbst sein Ruderer sich, sein Pilot, sich selber sein Fahrzeug. Hero hält die Fackel und schützt sie vor dem Erlöschen, bis Leander endlich, nach vielerlei Drangsal, an den Strand steigt. Und nun führte hinauf sie zum Thurm ihn; doch vor dem Eingang Preßte sie stumm an das Herz den tiesaufatmeuden Jüngling, Den: aus den triefenden Locke«, die Schäume des Meeres noch rannen, Schritt ihm voraus in deu bräutlichen Nnuiu der jungfräulichen Wohnung, Wusch ihm deu Leib, und, die Haut mit roseuduftigeu Ölen Sorglich dann, salbend, vertrieb deu Geruch sie der salzigen Meerflut. Jetzt den immer noch tiefaufalmeudeu Jüngling mit beiden Armen umschlingend ans schwellendem Pfühl rief zärtlich sie also: ,,Liebster, wie vieles ertrugst du, was nie ein Verlobter erduldet! Liebster, wie vieles ertrugst du! Genug nun des salzigen Wassers Und deS Fischegeruchs aus dein tiefaufrauschenden Meere!" Und sie begingen die Bräuche der Mühsal heilenden Kypris. Hochzeit war, doch kein Tanz, und Brautnacht, aber kein Brantsang; Nicht pries jauchzend ein Sänger die Ehestisterin Here, Nicht umglänzte der Strahl hochzeitlicher Fackeln das Lager, Niemand schwang sich im Takt des vielverschlungenen Reigeus, Weder der Bater sang, noch die würdige Mutter, das Brautlied, Sondern es schloß, sür der Hochzeit Stunden das Lager bereitend, Schweigsamkeit das Gemach, und die Finsternis schmückte die Jungfrau. Vor Beginn des Morgens schwimmt er zurück, und niemals sah der Tag Leander ans dem Thurme in Schlof; erst zur Nachtzeit kehrt er wieder zur Geliebten. Doch mir kurze Zeit datiert ihr Glück. Der Winter kommt und mit ihm die Stürme, die das Meer aufwühlen. Aber während der Schiffer sein Boot vor den Stoßen des Orkans birgt, wagt es Leander auch jetzt, sich in die Brandung zu stürzen: Es rief dich die Fackel, Tückisch und mitleidlos. O der unglückseligen Jungfrau! Hätte sie doch dem. Geliebten entsagt in deu Schrecken des Winters! Aber Verlangen nud Schicksal entschiede». Vom Zauber befangen Hob sie die Fackel des Todes und nicht mehr jene der Liebe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/426>, abgerufen am 25.08.2024.